Wir können es an jedem Wochenende beobachten: Menschen gleich welcher sozialen Schicht suchen nach Identität. Nicht wenige finden diese dadurch, dass sie sich lächerlich wirkende Bekleidungsgegenstände wie Kriegsbemalungen überstreifen: Manche in rot, andere in gelb-schwarz, wieder andere in blau oder blau-weiß oder grün oder sonstwie. Gemeinhin nennt man diesen Karneval der Abgrenzung Vereinsfarben – entlehnt jenen farblichen Signalen, mit denen Fußball- oder auch andere Vereine irgendwann einmal ihr Vereinsemblem kolorierten.
Die in diesen Farben gewandeten Menschen laufen in Scharen zu Großevents, jubeln oder weinen – je nachdem, wie “ihr“ Verein gerade im Kampf abschneidet. Manche auch nutzen ihre Verkleidung, um vom „Fan“ zum Hooligan zu werden, gehen auf jene los, die mit anderer Verkleidung den vermeintlichen Gegner repräsentieren, bringen U-Bahnen zum Wippen oder werfen hirnlos mit Knallkörpern oder Gegenständen um sich. Der Steuerzahler, der mit all diesen Exzessen sogenannter Fangruppen, neudeutsch auch, um vom „Fan“ als Kurzform des Fanatikers abzulenken, als Supporter (Unterstützer) bezeichnet, nicht das Geringste zu tun hat, zahlt dafür, diesen Irrsinn durch Ordnungskräfte und Reparaturen nicht gänzlich aus dem Ruder laufen zu lassen. Er nimmt es geduldig hin, hat das scheinbar hirnbefreite Handeln dieser Gruppen als kulturspezifische Eigenart akzeptiert und sagt sich im Stillen, besser, die Verrückten toben sich derart kontrolliert aus, als dass sie unkontrolliert und unbeobachtet ihren Energieüberschuss andernorts zu Lasten der Gesellschaft ausleben.
Der Mensch ist ein Herdentier
Tatsächlich ist das, was wir allwöchentlich in- und außerhalb der Stadien erleben, nichts anderes als eine moderne Form der Tribalisierung. Da der Mensch als Herdentier seine Identität in der Gruppe sucht, findet er sie heute in diesen Sportverein genannten Kollektiven. Vor zwei- oder dreitausend Jahren wären dieselben Herrschaften mit ihrer Sippe losgezogen, hätten sich irgendwelche Nachbarsippen gesucht und sich dort „ausgelebt“. Oder sie hätten – wie derzeit in sogenannten „failed states“ genannten Landstrichen Somalias oder Libyens anzutreffen – als „Stämme“ ihre eigenen Territorien markiert, gegen „Eindringlinge“ gekämpft und selbst sich ohne Rücksichtnahme auf die „Fremden“ bereichert. Die menschliche Motivation dahinter unterscheidet sich nicht wesentlich von den Fanritualen – nur dass wir konstatieren können, letztere als zivilisiertere Form betrachten zu dürfen.
Weniger zivilisiert und daher für den friedlichen Bürger um so unerträglicher gestaltet sich regelmäßig die Tribalisierung dann, wenn selbsternannte „Autonome“ und ähnliche Stammeszusammenschlüsse wie die „Antifa“ den 1. Mai nutzen, um einmal jährlich ihrem „Hass“ auf die sie finanzierende Gesellschaft und deren Repräsentanten freien Lauf zu lassen. Dieses Jahr wird es voraussichtlich Hamburg besonders hart treffen, wie der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, befürchtet. Brennende Polizeifahrzeuge waren im März die Vorboten – und Lenders weiß zu berichten, dass die Hamburger Sicherheitskräfte derzeit bundesweit um Unterstützung nachsuchen. Der G20-Gipfel in der Hansestadt wirft seine gewalttätigen Schatten voraus – Urlaubssperre für Polizisten und die Empfehlung, während der „heißen Tage“ die Innenstadt nach Möglichkeit zu meiden, inklusive.
Nicht weit vom Schimpansen
All diesen unterschiedlichen Formen – vom friedlichen Protest gegen sippenfremdes Verhalten über Hooliganismus bei Sportveranstaltungen bis hin zur gezielten, terroristischen Gewaltanwendung gegen Institutionen der Zivilisation – sind nichts anderes als archaische, tief im aggressiven Kern des Menschen verankertes Gruppenverhalten. So, wie der genetisch eng mit dem Menschen verwandte Schimpanse in Männerhorden in die Territorien benachbarter Sippen eindringt und dort gruppenfremde Schimpansen, die in die Hände dieser Horden fallen, bis zur Vernichtung misshandelt, so sind auch die Exzesse menschlicher Tribalisierung nichts anderes als Ventile genetisch bedingter Verhaltensmuster. Verhaltensmuster übrigens, die die Verantwortung dafür tragen dürften, dass Mensch auf diesem Planeten zur dominierenden Gattung geworden ist. Sie gaben ihm die Aggressivität und die Rücksichtslosigkeit, alle Nahrungs- und Territorialkonkurrenten erbarmungslos aus dem Feld zu schlagen.
Zivilisation, auf die wir gern voller Stolz verweisen, ist letztlich nichts anderes als der Versuch, diese menschliche Verhaltensbasis in gesittete Formen zu lenken. Die urtriebliche Aggressivität soll in kontrollierbares Verhalten umgelenkt werden – wie dünn der zivilisatorische Anstrich ist, dass mussten und müssen Menschen regelmäßig erleben. Nicht nur der Blick auf den sogenannten 30-jährigen Krieg, der am Ende ein Drittel der Bevölkerung hatte massakrieren lassen, oder auf dessen aktuelles, syrisches Pendant zeugen davon – die in Massenvernichtung ausufernden Rivalitäten zwischen den Stämmen Europas zwischen 1914 und 1918 sowie 1939 und 1945 legen beredtes Zeugnis davon ab, wie schnell die zivilisatorische Makulatur abplatzt und homo originensis zum Vorschein kommt.
Der zivilisatorische Weg des Menschen
Ein Weg, diesen Tribalismus des modernen Menschen in lenkbare Bahnen zu lenken, findet sich in der Staatenbildung der Neuzeit. Nicht ohne Grund ist in den Verfassungen der ersten deutschen Demokratie von „deutschen Stämmen“ die Rede – wobei der Stamm selbst schon eine zivilisatorische Errungenschaft war gegenüber der auf sogenannten Familienbanden des Blutes basierenden Sippe. Denn der Stamm bildete eine über der Sippe stehende, gemeinsame Identität, die jene frühere, oftmals in gegenseitiger Gewalt ausgelebte Sippenidentität überwinden sollte.
Der Stamm schuf in seinem zivilisatorischen Anspruch Gesetze, die über jenen archaischen Riten von Überfall bis Blutrache standen. Dieser Fortschritt von der Sippe zum Stamm ist beispielsweise im mosaischen Tanach – dem Alten Testament der Bibel – in seiner Symbolik perfekt dokumentiert. Mit seinen „Geboten“ und den darauf basierenden mosaischen Gesetzen wird dem „Volk“ des Gottes Jahwah ein Regelwerk gegeben, welches die Fehden zwischen den Sippen überwinden lässt. Dieses Regelwerk wiederum war die unvermeidlche Grundlage, um die Staatswesen weitgehend friedlich zusammenlebender Individuen zu schaffen.
Nicht, dass in diesen Staatswesen die originäre Aggressivität des Menschen gleichsam weggezaubert war. Doch sie konnte in einen geregelten Gang des Verhaltens gelegt werden – und gegen die daraus resultierenden Regeln des Zusammenlebens verstoßende Handlungsweisen wie die Tötung eines anderen Stammesmitglieds wurden nach vorgeschriebenen Vorgaben für alle Betroffenen gleichermaßen sanktioniert; so wie es bereits der Codex Hamurapi aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert getan und damit die Grundlage zivilisierter Gesellschaften geschaffen hatte.
Das „Heilige Römische Reich“ überwindet den Stammeskonflikt
In der europäischen Kultur schuf die Christianisierung trotz der daraus resultierenden Enge des Denkens und der teilweise gewalttätigen Durchsetzung den entscheidenden Schritt zur Überwindung der Stammeskonflikte. Das europäische Mittelalter, geprägt und dominiert vom „Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)“ als eine Art früher Vorläufer der Europäischen Union, ließ die Stämme Stämme sein; es schuf auch nicht eine Welt der allumfassenden Friedfertigkeit, doch der „Reichsfriede“ schuf eine zivilisatorische Einheit, eine, wie Montesquieu es 1748 beschrieb, „Föderalistische Republik Deutschland“, in der die deutschen Stämme – die eben nicht mehr jene auf „Blutsbande“ basierenden Sippen waren – unabhängig von Herkunft und Ursprung miteinander auskommen konnten. Und so war dann eben auch in diesem Staatswesen der italienisch sprechende Bewohner der Lombardei Mitglied eines deutschen Stammes der Lombarden – nicht weil er germanischen Blutes, sondern weil er Bürger des Heiligen Römischen Reichs war. Es war dieses das Zivilisationsmodell, das sich in Form der Kaiserlichen und Königlichen Doppelmonarchie der Habsburger bis 1918 erhalten sollte – und es ging auch daran zugrunde, dass mit der Neuzeit ein Rückschritt zurück zur Tribalisierung erfolgte, welcher im 19. Jahrhundert mit aller Kraft das staatsphilosophische Denken prägte.
Frankreich schafft den Nationalismus
Maßgeblich ausgehend von Frankreich, dessen westliche Provinzen niemals Teil des Heiligen Römischen Reiches gewesen sind, entwickelte sich auf der Identität des Stammes in der Nation der Nationalismus. Ihr Perfektionist war der katholische Kardinal Richelieu, der einerseits in der Konfrontation mit dem englisch gelenkten Inselimperium, andererseits geprägt von dem Willen, sein eigenes, französisch-katholisches Reich gen Osten auszudehnen, die inneren Konflikte des Heiligen Römischen Reichs nutzte, um dessen westliche Bestandteile seinem auf der Idee eines französischen Nationalstaats basierenden Imperium einzugliedern.
Bis zu den Interventionen der damaligen Großmächte in die innerdeutschen Konflikte hatte der Nationalismus im Heiligen Römischen Reich keine Bedeutung. Der sogenannte 30-jährige Krieg begann in Prag nicht mit einer tschechischen Nationalbewegung, sondern mit einem Konflikt um die Rechte der böhmischen Stände innerhalb des Heiligen Römischen Reichs. Auch die nachfolgenden, konfessionell geprägten Auseinandersetzungen hatten keinen nationalistischen Charakter – hier ging es um religiöse und politische Selbstbestimmungsrechte innerhalb des Reichs unter dem Dach des Kaisers – und auch der protestantische Hanseat hätte sich weder dazu verstanden, nicht Bürger des Reichs zu sein, noch sich einer anderen Nation als der deutschen angehörig zu fühlen.
Napoleon trägt den Nationalismus nach Osten
Der Konflikt zwischen der Nationalstaatsidee und der Vorstellung der die Nationen integrierenden Reichseinheit sollte die kommenden Jahrhunderte prägen. Als in Folge der Französischen Revolution ein Korse namens Napoleon Bonaparte die Macht Frankreichs bis an die Memel ausdehnte, infizierte er die durch ihn 1806 Reichs-los gewordenen Stämme deutscher Nation mit der Tribalisierung des Nationalstaats. Die bereits in Frankreich realisierte Idee von Staatsvolk und Staatssprache, die dazu geführt hatte, dass beispielsweise die atlantischen Bretonen bis in die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts sich mehrheitlich als zumindest Ausgegrenzte empfanden, wurde nun auch in den zuvor Reichs-geprägten Stammesterritorien zur dominierenden Staatsidee.
Die Lombarden kämpften darum, die K.u.K-Monarchie zu verlassen. Die Böhmen suchten mit ihrer slawischen Umgangssprache nach eigenen Wegen. Die polnischen Westpreußen – obgleich niemals Teil des Reichsgebiets – suchten die Abgrenzung zum teutonischen, deutschsprachigen Nachbarn. Die Holsteiner wiederum wollten heraus aus der dänischen Oberhoheit – der Sprachenkonflikt führte letztlich dazu, sie als deutschen Stamm in das 1871 gegründete, demokratische „Deutsche Reich“ zu führen.
Die mittelalterliche Idee des Reichs
In diesem Deutschen Reich, das kein Heiliges und kein Römisches mehr war, lebte die Idee des mittelalterlichen Vorgängers dennoch fort. Es ließ die Stämme Stämme bleiben – und es knüpfte an jene Gewaltenteilung an, die das zentraleuropäische Mittelalter geprägt hatte. Im Zuge des Nationalstaatsgedankens konzentrierte es sich jedoch auf jene deutschen Stämme deutscher Sprache. Dabei wiederholte es hinsichtlich sprachlicher Minderheiten die Fehler Frankreichs und es wandelte sich der Nationenbegriff des Reichs Stück für Stück in jene das 20. Jahrhundert prägende nationalistische Staatsauffassung.
In Verkennung der geschichtlichen Entwicklung und der Toleranz gegenüber den Stämmen Europas verrannten sich nationalistisch geprägte Wissenschaftler und Autoren daher im Rückblick zur Erklärung der nachfolgenden Tragödien in die Floskel der „verspäteten Nation“ – und sie schufen damit die Legende, dass „die Deutschen“ in besonderem Maße „nationalistisch“ seien. Dabei hatten sie nichts anderes getan, als nach der Zerstörung ihres supra-nationalen Reichs das zeitaktuelle Modell der nationalistischen Franzosen zu übernehmen und den darauf basierenden Chauvinismus ebenfalls für sich zu okkupieren.
Tatsächlich ist die Gründung der Nationalstaaten auf dem Boden Europas nichts anderes als ein Rückfall in die Tribalisierung. Sie führte zurück zu den frühen Formen der Stammeskriege – massenvernichtend ausgeführt mit den Waffen der Moderne. Und sie führte dazu, die immer noch auf den Ideen des Mittelalters basierende Staatsidee des Deutschen Reichs zu verkehren und zu diffamieren und bis heute die Unterscheidung zwischen Nation und Nationalismus, zwischen „Deutscher Nation“ und „deutschem Nationalismus“ zu verwirren und zu vermengen. Dabei war die mittelalterliche Idee der deutschen Nation das genaue Gegenteil dessen, was heute als „Nationalismus“ den Deutschen als ewiges Prädikat angedichtet wird. Die deutsche Reichsidee war im Kern nicht einmal „pangermanisch“, wie es einst ein italienischer Nationalist den Deutschen vorwarf. Vor allem aber war der „Nationalismus“ niemals eine deutsche Erfindung. Sie hatten sich lediglich von ihm übernehmen lassen.
Die Französisch-Deutsche Rückkehr zur Reichsidee
Als der europäische Tribalismus bis 1945 zur Vernichtung aller geistigen Werte geführt hatte, waren es ein Franke und ein Teutone – ein Franzose und ein Deutscher, die behutsam gemeinsam die Rückkehr zur Römischen Reichsidee des Mittelalters in die Wege leiteten.
Charles de Gaulle, der aus dem wider seine französische Regierung handelnden Widerstandskämpfer zum Staatspräsidenten geworden war, und der katholisch-preußisch geprägte Rheinländer Konrad Adenauer, der die Zeit des nationalistischen Sozialismus in Deutschland in der inneren Diaspora überdauert hatte, legten den Grundstein zur gemeinsamen Überwindung des zerstörerischen Nationalismus. Über den Weg einer Wirtschaftsgemeinschaft sollte eine Union nicht mehr deutscher oder europäischer Stämme, sondern europäischer Nationen geformt werden, die den Tribalismus überwinden und einen nun europäischen Reichsfrieden werden lassen sollte.
Diese Anknüpfung an jenes Heilige Römische Reich des Mittelalters heißt heute Europäische Union – und sie steht unabhängig davon, dass sie von kleingeistigen Politikern und fehlgeleiteten Administrationen ein ums andere Mal auf Irrwege geführt wird, für die Überwindung der im Spätmittelalter von Frankeich ausgehenden Retribalisierung Europas. Die staatsphilosophische Idee der Europäischen Union ist die einer Föderalistischen Republik der europäischen Nationen – so wie einst Montesquieu das Heilige Römische Reich beschrieben hatte.
Das „Heilige Römische Reich Europäischer Nation“
Wie es im Mittelalter nicht darum ging, die Stämme der „deutsche Nation“ unter der Reichseinheit zu vernichten, so konnte es der Union der Europäer im Sinne de Gaulles und Adenauers nicht darum gehen, die im Laufe der vergangenen 300 Jahre entstandenen Nationen zu zerstören. Vielmehr sollten sie der unverzichtbaren Stammesidentität ein von ihnen gemeinsam getragenes und sie gemeinsam tragendes Dach geben, unter dem der europäische Reichsfriede und der Wohlstand gewahrt werden kann.
Gefahren drohen dieser ideellen Nachfolge des „Heiligen Römischen Reichs“ wie seinem Vorgänger nicht nur von Außen – von dort, wo man diesen Staatenbund als Gefahr für die eigenen, tribalistischen Ziele zu erkennen müssen meint.
Gefahr droht derzeit insbesondere von innen: Von jenen, die sich von der Heiligen Römischen Reichsidee abgekehrt haben und als Verfechter des Nationalismus der Archaisierung von Politik zum Tribalismus das Wort reden. Mehr noch aber droht die Gefahr von jenen Politikern, die mit ihrer eigenen Geschichtslosigkeit die mittelalterlichen Wurzeln der Unionsidee nicht nur nicht begriffen haben, sondern diese in ihrer geistigen Bedürfnislosigkeit gezielt zu diffamieren suchen. Sie sind die Hauptverantwortlichen dafür, dass die Idee einer stammesverbindenden, supranationalen Identität der Nationen Europas beständig diskreditiert wird und die Größe eines föderalistischen Überbaus zum Zerrbild einer feudalistischen Eliteherrschaft verkommt.
Statt sich mit den Tribalisten in einer inhaltlichen, politik-philosophischen Debatte auseinander zu setzen, werden sie ideologisch verdammt. Die Tatsache, dass sich die Tribalisten ebenfalls auf eine europäische Tradition berufen können, wird geleugnet. Dass diese Tradition der Tribalisten mehr als einmal in eine Katastrophe geführt hat, wird zum Anlass genommen, sie aus dem politischen Diskurs gänzlich entfernen zu wollen – und den originären Anspruch der Demokratie, um den besten Weg in die Zukunft zu ringen, gleich mit.
Lehnen die einen die reichseinigende Idee der Gemeinsamkeit der Stämme (oder Völker) grundsätzlich ab, so haben die anderen verlernt, dagegen mit der Berufung auf ihre Werte und Ideale demokratisch zu streiten. Die Nationalstaats-lenkenden Protagonisten sind heute anders als de Gaulle und Adenauer nicht mehr in der Lage, die Nationen-übergreifende Reichsidee des Mittelalters zu begreifen.
So werden sie zu den wahren Totengräbern der Idee – und der damit verknüpften Union der europäischen Nationen, in der ein europäischer Reichsfriede gewährleistet und ein gemeinsamer Wohlstand geschaffen werden sollte und die, wollte man an die europäische Tradition bewusst anschließen, als moderne Föderation Europäischer Staaten vielleicht besser mit einem Hauch Nostalgie „Heiliges Römisches Reich Europäischer Nation“ hätte genannt werden können – und nicht einfach nur langweilig und uninspirierend „Europäische Union“.