Das griechische Referendum läuft bereits – an den Geldautomaten. Allerdings hat jetzt die Regierung die Abstimmung per Geldbeutel vorzeitig beendet, und die Banken für 6 Tage geschlossen. Vorerst. Es kann also auch länger dauern; die Krise sich weiter verschärfen.
1. Was hat das Ende der Verhandlungen verursacht?
Noch am Donnerstag hatte die EU-Kommission ein Paket von weit über 30 Mrd € geschnürt, wie Griechenland an frisches Geld zu Lasten Europas bis zum 30.6 kommt – und im Gegenzug ein paar Reformen eingefordert. Aber darüber wollte die griechische Regierung ein Referendum abhalten. Das an sich ist schon irre – denn eigentlich war geplant, zunächst die Zustimmung der Regierung einzuholen und dann der europäischen Parlamente. Bis Dienstag! Das hätte bedeutet, dass der Bundestag in einer Nacht- und Nebelaktion hätte zustimmen müssen – eine Zumutung. Aber wenigstens dazu kommt es nicht.
Wie ist die Lage in Brüssel?
Weil jetzt die Griechen nicht mitspielen, verfällt die Verlängerung des auf den 30.6. terminierten Hilfsprogramms. Man kann es so sehen: Die griechische Regierung hat den Ball auf den 11-Meter-Punkt gelegt und den Torwart nach Hause geschickt. Die europäischen Finanzminister haben den Ball hineingeschoben; die Verantwortung liegt jetzt bei den Griechen. Denn wenn die griechische Regierung der Reformen ablehnt, ist nicht zu erwarten, dass sie diese Reformen umsetzt. Theoretisch kann zwar weiterverhandelt werden, und alle reden davon. Aber das Referendum steht dem im Wege. Wieso soll man verhandeln, wenn alles am Referendum hängt? Damit hat die griechische Regierung eine böse Hängepartie erzeugt.
2. Was passiert jetzt mit Griechenland?
Die Verhandlungen der Finanzminister laufen weiter – ohne den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Es geht jetzt darum, die Folgen zu bewältigen. Denn Griechenland muss noch kommende Woche 1,6 Milliarden Euro fällige Schuldzahlungen leisten. Formal ist das Land dann möglicherweise nicht pleite – weil die Gläubiger nicht private Banken sind, sondern der Internationale Währungsfonds. Aber faktisch wird niemand mehr Griechenland Geld leihen können. Zu riskant. Griechenland wird zu einer Art Paria in der internationalen Gemeinschaft. Absurd, wenn die LINKE in Berlin jetzt Zeit für Griechenland fordert, damit das Referendum durchgeführt werden kann. Zahlungstermine sind eben nicht durch Volksabstimmung gestaltbar. Der gesamte Schuldenberg wird schrittweise fällig, und Griechenland muss immer wieder seine Zahlungsunfähigkeit eingestehen. Bedient ein Land seine Schulden nicht mehr, hat es in der Regel keinen Zugang zu neuen Krediten. Es kommt deshalb jeweils zu Umschuldungsverhandlungen. Im Fall von Griechenland müssten diese primär mit demIMF, EZB und Europäische Kommission geführt werden. In der Vergangenheit verhandelten überschuldete Entwicklungs- und Schwellenländer mit ihren öffentlichen Gläubigern meistens im Rahmen des sogenannten Pariser Clubs, mit privaten Gläubigern im London Club. Typischerweise einigten sich die Parteien nach zähen Verhandlungen auf eine Schuldenrestrukturierung, welche die Umwandlung der laufenden Schulden und einen Schuldenschnitt umfassen
3. Geht Griechenland jetzt pleite?
Die griechischen Banken hängen längst am Trop der Zentralbank. Die entscheidende Rolle hat jetzt die Europäische Zentralbank. Sie müßte blitzschnell Geld nach Griechenland fliegen lassen, denn die Bevölkerung räumt ihre Konten leer, so weit sie das nicht schon getan hat. Am Sonntag hat sie entschieden, die Notfall-Kredite nicht weiter zu erhöhen – womit sie in den Monaten bereits 90 Milliarden nach Griechenland gepumpt hat. Eigentlich darf sie das nicht. Denn dafür bräuchte sie Pfänder von den griechischen Banken, also z.b. Schuldverschreibungen. Die gibt es nicht mehr, jedenfalls keine halbwegs belastbaren. Weitere Liquiditäts-Not-Hilfen der EZB wären eindeutig rechtswidrig. Am Sonntag allerdings hat die EZB erklärt, dass sie Griechenland weiter mit frisch gedruckten Euros unterstützen werden – wieviel allerdings noch unterhalb des vorgegebenen Plafonds von 90 Mrd. € zur Verfügung stehen, ist ungewiss. Das Euro-System (Verbund aus EZB und nationalen Notenbanken der Euro-Zone) gewährt den griechischen Banken derzeit Kredite in der Höhe von rund 118 Mrd. €, was rund 66% des griechischen BIP entspricht. Für diese Kredite haftet das Euro-System gemeinsam. Darüber hinaus hält die EZB noch Staatsanleihen aus ihrem ersten Programm zum Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Zone (Securities Markets Programme). Derzeit hat die EZB griechische Staatstitel im Wert von rund 27 Mrd. € in ihren Büchern, wovon im Juli und August 6,7 Mrd. € fällig werden. Die griechische Regierung wiederumhat Kapitalverkehrskontrollen eingeführt: Griechen erhalten nur noch maximal 60 € am Bankautomaten; angeblich sollen Ausländer noch unbegrenzt abheben können, wenigstens vorerst. Das heißt: Ab Montag werden die Banken nicht wieder aufmachen in Griechenland. Damit kommen die notwendigen Geldbewegungen zum erliegen. Die Banken sind faktisch pleite. Faktisch ist Griechenland pleite, ohne Zahlungsmittel – das Niveau einer Steinzeitgesellschaft, nur noch durch die EZB auf Zeit und Gnade aufrecht erhalten.Durch die Kapitalverkehrskontrollen, die zu erwarten sind, nimmt es kaum mehr an Europa teil.Entscheidend ist jetzt, ob es gelingt, diese Situation zu managen und die Liquditätslage zu sichern. Griechenland ohne Mittel von außen ist auf sich selbst gestellt: Auf seine schwache Wirtschaft und politisch isoliert.
4. Ist das der Grexit?
Viele Menschen hängen vom Geld ab; brauchen Löhne und Gehälter. Wenn es keine Euros mehr gibt, müssen andere Zahlungsmittel her. Und zwar im großen Stil. Vermutlich hat die griechische Regierung kein Notgeld vorbereitet, das sie jetzt aus dem Bunker holt und über die Banken ausgibt. Das wird jetzt dauern. Wer jetzt Bargeld hat, ist gut dran. Aber Unternehmen werden ihre Rechnungen genau so wenig zahlen können wie Löhne und Gehälter. Die Wirtschaft friert ein.
Wenn Griechenland jetzt geldähnliche Produkte ausgibt, etwa klein gestückelte Staatsanleihen, dann ist das der Grexit. Neues Geld tritt an die Stelle des alten. Das ist eigentlich jetzt unumgänglich. Formal mag Griechenland noch im Euro sein. Faktisch ist es abgeklemmt. Die Gemeinsamkeit ist aufgekündigt. Jetzt wartet das griechische Parlament auf ein besseres Angebot – wie trotzige Kinder. Vermutlich werden sich – das ist aber reine Spekulation – die Europa-Retter ihrer erbarmen. Dann geht die Blockade Europas durch Griechenland weiter, statt sich mit ernsthaften Themen wie der FLüchtingsproblematik zu beschäftigen. aber vermutlich werden sich die Euro-Retter der Chaoten wieder erbarmen – zu Lasten ihrer Steuerzahler ein gutes Herz zeigen. Auch Zypern übrigens ist weiter im Euro – auch nach der Krise. Allerdings verhielt sich die dortige Regierung kooperativer.
5. Was passiert mit der Wirtschaft?
Es gibt eindeutige Gewinner. Es kann praktisch nichts mehr importiert werden, weil im Ausland niemand Waren gegen das neue Geld verkaufen wird. Dann gewinnen einheimische Produzenten – Bauern, Handwerker, Industrien. Sie sind die Gewinner. Und das ist die Chance für die griechische Wirtschaft, die vom Euro buchstäblich erdrückt wurde. Aber: Verlieren werden alle, deren Einkommen zunächst vom Staat bestimmt wird – also Beamte, Rentner usw. Sie erhalten neues Geld – das keiner nimmt. Die Folge: Die Preise steigen – in Drachmen, oder wie auch immer das neue Geld heißt. Eine Inflationsspirale beginnt sich zu drehen. Jetzt kommt es drauf an, die Wirtschaft in Gang zu bringen. Dann könnte Griechenland tatsächlich gewinnen. Aber es hat eine sozialistische Regierung. Und die wird nicht mit Marktwirtschaft reagieren, sondern mit den Befehlen der sozialistischen Kommandowirtschaft. Statt Unternehmer zu ermutigen, wird sie diese weiter schikanieren. Keine guten Aussichten. Griechenland wird es schlecht gehen. Auch der Tourismus wird in sich zusammenfallen, wenigstens in dieser Saison. Wer will schon in ein Krisenland reisen?
4 Regeln für Griechenland Urlauber:
1. Wer in diesem Sommer einen Urlaub in Griechenland riskiert, sollte auf alle Fälle Euros mitnehmen, am besten in 5er- und 10er Scheinen: Damit lassen sich Tavernen und der Alltagsbedarf bezahlen. Denn Geldwechseln oder auch nur das Herausgeben auf größere Scheine wird dann nicht mehr möglich sein.
2. Kreditkarten und anderen Platingeld-Formen können Sie nicht vertrauen. Zur Zahlungsabwicklung ist ein griechischer Partner involviert; in Griechenland ist einer der wichtigsten Partner die Alpha-Bank. Gerade diese Bank aber könnte mit als erste Bank in die Schließung geraten. Auch wenn Sie das Gegenteil hören: Kreditkarten sind nicht mehr sicher. TraverllerChecks, Baranweisung – all das sind Notmaßnahmen, die Sie aber überlegen sollten.
3. Bezahlen Sie das Hotel, Mietwagen etc. vorab. Damit sind sie vor Zahlungsausfällen sicher – allerdings ist damit in vielen Fällen ein Risiko verbunden: Nämlich dass der Partner seine Verpflichtung nicht erfüllt, sie also beispielsweise Ihr Auto nicht erhalten, weil auch der Vermieter vorübergehend dicht macht. Reiseunternehmer haben dies so getan.
4. Bleiben als Geld-Reserven die Reiseveranstalter – und im Falle des absoluten Notfalls die deutsche Botschaft in Athen. Allerdings – wie kommt man in diesem Falle noch nach Athen, einer Stadt, die als erste von Unruhen erfasst werden wird?
6. Lassen sich die Menschen das gefallen?
Viele Menschen haben ihr Geld abgehoben, und können damit kurze Zeit überleben. Aber bald wird es zu Demonstrationen und Gegendemonstrationen kommen. Griechenland ist eine tief gespaltene, vor-demokratische Gesellschaft. Die herrschende Partei ist links und aggressiv. Es könnte auch zu einem Militärputsch kommen. Es sei denn, Griechenland erhält massive Unterstützung aus Europa. Aber wie und warum sollte die fließen? Vermutlich wird es zu Lebensmitteltransporten kommen, Medikamente und andere humanitäre Güter werden aus Europa kommen. Aber schon der Energieimport ist fraglich. Benzin wird knapp werden, weil Auslandsüberweisungen nicht mehr möglich sind.
7. Gefährdet diese Entscheidung Europa?
Nein, im Gegenteil. Eine Gemeinschaft kann nur bestehen, wenn ein Minimalkonsens eingehalten wird. Für Griechenland wurden bestehende Regeln und Gesetze im Dutzend gebrochen; dieses Verhalten zerstört Europa. Denn was ist das Recht noch wert, wenn es gebrochen werden darf? Diese Krise wird Europa eher zusammenschweissen – aber mit einem Mitglied weniger. Dieses Griechenland kann nicht mehr mitspielen. Für die deutsche Wirtschaft bestehen übrigens keine Ansteckungsgefahren. Exporte betragen nur noch wenige Milliarden. Die meisten Lieferungen wurden nur noch gegen Vorauszahlung abgewickelt; bestehende Schulden zurückgeführt. Die Schulden liegen einseitig im öffentlichen Sektor, bei den Staaten und staatlichen Organisationen. Und die haben breite Schultern. Europa hat jetzt die Chance, vernünftig weiter zu machen, denn eines ist deutlich geworden: Nur sinnvolle Einigung kann Europa, diesen verletzlichen Kontinent, retten. Brutales Durchdrücken egoistischer Forderungen werden zukünftig schwerer möglich sein. Auch die linken Wähler in Spanien und Portugal werden lernen: Was wirtschaftlich verheerend wirkt, kann politisch nicht richtig sein. Deutschland wird damit 80 Mrd. € Schulden einfach vergessen müssen. Aber diese Mittel, so viel ist klar, waren ohnehin verloren. Insofern ist dies nur die Offenlegung einer Wahrheit, die man zu lange verdrängt hat: Die Euro-Rettung seit 2010 ist gescheitert – Deutschland belastet, Griechenland am Ende.
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