Spieglein, Spieglein an der Wand, was ist das dünnste im ganzen Land? Das, was dem gewaltigen Titel – GEHEIM AKTE ADENAUER – folgt. Der Eindruck von letzter Woche setzt sich fort: lustlos und blass.
Die Titelstory – „Der Bürger ist entsetzlich dumm“ – beginnt und endet mit einem Mann, der durchaus typisch ist für einen Personenkreis in der frühen FDP in Nordrhein-Westfalen mit NS-Karrieren in meist mittleren Rängen, der aber im Vergleich zu anderen aus dieser Kategorie in der FDP unbedeutend war.
Lothar Weirauch, Landesgeschäftsführer (die damals noch Hauptgeschäftsführer hießen), vier Jahre Bundesgeschäftsführer, dann Unterabteilungsleiter im Verteidigungsministerium und Abteilungsleiter im Gesamtdeutschen Ministerium. Über ihn erfahren wir von SPIEGEL-Redakteur Klaus Wiegrefe: „Er bespitzelt seine Parteifreunde – im Auftrag Adenauers …“. Und: „Seine Vermerke – ohne Briefkopf und Unterschrift – gehen sofort an Adenauer und Kanzleramtschef Hans Globke, die mit dem Insiderwissen die FDP austricksen.“ Zur richtigen Mischung von Agentengeschichten gehört immer Geld: „Der FDP-Mann erhält vom Kanzleramt laut BND ‚ein monatliches Fixum von mindestens 2.000 DM‘, was etwa einem halben Ministergehalt entspricht.“
Die Honorierung Weirauchs, wenn sie denn stimmt, hätte sich das Kanzleramt sparen können. Was Weirauch zum für Adenauer kritischen Zeitpunkt 1961 über die Verhandlungsstrategie der FDP zu seiner erneuten Kanzlerschaft erfahren hat, dafür war Weirauch sieben Jahre nach seinem Abtritt als Bundesgeschäftsführer sicher keine primäre Quelle mehr. Jeder, der sich in Bonner Gebräuchen auskennt, weiß, dass jede Partei und jede Redaktion leichten Zugang zu Informationen hatte, die sie interessierten – honorarfrei, wenn man von Essenseinladungen und Neujahrspräsenten absieht und dem alles entscheidenden: eingeladen zu werden zu den Hauptstadt-Ereignissen.
Die Titelstory endet mit dem dramaturgischen Clou, dass Weirauch seit 1948 für die Stasi spionierte. Das erinnert mich an den bösen Spruch, der nach der Enttarnung eines Mitarbeiters der FDP Anfang der 1980er umging: Am Ende hat es niemand aus der DDR, der „Zone“, auf wichtige Plätze in der FDP gebracht, der nicht für die Stasi arbeitete.
„Der ewige Flüchtling“ von Alexander Osang über Frauke Petry: Ist das nun eine Kritik oder eine Eloge? Vielleicht beides. Lohnt das Lesen.
Das SPIEGEL-Gespräch mit Kardinal Reinhard Marx – „Niemand ist eine Insel“ – erinnert mich an den alten Witz, in der evangelischen Kirche zu sein, wäre so etwas wie die alternative Form der Mitgliedschaft in der SPD. Die katholische Kirche ist an dieser Stelle eine ernsthafte Konkurrenz.