Beim Blick auf die Aktienkurse können sich derzeit ungute Gedanken einschleichen: Die haben allerdings nichts mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu tun. Deren Ausgang wird praktisch keine oder eine bestärkende Auswirkung auf die Börse haben. Nein, die unguten Gefühle könnten von der fulminanten Kursentwicklung in diesem Jahr herrühren. Gewinne von zehn Prozent und mehr bei Nebenwerten im Handumdrehen. Wie lange das wohl gut geht? Erinnerungen an den Dotcom-Boom werden wach. Eine radikale Übertreibung wie Anfang des Jahrtausends braucht aber niemand. Fakt ist: Der DAX hat erneut ein Allzeithoch markiert, die Latte liegt bei 12 783 Punkten. Seit Jahresanfang sind über zehn Prozent Gewinn aufgelaufen. Das ist eine ganze Menge — und mehr, als der Leitindex in normalen durchschnittlichen Jahren bringt. Tatsache ist aber auch, dass der DAX im internationalen Vergleich moderat bewertet ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die nächsten zwölf Monate liegt bei 14, die Kennziffer des breiten US-Index S & P 500 beträgt knapp 18. Zugegeben: Beide Barometer übertreffen ihre Zehnjahresdurchschnitte deutlich, was an der offensiven Notenbankpolitik liegt. Doch daran ändert sich im Wesentlichen erst einmal nichts. Und: Die Unternehmensgewinne ziehen spürbar an. Es gibt also einen fundamentalen Grund für die Kurszuwächse. Das ist ein eklatanter Unterschied zur Dotcom-Blase. Damals, im Hoch des Frühjahrs 2000, lag das DAX-KGV übrigens weit über 30.
Und weitere Gründe für die gute Börsenstimmung zu finden, ist derzeit nicht allzu schwer. Auf der konjunkturellen Seite etwa beurteilen die Experten die aktuelle Lage der Weltwirtschaft laut Ifo-Institut deutlich positiver als noch vor wenigen Monaten. Der Stimmungsaufschwung ist der stärkste seit Januar 2013. Gleichzeitig überzeugen die Unternehmen mit steigenden Profiten. Die US-Großkonzerne etwa haben im abgeschlossenen Quartal mit über 13 Prozent Gewinnplus den ersten zweistelligen Prozentanstieg seit 2011 vermelden können. Und auch Risikoindikatoren geben Rückenwind. So ist der VIX-Inxex, der die Schwankungsbreite von US-Aktien misst, auf den niedrigsten Stand seit 1993 gesunken.
Die Flut hebt (fast) alle Boote. Nach einer aktuellen Analyse des Meinungsklimas in Analystenzitaten internationaler Medien sind die Finanzprofis angesichts der guten Konjunkturentwicklung und der anhaltend reichlichen Geldversorgung durch etliche Zentralbanken aktuell für die meisten Branchen positiv gestimmt. „Bau, Gesundheitssektor und Versicherungen wie die Allianz werden aktuell besonders im Aufwärtstrend gesehen“, so Matthias Vollbracht, Leiter Unternehmensanalyse bei Media Tenor International in Zürich. „Zu den wenigen Verlierern zählen Rohstoffe, ausgewählte Industrieunternehmen und — zumindest relativ — der Telekommunikationssektor“, so Vollbracht. Im Industriebereich zeigt sich deutliche Skepsis bei den etablierten Flugzeugbauern. Insgesamt wurden über 58.000 Aussagen von Anfang 2016 bis Mai 2017 in den wichtigsten internationalen Finanzmedien von Media Tenor ausgewertet, um den Trend zu ermitteln.
Warren Buffett genießt dank seiner außergewöhnlichen Investmentfähigkeiten und -erfolge in den vergangenen Jahrzehnten einen legendären Ruf. Doch vergangenen Samstag entschuldigte sich der Guru auf der Hauptversammlung seiner Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway bei seinen Anlegern. Grund: Der Einstieg bei IBM vor sechs Jahren sei falsch gewesen, zudem habe er das gigantische Potenzial von Google sowie Amazon nicht rechtzeitig erkannt. Seit jeher ist Buffett gegenüber Technologiefirmen kritisch eingestellt. Ein Grund, warum Berkshire das Platzen der Technologieblase 2001 gut überstanden hat, gleichzeitig aber eine Erklärung, weshalb die Erfolgsbilanz des Gurus zuletzt gegenüber dem S & P 500 gelitten hat. Doch Buffett wäre nicht Buffett, wenn der 86-Jähriger aus der Stärke des S & P 500 nicht noch etwas für sein Renommee machen könnte. Seit 2007 läuft seine Eine-Million-Dollar-Wette mit einem Dachfondsmanager. Dabei wettete Buffett, dass der Index S & P 500 über einen Zeitraum von zehn Jahren ab 2008 eine Outperformance gegenüber Hedgefonds nach Abzug aller Kosten aufweisen wird. Nach neun Jahren liegt die jährliche Performance des S & P 500 bei sieben Prozent. Die ausgewählten fünf Hedgefonds kommen nur auf eine Durchschnittsrendite per annum von etwas mehr als zwei Prozent. Der Gewinn soll übrigens an wohltätige Zwecke gespendet werden.
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