Als der Porsche-CEO Oliver Blume im Herbst 2022 überraschend den Vorsitz im Vorstand des Volkswagenkonzern als Nachfolger von CEO Herbert Diess antrat, kam bei vielen Automobilmarktexperten Hoffnung auf: die Hoffnung, der bekennende Sportwagen-Fan Blume, der in Chile sogar eine Pilotanlage zur Herstellung von grünem synthetischen Treibstoff für seine sportlichen Verbrennerautos bauen ließ, würde die unselige „electic-only“-Strategie seines Vorgängers beim Autoriesen VW stante pede korrigieren. Schließlich behielt Blume, der neue VW-Chef, in Doppelfunktion den Vorsitz im Porschevorstand bei.
Weit gefehlt. Blume zeigte zwar Reformeifer, verkleinerte den VW-Vorstand, besetzte Schlüsselpositionen mit Gefolgsleuten von Porsche und schloss Frieden mit dem mächtigen VW-Gesamtbetriebsrat. Ansonsten aber konvertierte er schrittweise vom Verbrennner-Saulus zum Elektrik-Paulus. Die Elektrifizierungsstrategie bei VW befreite er zwar von Wildwuchs im Luxussegment, stülpte dafür aber seiner Lieblingsmarke Porsche eine nachhaltige Elektro-Strategie über.
Originalton CEO Oliver Blume im Frühjahr 2024: „Unsere Produktstrategie ist so ausgerichtet, dass wir 2030 mehr als 80 Prozent der Neufahrzeuge vollelektrisch ausliefern könnten – abhängig von der Nachfrage der Kunden und der Entwicklung der Elektromobilität in den einzelnen Weltregionen.“ („Wir stehen vor aufregenden Entwicklungen“ | Porsche Christophorus April 2024 ). Originalton CEO Oliver Blume im Frühjahr 2025: „Unsere Produktstrategie gäbe das nach wie vor her … Angesichts der Marktentwicklung ist es aber nicht mehr realistisch.“ (Jahrespressekonferenz 2025 – Reden von Dr. Oliver Blume und Dr. Jochen Breckner.pdf) Mit anderen Worten: Die Porsche-Entscheider haben sich geirrt und haben die gleichen Fehler der „electric-only“-Strategie gemacht, wie zuvor die Konzernmutter in Wolfsburg unter Herbert Diess. Die Süddeutsche Zeitung bringt es auf den Punkt: „Porsche steckt in einer großen Krise“ (SZ, Nr. 60, Gefahr für den Mythos Porsche, 13. März 2025).
Die finanziellen Folgen für Porsche wie für die Konzernmutter Volkswagen, für die Porsche im letzten Diesel-Krisen-Jahr der große Gewinnbringer war, sind fatal. Wie am 12. März d.J. auf der Pressekonferenz bekannt gegeben, sackte das Konzernergebnis 2024 gegenüber dem Vorjahr um 30,3 Prozent auf nur noch 3,6 Milliarden Euro ab (2023: 5,2 Milliarden Euro). Der Absatz der „ikonischen“ (O-Ton Oliver Blume) Porsche-Boliden sank um drei Prozent auf 310.718 Einheiten, wobei die Elektromodelle den Laden hüteten, während Verbrenner-Modelle neue Absatzhöchststände erreichten: die betagte Ikone 911er mit 51.000 Einheiten sowie der Cayenne mit 103.000 Einheiten.
Die Umsatzrendite, die in den Vorjahren stets um die 18 Prozent betragen hatte, sank drastisch um volle vier Prozentpunkte auf 14,1 Prozent. CEO Blume hatte beim Börsengang von Porsche noch vollmundig für die Zukunft 20 Prozent in Aussicht gestellt. Davon ist Porsche für lange Zeit weit entfernt. Mittelfristig strebt CEO Blume jetzt eine Rendite von 15 bis 17 Prozent an. Gleichzeitig rechnet er für 2025 erneut mit sinkendem Umsatz und einer niedrigeren Umsatzrendite wegen einer anhaltenden Absatzschwäche bei Elektroautos und einer anhaltend scharfen Wettbewerbssituation in China.
Legt man nur die reinen Geschäftszahlen zugrunde, so ist Blume beizupflichten: Porsche hat 2024 „in einem anspruchsvollen Umfeld ein solides Ergebnis“ erzielt. In vier von fünf Weltregionen hat man einen Rekordabsatz erzielt. Porsche ist nach wie vor „robust“ aufgestellt, iim Vergleich zu anderen Automobilkonzernen, wie etwas GM oder Ford. Allerdings: Folgt man der gängigen Auffassung, wonach Börsenkurse Risiken und Chancen, sprich die Zukunft, eines Unternehmens treffend widerspiegeln, so hat Porsche zur Zeit einen schweren Stand. Der Porsche-Aktienkurs ist eingebrochen. Lag er im Mai 2023 noch bei einem Höchststand von 120 Euro, notiert die Aktie im Frühjahr 2025 nur noch bei 56 Euro.
Zur Schadenbegrenzung hat CEO Blume zwischenzeitlich die Notbremse gezogen: Zwei Vorstände von zentraler Bedeutung mussten gehen, Finanzvorstand Lutz Meschke und Vertriebsvorstand Detlev von Platen. Sie wurden durch Blume-Vertraute ersetzt. Des Weiteren sollen bis 2029 rund 1.900 Stellen abgebaut werden, dabei will man die demographische Entwicklung und die natürliche Fluktuation nutzen. Die Verträge von 2000 Zeitarbeitern werden nicht verlängert. Insgesamt hat Porsche 42.000 Mitarbeiter.
Entscheidend für die Zukunft von Porsche als Sportwagenbauer ist indessen der Absatz. Und der hängt an der künftigen Antriebsstrategie. Blume hat einen deutlichen Kurswechsel eingeleitet: Die Elektrorevolution – 80 Prozent aller Porsche-Modelle sollten 2030 nur noch summen, nicht mehr brummen – wird abgesagt, der weitere Vortrieb der Elektrifizierungsstrategie in der Porsche-Produktpalette wird gestoppt.
Wegen der erheblich geringeren Nachfrage nach Elektrofahrzeugen als von CEO Blume erwartet, sowie wegen der unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im und für das Premiumsegment will Porsche in Zukunft seine Modellpalette wieder flexibler, sprich: kundenorientierter gestalten. Porsche will wieder verstärkt auf Antriebe setzen, die die Kunden wollen, nicht nur die Politik oder einzelne Vorstände. Und das sind auf absehbare Zeit noch Verbrenner oder zumindest Hybride.
Für Porsche heißt das eine finanzielle Kraftanstrengung. Das Unternehmen plant, bis zu 800 Millionen Euro vor allem in die Weiterentwicklung der – zuvor verpönten – konventionellen Antriebe zu investieren. Diese Entscheidung hat direkte Auswirkungen auf die Gewinnsituation. Porsche rechnet damit, dass diese Investitionen das operative Ergebnis um etwa 800 Millionen Euro belasten werden. Das schlägt voll auf Kapitaleigner Volkswagen durch.
Als Begründung für den Strategiewechsel und die Renaissance der Verbrenner bei Porsche nennt Porsche-Chef Blume indessen nicht bessere Einsichten oder Erkenntnisse, sondern den schleppenden Ausbau der Infrastruktur, aber auch die Energiepreise, Kaufanreize und regulatorische Bedingungen. Immerhin waren 2024 noch 87 Prozent aller Porsche-Verkäufe mit Verbrenner ausgestattet. Der Mythos wirkt nach wie vor. Nach wie vor sind laut Süddeutscher Zeitung in 87 Ländern 260.000 Menschen Mitglied in einem der 700 Porsche-Fanklubs.
Dieser Mythos bedarf der Pflege. Mit Elektroautos ist das nicht mehr möglich. Denn schon kommen in China Sportwagen auf den Markt, die einem Porsche in Aussehen und Ausstattung etc. nahezu ebenbürtig sind, aber nur ein Drittel so viel kosten. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Sie fahren nur elektrisch und ihnen fehlt der Porsche-Mythos.
Blume scheint nach außen hin darauf keine Rücksicht zu nehmen. Ihm zufolge waren 2024 27 Prozent der ausgelieferten Porsche-Fahrzeuge elektrifiziert – knapp die Hälfte davon sind reine Elektroautos, der Rest Hybride. „Unser Portfolio sieht vor, diesen Anteil in den nächsten Jahren signifikant zu steigern“, so Blume. „Wir sind überzeugt: Der Elektroantrieb ist die überlegene, effizienteste Technologie.“
Wenn dem so ist, muss Porsche nur auch noch seine Sportwagen-Kunden davon überzeugen.