Kurz nach der Bundestagswahl gehen Karneval, Fastnacht und Fasching in die heiße Phase. Am 27. Februar ist Weiberfastnacht. Damit wird in normalen Jahren der rheinische Straßenkarneval eingeläutet. Aber dieses Jahr könnte alles anders werden. Denn Terrordrohungen sind bekannt geworden, und viele Veranstalter werden nervös. Immer mehr Dörfer und Städte sagen ihre Karnevalsumzüge ab, weil dieselben schlicht nicht mehr zu schützen sind in der aktuellen Lage nach den Attentaten von Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg, München und Villach.
Die Gefährdungslage wird dabei zunehmend konkret – auch wenn diese Worte verantwortlichen Politikern nicht über die Lippen gehen. Mitte Januar gab es erste Hinweise des IS Provinz Khorasan (ISPK), dass Anschläge auf zehn verschiedene Großereignisse dieses Jahr zu erwarten sein könnten, darunter das Münchner Oktoberfest, den Karneval in Venedig, den Wiener Opernball oder die Filmfestspiele von Cannes. Im Hintergrund steht auch der 7. Oktober 2023, der Tag des terroristischen Überfalls der Hamas auf Israel. Nun steht die Hamas zwar in keiner auch nur weiteren Beziehung zum IS, aber im Gefolge der Nahost-Krise haben sich auch im Westen viele Muslime radikalisiert, so die Einschätzung von Experten. Eine junge Generation ist mit den Ereignissen aufgewachsen und wird gerade erwachsen. Sie soll besonders anfällig für die IS-Propaganda sein und sich teilweise allein, im Netz radikalisieren.
Das meinen Experten wie Peter Neumann oder Eren Güvercin, die sich erstaunlich ähnlich sind und auf eine gemeinsame Quelle im Hintergrund hindeuten. Das können wohl nur die Sicherheitsbehörden sein. Der Islam-Experte Ahmad Mansour spricht bereits von einer „Anschlagswelle“, die das Scheitern „unserer Integrationsarbeit“ zeige: „Unser Integrations- und Migrationssystem ist dysfunktional. Wir erreichen viel zu viele Leute nicht“ (Die Presse). Es wäre nicht die erste Welle dschihadistischer Anschläge in Europa. Neu wäre allerdings, dass nun vor allem Mitteleuropa, also Deutschland und Österreich, auch Benelux im Zentrum stehen könnten.
München: Feiern ja, aber nicht auf Straßen und Plätzen
Vor zwei Tagen sagte die bayrische Landeshauptstadt München „in Absprache mit den Märkten“ alle öffentlichen Faschingsfeiern ab. Davon ist der Unsinnige Donnerstag (27. Februar) betroffen, ebenso der traditionelle „Tanz der Marktweiber“ am Faschingsdienstag. Als Grund schiebt man die Trauer nach dem Anschlag auf den Verdi-Demo-Zug vor.
Auch der Umzug der „Damischen Ritter“, eigentlich am Wahlsonntag (23. Februar) geplant, entfällt. Der veranstaltende Verein gibt sich gedrückt: „Uns ist einfach derzeit nicht nach Feiern zumute.“ Aber auch hier hat die Stadt eng mitgewirkt, und so könnten noch andere Gründe eine Rolle spielen. Denn zahlreiche Innenveranstaltungen sollen laut Süddeutscher Zeitung stattfinden, so etwa „Monaco Nights“, der „Schlagerfasching“ und „Narrhalla, die Waldfee!“, auch mehrere Bälle. Also Feiern ja, aber nicht auf den Straßen – so könnte man das Motto des diesjährigen Münchner Faschings offenbar besser zusammenfassen.
Und damit gerät die Frage der Sicherheit ins Zentrum des Interesses. Denn die Möglichkeit der Sicherung ist es, was Innen- von Außenveranstaltungen unterscheidet. Man wundert sich demgemäß wenig, wenn schon im Vorhinein darauf aufmerksam gemacht wird, dass bestimmte Kostüme beim Karneval 2025 verboten sind. Dazu zählen neben Original-Polizeiuniformen, Nazi-Uniformen und Ku-Klux-Klan-Laken auch „Terroristen-Outfits“, wie Bild ihren Lesern beizeiten mitteilte.
Nun hat die Terrororganisation IS „erneut zu Anschlägen mit Autos in europäischen Städten wie Berlin, München oder Frankfurt aufgerufen“, wie der WDR schreibt. Die Nabelschau der deutschen Medien verbirgt, dass daneben auch Städte wie Brüssel, Antwerpen, Wien und Salzburg auf dem Zettel der Terroristen stehen. Der Aufruf zum Terror wurde im IS-nahen Medium Al Saif (deutsch „Das Schwert“) verbreitet, wie zuerst der österreichische Exxpress schrieb. Ebendort, auf der Seite Al Saif, findet sich auch ein Motiv, das den Attentäter von Villach zeigt. Er grinste, als ihn eine Polizistin festnahm. Die neuen Attentäter sollen ihm offenbar nachfolgen.
Diese Androhung konkreter Taten beunruhigt auch das österreichische Bundesheer – doch im öffentlichen ORF gibt es kein Wort dazu. Ähnlich verdruckst ist der Halbsatz beim deutschen WDR, alles unter der schon wahnwitzig verharmlosenden – oder etwa ironisch zu verstehenden? – Überschrift: „IS-Anschläge an Karneval? ‚Gehen Sie auf jeden Fall entspannt feiern‘“. In Deutschland sind Polizei und Staatsschutz alarmiert, aber an die Öffentlichkeit dringt kaum etwas dazu.
CSD-Umzug abgesagt, damit niemand „die Kontrolle über sein Auto verliert“
Doch auch andere Akteure üben sich im Verschweigen und Umspielen der realen Lage. So hat der Verein CSD Düsseldorf eine für diesen Samstag geplante Demonstration in der Innenstadt abgesagt. Es gab laut dem Vereinsvorsitzenden eine „bedrohliche öffentliche Hass-Nachricht“ im Vorfeld. Nun will man sich „den hassenden Menschen“ zwar nicht beugen, aber auch nicht Leib und Leben der Mitmenschen in Gefahr bringen. Weiter heißt es schon absurderweise: „Die Fälle, wo in anderen Städten jemand die Kontrolle über sein Auto verliert, würden wir in unserer Stadt nicht haben wollen.“ Das ist schon eine ziemliche Verkehrung des Tathergangs in München. Denn dass der Attentäter dort so viele Menschenleben wie möglich zerstören wollte, ist ja bekannt. Er verlor also nicht die Kontrolle. Auch in Magdeburg geschah nichts dergleichen.
Offen bleibt bei alledem, wer denn nun diese „hassenden Menschen“ sind. Interessant bleibt der absolute Gehorsam der Veranstalter gegenüber den Gegnern. Das kündet von einem grauenerfüllten Respekt, und den werden die Demonstranten wohl vor allem einer Gruppe gegenüber haben, für die brutalste Gewalt kein Fremdwort ist.
Auch Meldungen zum beginnenden Düsseldorfer Karneval sind programmatisch mit dem Satz überschrieben, dass es „absolute Sicherheit niemals geben wird“. Aber München und Magdeburg hängen auch hier nach. Recherchen der Welt zeigen das Ausmaß der Folgen für die Opfer von Magdeburg.
Der WDR zitierte weiter oben den NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Der spricht wieder einmal beschwichtigend von einer „abstrakten“ Gefahrenlage, die schon lange da sei. Im Westen nichts Neues, könnte man meinen. Neu sind aber doch die ganz konkreten Drohungen und „Serviervorschläge“ an die Schläfer und Terroristen. Das kann auch Reul nicht bestreiten: Die aktuellen Aufrufe seien immer perfider, gibt er laut WDR zu.
Al Saif Media ist trotz seines arabischen Namens auch ein Medium, das zumindest teilweise deutsch- und englischsprachige Inhalte enthält. Die Seite scheint eher ein Propaganda- und Indoktrinationskanal zu sein – ein verführerisches Gift für empfängliche Köpfe.
Aufruf „Auf zum Schlachten“ – „Überfahre sie!!“
Einer der Aufrufe ist überschrieben mit den Worten: „Auf zum Schlachten“. Zitiert wird dann auch die Sure at-Tauba (deutsch „Die Umkehr“), in der sich auch der sogenannte „Schwertvers“ findet, der in der klassischen Auslegung des Korans den Dschihad begründet. Das Zitat auf Al Saif lautet: „Kämpft gegen sie! Allah wird sie durch eure Hände bestrafen, sie erniedrigen, euch den Sieg über sie gewähren und die Herzen eines gläubigen Volkes heilen.“ Die „Soldaten Allahs“ werden dann als „Vorhut der Ehre“ und „Schwert der Gerechtigkeit“ angesprochen, die die „Feinde Allahs erschüttern“ sollen. Eine abschließend zitierte Sure (Al-Anfal) wird so wiedergegeben: „Nicht ihr habt sie getötet, sondern Allah hat sie getötet.“ Der Aufruf endet mit dem Hashtag „#LetsSlaughter“.
Es geht nicht mehr deutlicher, und an dieser Stelle müssten eigentlich – Bundestagswahlen hin oder her – massive Ermittlungen erfolgen, Hausdurchsuchungen und Razzien, wenn man denn wüsste, um wen es sich handelt. Immerhin wissen Staatsschützer laut Bild, dass sich „diese Attentats-Aufforderung … aktuell sehr schnell bei Islamisten verbreitet“. Man hat offenbar analog dem „Schwachkopf“-Posting Anhaltspunkte für die Verbreitung. Warum wird ihnen nicht nachgegangen? Jedenfalls bemerkt und hört man davon nichts. Von der Bundesinnenministerin kommt ohnehin gar nichts zu den Terror-Aufrufen. Ach so, doch, Nancy Faeser (SPD) versichert uns, dass „für die Sicherheit bei Karneval-Feierlichkeiten gesorgt“ sei. Die Veranstaltungen würden „bestmöglich geschützt“. Es sind die üblichen Leerformeln.
Ein weiteres Terror-Motiv zeigt den Innenraum eines Autos, der Fahrer umschließt mit seinen Hände fest das Lenkrad. Auf dem Display des Bordnavigators ist zu lesen: „Worauf wartest du? Die Straßen sind voller Ziele. Überfahre sie!!“
Laut Reul haben Aufrufe wie diese zwei Funktionen: „Einerseits den Menschen, die dafür anfällig sind, zu sagen: So geht das.“ Außerdem solle die Gesellschaft „verunsichert“ werden – also allein schon durch das Bekanntwerden dieser IS-Drohungen, die Reul vielleicht lieber nicht veröffentlicht sähe. Er findet dann wieder die spektakulär verniedlichende, aber auf subtile Weise doch wieder verunsichernde Formel: „Immer, wenn große Veranstaltungen anstehen, drehen die am großen Rad.“
Online-Radikalisierung und reale Grundlage
Der CDU-Politiker merkt das vielleicht gar nicht, aber er sagt uns hier, dass wir schon lange in einem ständigen, latenten Kriegszustand leben und jede größere Veranstaltung im Visier des IS und vielleicht noch anderer islamischer Terrororganisationen ist. Angeblich gibt es aus diesem Grund seit Jahren „Regeln“ des Landes NRW, die darlegen, „wie solche Veranstaltungen … zu organisieren“ sind. Der Staat hat sich mit der Schlange an seiner Brust eingerichtet. Die CDU hat ja über Jahre – man kann nicht müde werden, daran zu erinnern – Hunderttausende, ach was Millionen aus jenem Kulturkreis ins Land gelassen und (per Familiennachzug) geholt, in dem solche Tendenzen gang und gäbe sind.
Der abschließende Rat Reuls folgt sicher dem kölschen Grundgesetz: „Et es wie et es. Et kütt wie et kütt.“ Reul ruft den Karnevalisten beherzt zu: „Gehen Sie auf jeden Fall entspannt feiern. Wir dürfen uns nicht von den Typen, die unsere Gesellschaft bedrohen, unser Leben kaputt machen lassen. Das wäre der größte Erfolg, den die haben können.“ Aber sterben will man auch nicht dabei. Totentanz trotz akuter Lebensgefahr war vorgestern, in pestverhangenen mittelalterlichen Städten.
Und so warnen Terror- und Islam-Experten durchaus vor der neuen Lage. So auch Eren Güvercin, Gründungsmitglied der Alhambra Gesellschaft für Völkerverständigung und selbst vielleicht eine Art traditionskritischer Muslim. Seit dem 7. Oktober 2023 (Terror-Angriff der Hamas auf Israel) schlage die Propaganda des IS immer stärker durch und übe eine starke Wirkung auf immer jüngere Täter aus.
Wieder geht hier – wie auch bei Terror-Experte Peter Neumann – der Begriff der „Radikalisierung im virtuellen Raum“ um. TikTok gilt als neue Brutstätte terroristischer Planungen und Taten, vielleicht auch nur Inspirationen, die dann gern als „Gewaltphantasien“ eingeordnet und relativiert werden. Und sicher ist es sehr einfach, sich ein Messer zu nehmen und ein Attentat quasi im Alleingang zu „inszenieren“. Das kann jeder Sechzehnjährige, und er braucht dazu vermutlich nur wenig Input, wenn im Elternhaus eine fundamentalistische Grundprägung in Richtung auf einen „ursprünglichen“ Islam vorliegt. Diese salafistischen Einstellungen sind aber nun einmal sehr verbreitet in gewissen Gruppen, wobei man hier auch von getrennten Ethnien sprechen könnte, die sich offenbar nicht in die deutsche oder europäische Kultur integrieren wollen. Und man wird das Gefühl nicht los, dass die Grundlage für die Taten eben nicht im Internet und auf Apps gelegt wird.
Weit weg von der westlichen Toleranzgesellschaft
Schon Mitte Januar gingen die genannten Drohungen des IS Provinz Khorasan (ISPK) durch die Medien. Sie wurden auf einer anscheinend ähnlichen Plattform, Al Azaim Media, veröffentlicht. Der ISPK ist der afghanische Ableger des Islamischen Staates. Terroristischen ‚Erfolg‘ hatte er in Moskau, wo er im März 2024 den Veranstaltungssaal Crocus City Hall angriff. Dabei kamen mehr als 140 Menschen ums Leben. In Europa hatte der ISPK bisher noch weniger Erfolg, er hat es aber immerhin sechs Mal versucht, auch in Westeuropa einen solchen Terror-Coup (man kann davon wohl ganz unironisch sprechen) zu landen.
Die Drohungen aus dem Januar bezogen sich aber auf Veranstaltungen, die meist noch etwas hin waren (etwa Oktoberfest, der Opernball findet am 27. Februar statt). Nun scheint der IS (ob dieser oder ein anderer Zweig, ist unklar) einen Gang zuzulegen. Vielleicht gibt es ja sogar eine Art Wettbewerb zwischen den einzelnen Zweigen, wer beim Dschihad „die Nase vorn“ hat, wenn man sich so salopp ausdrücken darf. Die Terroraufforderungen werden in diesem Zuge unmittelbar, beziehen sich auf das Heute, sollen umgehend umgesetzt werden. Und dabei setzt man anscheinend auf Schläfer oder „einsame Wölfe“, die als Einzeltäter vorgehen.
Klar scheint nur eins, jedenfalls für das IS-Portal Al Saif Media: „Das Blut der Kuffar ist halal für dich. Also vergieß es!“ Es ist wiederum der Exxpress, der dieses blutrünstige Motiv veröffentlicht hat. „Kuffar“ sind alle, die nicht als rechtgläubige Muslime gelten können. Halal ist die bekannte Bezeichnung für „erlaubt“, die man aus den Speisegewohnheiten frommer Muslime kennt. Alle beschriebenen Motive zeugen von äußerster Enthemmung und von einer Drift, die zumindest einige Muslime weit weg vom westlichen Ideal der Toleranzgesellschaft führt. Sie führt in den Bürgerkrieg, den die Schläfer und ihre Anheizer dem friedlichen Teil der Gesellschaft erklären.