Wenn es früher mit der Jugend nicht so recht klappen wollte, dann richteten unsere Großeltern und Urgroßeltern den Blick gen Himmel und stießen den Seufzer aus: „Jetzt hilft nur noch Beten“. Wenn es heutzutage mit der Jugend nicht so recht passt, dann kommen Leute wie Martin Schulz und seufzen: „Da hilft nur noch eine Bildungsreform und noch eine Bildungsreform und noch eine Bildungsreform.“ Bestückt mit zehn oder zwölf oder dreißig Milliarden? Oder was? So genau wollte sich „der Martin“ da bei einer Veranstaltung in einer Berliner Schulbibliothek nicht festlegen.
Nun ist es ja eigentlich schön, wenn Schulz als Kanzlerkandidat die Bildung entdeckt. Das hat seine Konkurrentin Merkel auch schon mal getan. Sie rief 2008 die „Bildungsrepublik“ aus. Was immer das ist. Weil sie bestimmte Begriffe nicht mag, wollte sie den Begriff „Bildungsnation“ nicht in den Mund nehmen. Und wahrscheinlich weiß die in der DDR sozialisierte Physikerin Merkel gar nicht, dass und warum wir einmal eine führende Bildungsnation waren.
Und beide wissen wohl auch nicht oder sie wollen es gar nicht wissen, warum wir nun keine Bildungsnation mehr sind. Zum Beispiel weil SPD sowie Grüninnen und Grüne die Spaßschule mit Abiturvollkaskoanspruch für alle inszenierten. Aber auch weil die Merkel-CDU das meiste an dieser Politik widerstandslos mitmachte. Das geschah nicht in allen deutschen Ländern gleichermaßen anspruchslos, aber immerhin so weit, dass wir unter den 16 deutschen Ländern bereits bei Fünfzehnjährigen ein Leistungsgefälle von bis zu zwei Jahren haben.
Nun also will Schulz einen nationalen Bildungspakt mit Milliardeninvestitionen. Und er will mehr Zuständigkeit für den Bund. Das klingt nach mehr Einheitlichkeit, nach mehr Gerechtigkeit. Womit Schulz wieder bei seinen Sprechblasen angelangt wäre, mit denen er als Kandidat ein erstes Strohfeuer entfacht hatte.
Wer freilich ein wenig Ahnung von jüngster deutscher Bildungsgeschichte hat, muss angesichts solch zentralistischer Bildungsvorstellungen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Mehr Bildungskompetenz beim Bund? Das wollten SPD und FDP beim Start in die sozialliberale Koalition im Jahr 1969 schon einmal haben. Für eine entsprechende Verfassungsänderung fehlte ihnen aber gottlob die Mehrheit, denn sonst hätten wir heute quer durch die ganze Republik, auch in Bayern und Sachsen, Pisa-Ergebnisse wie in Bremen und Berlin.
Nein, das ist das Letzte, was uns voranbringt. Aber clever ist „der Martin“ schon. Wenn sich alle deutschen Länder auf das Niveau einer krachend gescheiterten SPD-Bildungspolitik begeben, dann ist alles wieder „gerecht“. Oder? Nein, wir brauchen in Sachen Bildung einen kompetitiven Föderalismus. Das ist ein Föderalismus des Wettbewerbs. Will sagen: Die 16 deutschen Länder müssen endlich in einen Wettbewerb um das beste Bildungssystem eintreten, anstatt sich ständig auf der nach unten offenen Anspruchsskala zu unterbieten. Dazu bräuchten wir mal das eine oder andere deutsche Land, das auf den Tisch haut und sagt: „Ihr da, in Bremen oder Berlin, wenn ihr nicht endlich euer Niveau hebt, erkennen wir eure Zeugnisse bei uns nicht mehr an!“ Aber dafür wiederum bräuchten wir Minister (m/w), die schlicht Mumm haben, statt immer nur zu jammern und zu sagen: „Meine Landeskinder dürfen doch nicht strenger gemessen werden als die in Bremen, Berlin, Hamburg, Brandenburg oder NRW!“
Wie man eine Bildungsnation noch weiter an die Wand fahren kann, das hat zuletzt eine SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gezeigt, als sie die wohl bundesweit höchstideologisierte Schulministerin Löhrmann (Grüne) schalten und walten ließ, wie letztere wollte.
Also, lieber Martin, fang mal in deiner eigenen Partei zu kehren an. Und hör bitte auf, von skandinavischen Schulverhältnissen zu träumen. Schweden, Dänemark und Norwegen liegen bei „Pisa“ sogar noch hinter Deutschland. Und das, obwohl bei „Pisa“ bekanntermaßen ja auch die Ergebnisse SPD-geführter Länder mitzählen. Und fang nicht an, von Finnland zu träumen; Finnland ist zurückgefallen, seit es in den „nuller“ Jahren seinen Unterricht begonnen hat zu „reformieren.“
Im Patronengürtel des Martin Schulz scheinen jedenfalls nur noch Platzpatronen zu stecken. Aber vielleicht sollte er es mal mit dem Thema versuchen, das die Menschen am meisten bewegt: die innere Sicherheit.