Eine der gängigen Formeln, die alle verwenden, ohne je nachgedacht zu haben, lautet, es gibt keine falschen Fragen, nur falsche Antworten. Dem setze ich seit langem die Beobachtung entgegen, dass sehr viele falsche Antworten mit falschen Fragen begonnen haben.
Kommunikationsprofis unterscheiden zwischen „offenen“ und „geschlossenen“ Fragen. Die Frage der Sendung hätte als offene lauten können: Welche Wirkungen haben Trumps ersten 100 Tage auf die bevorstehenden Wahlen in Europa? „Sind die Nationalisten entzaubert?“, ist eine geschlossene Frage. Geschlossene Fragen sind Suggestivfragen, sie sollen die Antworten in die gewünschte Richtung drängen, jedenfalls aber Antworten in ungewünschte Richtungen (weitgehend) ausschließen. Umfrageergebnisse kann daher nur beurteilen, wer die exakten Fragen kennt.
Bei Maischberger spielte beides keine Rolle, weil sie die falsche und geschlossene, weil in eine bestimmte Richtung drängende Frage, ob „die Nationalisten entzaubert“ sind, ihren Gästen gar nicht stellte. Die Sendung begann um 22 Uhr 45, es war kurz vor Mitternacht, als Maischberger schnell noch hören wollte, ob Le Pen das Rennen machen kann.
Die Ausbeute des Sendungsabgesanges: ARD-Rentner Roth will sich das nicht vorstellen. Spiegel-Feldenkirchen hält es für möglich, ob sein Blatt dann Le Pen abbildet, die das französische Nationalsymbol Marianne unter der Guillotine enthauptet, verriet er uns nicht. Frau Kohl glaubt, dass Le Pen verliert, weil die Franzosen den Euro behalten wollen, gewinnt sie, käme es zur Kapitalflucht aus Frankreich. Gysi würde seinen Klassenfeind Macron wählen, um Le Pen zu verhindern. Köppel beobachtet die „Trumpisierung“ der EU-Politiker, die Populistin Merkel an der Spitze. Kornblum rechnet mit keinem Sieg Le Pens, sagt Macron voraus, dass er in Frankreich nichts ändern kann und attestiert der gesamten europäischen Politik, verstopft zu sein.
Von den 74 Minuten Sendezeit (ARD-Angabe) gingen mehr als 60 drauf, um Urteile über Trump abzusondern und gegenseitige über die Anwesenden. Das ging nach dem berühmten Buchtitel aus: im Westen nichts Neues.
Roth wiederholt alle negativen Klischees von Trump. Feldenkirchen rechtfertigt die abgründigen Spiegel-Cover und will in den USA eine demokratische Erneuerung gegen Trump erkennen. Köppel sagt, er sei nicht pro Trump, sondern anti anti-Trump. Ihn beeindrucke, dass Trump gegen die Machtmaschine, die geschlossen für Clinton arbeitete, gewinnen konnte. Er sieht in den USA, wo er gerade war, Optimismus in der Wirtschaft. Damit stößt er auf die Betonmauer aller anderen – Kornblum ausgenommen – , für die jeder, der nicht alles in und um Trump für falsch und böse erklärt, ein Trumpanhänger ist. Kornblum, kein Trump-Anhänger, beobachtet, wie die europäische Weltuntergangsstimmung Europa die wirklich wichtigen Dinge vergessen lässt. Börsen-Kohl erklärt, dass Trumps Steuerpläne bei Verwirklichung eine historische Reform wäre, die großen Steuer-Wettbewerbsdruck nach Europa brächte. Gysi will, dass Europa sich auf Putin zubewegt. Maischberger nennt die ersten 100 Tage ein Desaster.
Der Selbstgerechtigkeit der versammelten Trumpgegner saßen Köppel und Kornblum gegenüber, die über den Tellerrand des Trump-Bashings schauten, wohin ihnen aber die anderen nicht folgen wollten. Kohls Steuerausflug wollten die Antitrumper nicht hören und schoben ihn in die Ecke, würde nur den Reichen (Trump eingeschlossen) nützen.
Kornblum und Köppel gegen den Rest ist die Zusammenfassung des Abends. Beide sagten den anderen, ihr versteht Amerika nicht. Einfach und treffend charakterisierte Kornblum die Runde und damit 90 Prozent der Medien: Typisch deutsche Reaktion, egal was wir Amerikaner tun, ist es immer falsch, weil wir nicht europäisch sind und denken. Europa fällt immer wieder in die negative Weltuntergangsstimmung, während Amerika zusammen mit anderen auf der Welt außerhalb Europas längst zu neuen Ufern unterwegs ist.
Wie gesagt: bei Maischberger nichts Neues.