Ministerpräsident Aleksandar Vučić dürfte mit mehr als 55 Prozent im ersten Wahlgang zum zukünftigen Staatspräsidenten gewählt sein. Er baut im Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit, führt bisher die weitaus größte Regierungspartei, die als konservativ-wirtschaftsliberal geltende Serbische Fortschrittspartei geltende SNS. „Unter fairen Bedingungen, bei einem fairen Wahlkampf, bei fairem Zugang zu den Medien und fairer Finanzierung hätte ich auch als erster gratuliert“, zitiert die NZZ den zweitplacierten Sasa Jankovic.
Dass Vučić in allen politischen Dingen im Serbien das Sagen hat, bezweifelt niemand. Die beliebte These lautet auch in Serbien, nur ein starker Anführer könne das Land modernisieren. Vučić sieht Russlands Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin und Ungarns Regierungschef Viktor Mihály Orbán als Vorbilder. Er galt lange als extremer Nationalist, will aber seit einiger Zeit Serbien in die EU führen. Wladimir Putin unterstützte ihn offen, Merkel lud ihn in der heißen Phase des Wahlkampfs zum Abendessen nach Berlin, Gerhard Schröder lobte seinen „Freund“ auf dessen größter Wahlkampfveranstaltung.
Das Amt des Präsidenten ist in Serbien ähnlich wie anderswo ohne wirkliche Macht ausgestattet. Kein Wunder, dass Spekulationen die Runde machen, Vučić sei sich entweder seiner indirekten Macht auch bei einem neuen Ministerpräsidenten so sehr sicher oder plane Machtverschiebungen durch Verfassungsänderung. Vielleicht stimmt ja beides. Vučić weist das bisher als Gerüchte zurück.
Eines zeigt das serbische Wahlergebnis ganz sicher. „Starke“ Männer und Frauen an der Spitze ihrer Staaten sind nicht mehr nur in Asien, Afrika und Südamerika gefragt, sondern im ganzen Westen auch. „Mehr Demokratie wagen“ ist nicht der Zug der Zeit. Noch nicht, sagt, wer radikalen Dezentralismus für die einzige Perspektive von Gesellschaften mit Freiheit durch Recht hält.