Jetzt soll es ganz schnell gehen. Ratz-Fatz unter weitestgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit soll die Meinungsfreiheit im Internet beerdigt und der Zensurkrieg gegen alle regierungskritischen Stimmen im Netz geführt werden.
Abgeordnete sollen blind durchwinken
Der Weg zeigt, wie der Deutsche Bundestag heute agiert: Am Dienstag veröffentlichten wir hier die Absicht der Koalitionsfraktionen, das sogenannte Netzdurchsetzungsgesetz noch am Freitag im Bundestag möglichst in erster und zweiter Lesung durchzuwinken. Am späten Dienstag bestätigte die SPD das Vorhaben; am Mittwoch lag allerdings noch immer keine Bundestagsdrucksache vor. Das heißt: Die Abgeordneten entscheiden wieder blind und unwissend über ein wichtiges Gesetz. Die Fraktionsvorsitzenden rufen – und die Abgeordneten folgen. Genau 60 Minuten sind dafür als Debatte vorgesehen; so soll der Anschlag auf die Meinungsfreiheit schnellstmöglichst durch das Plenum geschleust werden. Dann könnte das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode Gesetz werden und der Wahlkampf ganz ohne kritische Stimmen im Netz in Harmonie und Übereinstimmung von CDUSPD geführt werden.
Das Recht wird privatisiert
Mit seinem Gesetzentwurf will Bundesjustizminister Heiko Maas private Unternehmen und Organisationen ermächtigten, die Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken wie z.B. Google, Facebook oder Twitter auf vermeintlich rechtswidrige Inhalte zu prüfen. Eine Ausnahme wurde für das Netzwerk XING geschaffen; der Anbieter aus Hamburg mit der Aktienmehrheit bei Burda hat sich eine Sonderregelung herausverhandelt: Das Gesetz gilt nicht für Netze mit „Themenvorgabe“.
Nach dem Gesetzesvorhaben sollen die Netzwerke darüber entscheiden, was „rechtswidrig“ ist – bisher prüfen das im Zuge des aufgefeilten Presserechts die Gerichte. Diese werden jetzt weitgehend ausgeschaltet; Richter könnten bei der Zensur stören. Geht es nach Maas, wird also in diesem Bereich das Recht privatisiert.
Aber nicht nur um formale Auslagerung der Gerichte an große US-Konzerne geht es.
Die Betreiber ihrerseits sollen dazu verpflichtet werden, gemeldete Veröffentlichungen dann ggf. innerhalb von 24 Stunden auf „Wahrheitsgehalt“ zu überprüfen und umgehend zu löschen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Privatpersonen Bußen von bis zu fünf Millionen Euro, Unternehmen der zehnfache Betrag.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Um derartig hohen Strafen zu entgehen wird zukünftig gelöscht werden, was „irgendwie“ verdächtig klingt. Das kann man den Betreibern gar nicht vorwerfen. Sie werden alles, was vielleicht irgendwie vom amtlichen Mainstream abweichen könnte, identifizieren und löschen müssen. Es werden Teilzeitkräfte angeheuert werden, die in den Löschfabriken beseitigen, was ihnen nicht gefällt. Die bisher übliche sorgfältige Abwägung zwischen „Meinungsfreiheit“ und als strafbar erkannten Inhalten wird ausgeschaltet – im Zweifel Papierkorb.
Gegen liberale und konservative Inhalte – nur noch „links“ bleibt erlaubt
„Dadurch besteht die Gefahr, dass die Betreiber der sozialen Netzwerke angesichts der drohenden Strafen dazu neigen werden, lieber schnell zu löschen, anstatt eine rechtliche Prüfung abzuwarten. Das öffnet dem politisch motivierten Denunziantentum Tür und Tor“, sagt beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende des Freiheitlich-konservativen Aufbruchs, Thomas Jahn, zu dieser „Lösch- und Zensuraktionen gegen konservative, liberale und nichtlinke Autoren: Die bisherige Praxis von Löschungen auf Facebook, Youtube u.ä. Plattformen zeigt, dass sich diese Aktionen überwiegend gegen konservative, liberale und nichtlinke Autoren richtet. Demgegenüber werden linksextremistische oder islamistische Inhalte so gut wie nie gelöscht oder beanstandet, was auch nicht verwundert, da ausgerechnet die als linksextrem einzuordnende Amadeu- Antonio-Stiftung von Minister Maas mit inhaltlichen Internetkontrollaufgaben betraut wurde.“
Auch der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bezeichnete das Gesetzesvorhaben jüngst als „katastrophal“. VDZ-Chef Stephan Scherzer sagte: „Es kann nicht sein, dass der Staat seine Hoheit auf Rechtsdurchsetzung ruhen lässt, um Facebook, den größten Inhalteraum der Erde, auch zum größten Zensor zu machen“.
Kritisiert wurde auch, dass der Maas’sche Gesetzesentwurf eine privatisierte Rechtsdurchsetzung befördere. Ohne vorhergehende richterliche Überprüfung würden Unternehmen wie Facebook zum „Ermittler, Richter und Henker über die Meinungsfreiheit“, schreibt Markus Reuter bei netzpolitik.org. Bitkom-Chef Rohleder erinnert an die Auseinandersetzungen um Jan Böhmermanns „Schmähgedicht“: „Wie sollen private Unternehmen innerhalb kurzer Zeit Entscheidungen treffen, die selbst Gerichten nach langwieriger und sehr sorgfältiger Prüfung nur mit Mühe gelingen und die trotzdem umstritten bleiben?“ Zwar ist vorgesehen, dass Nutzer im Nachhinein juristisch gegen die Löschung vorgehen können. Doch bis zum Gerichtstermin werden viele Inhalte nicht mehr relevant sein (zuständig soll übrigens ein Amtsgericht sein, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann und dessen Entscheidung nicht anfechtbar ist).
Trotz der massiven Kritik wurde der Gesetzentwurf einstimmig vom Kabinett beschlossen und wird bereits an diesem Freitag in erster Lesung im Bundestag behandelt. Nach zweiter und dritter Lesung (finden oft an einem Tag statt), könnte das Gesetz dann noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten.
Die weiteren Zensurschritte der SPD
Aber das ist nur der erste Schritt, mit dem die Große Koalition auf Betreiben der SPD die Meinungsfreiheit im Netz unterbinden will. Die CDU wird ihr dann widerspruchslos folgen, die Kanzlerin der SPD zustimmen.
Der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil plädierte in einem Vortrag dafür, dass zukünftig Angebote von ARD und ZDF in den Netzen bevorzugt behandelt werden sollen.
Wesentlicher Teil der SPD-Digital-Forderung ist im Leitantrag zum Wahlprogramm eine „Must-be-Found“-Regelung, die sicherstellen soll, dass faktisch regierungsnahe Medien bei Facebook und Twitter als erste sichtbar werden sollen. Gleichzeitig sollen digitale und Rundfunkwelt „verschränkt“ werden; das bedeutet: Das Netz soll über weite Strecken zum „Rundfunk“ erklärt und der Kontrolle durch die Landesmedienanstalten der Länder unterworfen werden. Es ist klar, gegen wen sich diese Forderung richtet: ARD und ZDF als staatsnahe und staatlich kontrollierte Medien sollen im Netz bevorzugt und andere Anbieter schärfer kontrolliert werden. Verlage und Blogs sollen in den Hintergrund rücken, weil sie nicht über Rundfunkräte von Parteisoldaten kontrolliert werden.
Es ist eine chinesische Lösung für das Netz: Zugelassen wird nur, was den Kontrolleuren gefällt.