Die Türken haben abgestimmt. Wie erwartet hat sich der Despot Recep Tayyip Erdogan sein „Ermächtigungsgesetz“ beschafft – darüber, ob und wieviel gezielte Manipulation für das knappe Ergebnisse notwendig war, wird die Welt vermutlich nie absolute Klarheit erhalten.
In der Bundesrepublik hat das Ergebnis die leider ebenfalls zu erwartenden Reaktionen hervorgerufen – und sie offenbaren bei einigen Verantwortlichen einen Grad an Realitätsverlust, der einen erschaudern lässt.
Gemerkel
Bundeskanzler Angela Merkel „erwartet, dass die türkische Regierung nun nach einem harten Referendumswahlkampf einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes sucht“.
Liebe Frau Merkel – können Sie das noch ernst meinen? Die türkische Regierung lässt seit Jahren jeglichen „respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes“ vermissen. Die Erdogang verteufelt die Kurden als Landesverräter, verfolgt die islamischen Kollegen des früheren Mittäters Gülen. Und nun vermittelt ein Deutscher Bundeskanzler den Eindruck, diese faschistoiden Autokraten könnten, nachdem sie endlich am Ziel ihrer Diktatur angekommen sind, einen „respektvollen Umgang“ mit ihren Gegnern suchen? Sorry – das ist jenseits der Realität. Und es veranlasst zu der Frage: Was geschieht denn seitens der Bundesregierung, wenn der türkische Alleinherrscher der regierungsamtlichen Erwartung nicht entspricht? Eine Aufklärung hierüber wäre überaus hilfreich – steht allerdings kaum zu erwarten.
Der Bundesminister des Besonnenen
Der Ersatzbundesaußenminister Sigmar Gabriel meint, „wir“ (wer immer das auch sein soll) seien „gut beraten, jetzt einen kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen“. Einmal abgesehen davon, dass man immer „gut beraten“ ist, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren – wie stellt sich denn das Bundesaußenministerium jenes besonnene Vorgehen konkret vor? Oder soll hier nur einmal mehr mit einer Platitüde etwas nichtssagender Seelenbalsam verteilt werden?
Vermutlich denkt Gabriel ähnlich wie der Erdogan-Adlatus Kemal Ergün von der in Deutschland ansässigen Unterwanderungsgemeinde Milli Görüs, wenn er feststellt, jetzt gelte es, „diese Wahl zu respektieren und gemeinsam nach vorne zu schauen“. Sorry, Herr Ergün – das war gar keine „Wahl“ – es war ein Referendum.
Der Kanzlerkandidat und seine Lehrsätze
Martin Schulz, jener der am Kanzleramtstor rüttelt und gern in Merkels Sessel Platz nehmen möchte, stellt unter Beweis, dass er diesen in Sachen Lehrsätze vollinhaltlich ausfüllen wird: „Erdogan ist nicht die Türkei. Der Einsatz für Demokratie und Menschenrechte muss weitergehen.“
Ach ja – aber die Türkei ist jetzt Erdogan, Herr Schulz. Abschließend. Und von welchem „Einsatz für Demokratie und Menschenrechte“ sprechen Sie? Die EU, deren Parlament Sie über Jahre präsidiert haben, hat zu keinem Zeitpunkt dem türkischen Diktator ernsthaft Paroli geboten. Statt dessen Kotau, geheucheltes Verständnis und Milliardenzahlungen dafür, in der Türkei Demokratie und Rechtsstaat zu Grabe zu tragen. Ersparen Sie uns bitte Ihre Lehrsätze.
EU-Altmeister Elmar Brok
Da könnte man es schon eher mit dem Urgestein des europäischen Parlamentarismus namens Elmar Brok halten, der feststellt, man solle „nicht Türen endgültig zuschlagen“. Da bin ich nun tatsächlich bei ihm – schließlich müssen die irrtümlich in Europa angesiedelten Erdogan-Fans ja eine Chance haben, heim in islamdiktatorische Reich kommen zu können. Da wäre es schon misslich, wenn sie alle vor verschlossenen Türen stünden. Oder solltest Du das etwa anders gemeint haben, lieber Elmar?
Krokodilstränen der Integrationsversager
Den Klassiker gibt wieder einmal Claudia Roth von den Grünen zum besten. „Unsere Beziehungen zur Türkei brauchen nun eine grundlegende Neuvermessung“, meint die Betroffenheit vom Dienst. Ansonsten sind wie immer selbstverständlich „die Deutschen“ schuld. Die Deutschen – für Frau Roth bekanntlich Bestandteil eines „miesen Stücks Scheiße“, hätten bei den „türkeistämmigen Mitbürgern Verletzungen hinterlassen“. Ein türkischer Nachname sei auch heute noch „eine Hürde beim Zugang zu Wohnung oder Ausbildungsplatz“.
Vielleicht ist das tatsächlich in dem einen oder anderen Fall so. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass „türkeistämmige Mitbürger“ sich nicht integrieren wollen, darauf bestehen, mit dem provokativ getragenen Kopftuch das Unternehmensklima zu beeinflussen oder nicht begreifen mögen, dass an deutschen Arbeitsplätzen nicht alle paar Stunden zu einer fiktiven Figur namens Allah gebetet werden soll. Weshalb Claudia Roths Frage, „warum junge Menschen mit türkischen Wurzeln, die hier zur Schule gegangen sind und vielleicht sogar studiert haben, Erdogan als ihren Präsidenten bezeichnen“, auch leicht zu beantworten ist.
Hier haben nun tatsächlich die Deutschen – oder nein, besser: die Deutschen, die keine Deutschen sein wollen – Schuld. Denn es ist die grün-sozialistische Bildungspolitik, die die Lehrinhalte an Deutschlands Schulen zu Leerinhalten hat verkommen lassen – und die mit einer falsch verstandenen Toleranz die Kultur des Archaischen gefeiert und die Kultur der Aufklärung zerstört hat. Insbesondere Ihre Desintegrationspolitik, Frau Roth, die niemals darauf ausgerichtet war, türkische Einwanderer zu deutschen Europäern zu machen, trägt die Verantwortung dafür, dass die Jungtürken mit zugeschenktem Doppelpass einem Diktator Erdogan hinterherlaufen. Nationalislamische Erziehung und Indoktrination, aus deutscher Dummheit toleriert, bleibt eben nicht folgenlos.
Auch Hauch von Vernunft
Nicht unterschlagen wollen wir jedoch, dass nach dem getürkten – pardon: türkischen – Referendum bei dem einen oder anderen Verantwortlichen auch ein Hauch von Vernunft zu spüren ist.
CDU-Vizechefin Julia Klöckner will nun endlich die Beitrittsverhandlungen beenden und die Milliardenüberweisungen an Erdogan einstellen. Gut so.
Der Chef der EVP-Fraktion im Europa-Parlament, Manfred Weber von der bayerischen CSU, ist nun immerhin soweit, die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU als „Lebenslüge“ zu bezeichnen. Da könnte man geneigt sein festzustellen: Spät kommt die Erkenntnis – doch sie kommt. Nur – warum wird hier von „Vollmitgliedschaft“ gesprochen? Hätte es nicht Mitgliedschaft genauso getan? Welches Hintertürchen möchte Herr Weber Erdogan offen halten? Da ist Klarheit angesagt – kein Herauslavieren.
Wagenknechtsche Klarheit
Apropos Klarheit: Es kommt selten vor, dass ich für Sahra Wagenknecht lobende Worte finde. Hier nun allerdings ist ihr ausnahmsweise einmal ohne jedes Wenn und Aber beizupflichten: „Durch Manipulationen ist es dem türkischen Präsidenten Erdogan gelungen, eine Mehrheit für die Diktatur zu erreichen“, stellt Wagenknecht fest.
Und für Deutschland bleibt die Erkenntnis, dass eine deutliche Mehrheit jener türkeistämmigen Mitbürger, die Erdogans nationaltürkischer Schimäre hinterherlaufen, unabhängig vom Lebensalter nicht begriffen hat, was Demokratie bedeutet. Sie ist in Deutschland nicht angekommen – weil sie nicht ankommen wollte und ihr archaisches Glaubenskonstrukt ihr das Ankommen in einer christlich geprägten Kultur streng untersagt.
Insofern reitet auch Gökay Sofuoglu als Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland einen toten Schimmel, wenn er meint, „man“ – wer ist „man“? – müsse „sich überlegen, wie man die Menschen besser erreicht, die in Deutschland in Freiheit leben, aber sich für die Menschen in der Türkei eine Autokratie wünschen“. Nein, Herr Sofuoglu – muss „man“ nicht. Denn diese Menschen haben den Beweis erbracht, dass sie mit den europäischen Werten der Freiheit nichts anzufangen wissen. Und wer mit Freiheit nichts anfangen kann, den kann man mit „Freiheit“ auch nicht erreichen. Als Chef der „Türkischen Gemeinde in Deutschland“ sollten Sie sich allerdings umgehend selbst die Sinnfrage stellen. Wollen Sie Menschen vertreten, deren Vorfahren einmal aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind und die heute deutsche Staatsbürger sind? Dann sind Sie überflüssig, denn diese brauchen keine nationaltürkische Gemeinde. Oder wollen Sie jene Türken vertreten, die derzeit in Deutschland leben, aber um nichts in der Welt Deutsche werden wollen? Dann sind Sie hier auch überflüssig – denn dann sind Sie bei Erdogan besser aufgehoben.
In diesem Sinne hat nun – das ist das eigentlich Positive an der Situation – das Erdorendum tatsächlich eine lange Zeit nur vermutete Klarheit gebracht: Ein Großteil der in Deutschland lebenden, sich als solche verstehenden Türken kann mit Demokratie und Freiheit nicht das Geringste anfangen. Und deshalb sind diese in der Erdogan-Türkei dann auch besser aufgehoben als bei uns.