Tichys Einblick
Saarland-Wahl

Bleibt die SPD Merkels Juniorpartner?

Die Saarland-Wahl zeigt, dass die SPD an einem Scheideweg steht. Die CDU freut sich in der SPD einen willigen Mehrheitsbeschaffer zu haben. Die SPD braucht Optionen, wenn sie mit Schulz die SPD wieder zu einer Regierungspartei machen will.

© Adam Berry/Getty Images

Der politisch sieche Oskar Lafontaine hat das klassische SPD-Land an der Saar sukzessive in die Hände der CDU getrieben. Der ehemalige Wunderknabe, gern auch als „Saar-Napoleon“ verspottet, hat die SPD nachhaltig dezimiert. Jetzt bleibt der SPD nur noch die Rolle als zunehmend bedeutungsloser Mitgroßkoalitionär der CDU. Das mag einigen postengierigen SPDlern gerade eben noch gefallen, aber die fortschreitenden Erosionsprozesse wären vorprogrammiert. Warum? Weil eine Partei als bloßer Appendix einer anderen Partei, die eigentlich auf der anderen Seite des Lagers steht, für ihre Stammwähler unattraktiv wird und kaum neue Wähler akquirieren kann.

Von ein paar ewig gestrigen „Ostzonalen“ abgesehen, ist die Linkspartei in der Tat „Fleisch vom Fleische“ der SPD, wie es der Tagesspiegel formulierte. Wer die große Koalition will, gar als Dauereinrichtung, kann auf die Dauer besser gleich CDU wählen. Der beachtliche „Schulz-Effekt“ aus den Bundesumfragen ist indes nicht so ganz verpufft, wie es in ersten Medienreaktionen gelegentlich heißt, aber er ist klein.

Das Saarland, das Land, das einen erheblichen Strukturwandel von der Montanindustrie 1.0 hin zur modernen Industrie 4.0 bewerkstelligen musste und muss, ist klein genug, um von einer umsichtigen Regierung, wie der von Anette Kramp-Karrenbauer, vernünftig gemananagt werden zu können; soviel zu den immer wieder aufflammenden wohlfeilen Forderungen, doch bitte schön größere Bundesländer in kleinerer Zahl in Deutschland zu schaffen, wenn nicht sogar den grünen Zentralstaat. Das Saarland ist unter Kramp-Karrenbauer in seinen strukturellen Wandlungsprozessen wahrscheinlich deutlich effizienter als das strukturell durchaus vergleichbare NRW. Insofern ist es beinahe erstaunlich, dass Kramp-Karrenbauer nur gut 40 Prozent der Stimmen ( 5% Zuwachs) geholt hat.
Das Saarland ist kein Mikroskosmos der Bundesrepublik. Hochrechnungen oder auch nur Trends für die kommende Bundestagswahl lassen sich schwerlich aus dem Wahlergebnis herauslesen.

Lehre 1 und Lehre 2 für die SPD aus der Saarwahl

Die Grünen und die Piraten hat es ganz aus dem Parlament rausgehauen: eine gute Nachricht für das Land. Die Wahlniederlage der Grünen wird von gründurchhauchten Medien seltsam verschwiegen, dabei lässt sich doch ein neuerlicher Abwärtstrend der Grünen insgesamt kaum noch leugnen. Die Grünen waren immer überflüssig, aber sie transportierten jahrzehntelang das Lebensgefühl der „linken“ Sektion der Babyboomergenerationen. Dieses Gefühl ist ein bisschen öde und alt geworden. Soviel Latte macchiato kann in den einschlägigen Stadtbezirken gar nicht getrunken werden, die es bräuchte, um die Grünen wieder sexy erscheinen zu lassen.

Die Grünen werden zunehmend zu einem bloßen schwarzen Stimmenloch für die SPD, die sie ideologisch über Jahrzehnte vor sich hertrieben. Das ist die Lehre Nr. 1, die die SPD aus der Saarwahl ziehen kann. Sie muss den Grünen, ohne ihnen hinterher zu laufen oder sie grün überholen zu wollen, das Wasser abgraben – und das scheint auch möglicher denn je.

Lehre Nr. 2: Die SPD hat die Chance, auch wenn der Weg steinig, zunächst ziemlich steinig ist, die Linkspartei ihrer Wähler zu „berauben.“ Jeder Wähler, der seine Stimme nicht in den Papierkorb der Geschichte werfen will, kann der Linkspartei seine Stimme nicht geben. Das war schon immer so, diese Tatsache wird aber immer deutlicher und auch die Saarwahl belegt sie: Ein paar ausgetickte, ziemlich egomanische Linksfürsten und Parteiritter gaukeln irgendwelche sozialen Konstrukte vor. Sie können nicht regieren, sie wollen nicht regieren, sie können nichts verändern, sie wollen nichts verändern. Sie wollen ihre Posten und der Oberpostenhäuptling Lafontaine ist politisch am Ende. Sarah Wagenknecht spielt das Lafontainsche Spiel etwas geschickter und natürlich etwas jünger, aber sie nimmt die Linkspartei ebenfalls nur als ihre persönliche politische Spielwiese.

Ade SPD
SPD: Der König ist tot – es lebe der König
Deswegen: Die SPD kann und sollte den entscheidenden Schritt auf die Linkspartei zumachen, über ihre albernen Lafontaine-Schatten springen und die Linkspartei so umarmen, dass von der Linkspartei nichts (außer den Wählern) übrigbleibt. Das hieße für die SPD konkret: Die große Koalition in Saarbrücken beenden und mit einem Befreiungsschlag, Herr Martin Schulz (!) in der eigenen politisch langsamen Fahrt in die Sackgasse umdrehen, eine vitale Fähigkeit zur Neugestaltung des festgefahrenen bundesrepublikanischen Parteiensystems entwickeln, sprich die Dauergroko zu „rocken“. Scheint unwahrscheinlich, aber Denkimpulse und mehr Mut sind gleichwohl gefragt.

Die Pattsituation im Saarland zwischen CDU und Rot-Rot, niemand will mit der AfD koalieren, birgt einige Chancen für die SPD, im Saarland mit Signalwirkung für Berlin vorsichtig etwas auszuprobieren. Zum hässlichen Anhang der CDU zu verkümmern, hat die SPD bereits von einer veritablen Volkspartei zu einer zunehmend unsozialdemokratischen Kleinpartei degradiert.

Die SPD hat 29.6 Prozent eingefahren, die Linkspartei 12,9 Prozent. Macht in Summe 42,5 %. Die CDU kommt auf 40,7%. Dank der Tatsache, dass Rot-Rot mit zwei Parteien antritt, schlägt sich der Stimmenüberschuss nicht in der Sitzverteilung nieder, im Parlament gibt es ein Patt, 24 zu 24. Kramp-Karrenbauer sagt, was sie sagen muss, nämlich dass die SPD vom Wähler dafür abgestraft worden wäre, dass sie Rot-Rot als Option angesehen und sich nicht von vorne herein auf die Rolle des Juniorpartners der CDU beschränkt hätte. Tatsächlich kann die SPD mit ihrem Lafontaine-Trauma keinen Blumentopf gewinnen. Sie muss die Linksparteiwähler integrieren und den übrig bleibenden Sektierern ebenfalls eine Heimat bieten.

Das klingt jetzt etwas dissonant, aber ist doch so: Wenn die CDU keinen Partner mehr hat, dann wird’s für die CDU eng. Situativ von Fall zu Fall abstimmen müsse, heißt in Parlamenten immer, dass es Überraschungen gibt. Neue Mehrheiten bilden sich. Es ist nun einmal Fakt: Auch die CDU hat keine Mehrheit. Sie hat die gleichen 24 Sitze wie Rot-Rot.

Die SPD kann ganz einfach in die Opposition gehen und die CDU notfalls vor sich her treiben, was dasselbe wäre, wie sich sofort mit der Linkspartei zu arrangieren. Die CDU hat in der Pattsituation ebenso wenig eine Mehrheit wie Rot-Rot.

Auch wenn es jetzt die schöne Harmonie stört und alle außer den Grünen und der FDP gerade glücklich sind, ist es doch so. Der Sieg von Kramp-Karrenbauer stützt, siehe das Statement von Julia Klöckner postwendend, doch wieder Merkel und perpetuiert damit das falsche System, nämlich die Merkel-Groko.

„Freiheitlich-konservativer Aufbruch in der Union“
CDU-Mitglieder proben Revolte gegen Merkel
Man kann jetzt nicht von Wahl zu Wahl über die anhaltende Krise von 2015 hinweggehen, die wieder anschwellen wird und deren Folgen noch auf sehr lange Zeit nicht verdaut sind, hinwegsehen. Die CDU muss sich erst einmal von Merkel befreien, dann kommen auch genug Kramp-Karrenbauers, die die CDU wieder zu der Partei machen könnten, die sie einmal war und der die Mehrheit der CDU-Wähler immer noch hinterher läuft, nämlich eine konservative, an einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vernunft orientierte Partei.

Die Merkel-Groko hat die aktuell gerade verdrängte, aber fortwährend weiterlaufende Einwanderungskatastrophe von 2015 zu verantworten. Das Fatale ist, dass jetzt jeder Sieg von guten CDU-Leuten Merkel nützt, aber an der grundsätzlichen Lage, die bereits eingetreten ist und die nicht genügend repariert und auch nicht genügend aufgearbeitet wird, nichts Substanzielles ändert. Seit 2015 ist die Groko systematisch dabei, die Meinungsfreiheit via Facebookkontrolle usw. zu beschränken – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, und macht Jagd auf alle, die sich kritisch zur Groko-Politik äußern. Und die Groko, so wie sie konstruiert ist, bewirkt, dass Heere von privaten politischen Polizisten unterwegs sind, die an der Verfassung vorbei ihr düsteres Handwerk betreiben.

Die konservativen Wähler, die jetzt jubeln, müssen aufwachen. Natürlich ist da die Freude, dass eine konservative, stabilisierende Ministerpräsidentin der CDU Positives geleistet hat und jetzt ein überaus positives Ergebnis eingefahren hat. Aber es ist nicht plötzlich alles wieder gut, nur weil das kleine Saarland offenbar funktioniert hat

Von daher gilt: es muss Bewegung in die Sache kommen. Merkel macht das konservative Lager nach wie vor kaputt und fährt darin fort. Über die gravierenden Fehler der Groko kann nicht einfach so hinweggegangen werden. Wenn die SPD Stärke zeigt und Merkel vor vollendete Tatsachen stellt, sich selber profiliert, ist das auf jeden Fall positiv.

Der Sieg im Saarland ist ein Sieg Kramp-Karrenbauers und kein Sieg Merkels

Merkels Chancen kramp-karrenbauersche Werte im Bund auch nur annähernd zu erreichen, sind geschwunden. Der im konservativen Lager verbreitete fatale Denkfehler, Merkel wäre die weniger schlechte Alternative für die Bundesrepublik und deswegen, immer wieder neu: Merkel, Augen zu und durch und immer weiter so, eröffnet für eine dynamische und risikobereite SPD, die auch in den Ländern jetzt etwas riskiert und die eine immer eindimensionalere politische Debattenkultur im Land wieder mit Frischluft versorgen würde, einige Chancen sowohl zur eigenen Selbsterneuerung als auch dazu, einen eigenen Beitrag zur Entwicklung der Bundesrepublik zu leisten.

Der Bundesrepublik steht ein bißchen mehr Frischluft im Bereich der Debattenkultur, der politischen Kultur oder Unkultur, sehr gut zu Gesicht. Zugegeben, es schmerzt, gute Landespolitik, wie Kramp-Karrenbauer sie im Saarland macht, wie sie auch in Sachsen gemacht wird und andern Orts, zur Disposition zu stellen, aber die de facto stabilisierende Wirkung der total fest gefahrenen Merkelpolitik durch die erfolgreichen Lokalmatadore der CDU, die sich Merkel allzu geschmeidig unterordnen, was dem Verfassungsprinzip des Bundestaates eigentlich zuwider läuft, muss jeden an der Zukunft interessierten Bürger noch mehr schmerzen.

Man merkt die Glücksgefühle in der CDU: Endlich eine konservative Politikerin Kramp-Karrenbauer, die solide Politik bringt, die Spaß macht und die irgendwie vom Merkel-Trauma innerhalb der CDU ablenkt. Die Grünen sind mal raus und Schulz wirkt nicht mehr ganz so stark.

Dilletantismus und Verantwortungsflucht
Deutschland wird nicht regiert
Indes bleibt das Faktum: Merkel, die die Abstauberin der ungewöhnlichen Situation ist, dass immer weniger Menschen und immer weniger Fachkräfte zur Zeit immer mehr Menschen mit Wohlstand unterhalten. Die Alterspyramide hat wirtschaftlich noch nicht durchgeschlagen. Merkels Einwanderungspolitik, die keine Politik im klassischen Sinn war und ist, sondern ein Laufen lassen, verschärft hingegen auf ganz durchsichtige Weise vorgegaukelter Nützlichkeit für den Arbeitsmarkt das Zukunftsproblem der bundesrepublikanischen Wirtschaft; nach dem Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Arbeitsleben müssen nicht nur ganz wenige ganz viele Einheimische ernähren, sondern noch zusätzlich ganz viele Einwanderer, die auch alt werden und zu wenig zum Wirtschaftsleben beitragen können.

Diese verfehlte Politik, vor der fast alle Menschen im Land die Augen verschließen, wird von Merkel auch noch moralisch bemäntelt. Diese moralische Bemäntelung und das Versagen Merkels werden in dem jüngst erschienenen Buch „Die Getriebenen“ von Robin Alexander, welches Merkel eine politische Note Ungenügend attestiert und einen zwingenden Rücktrittsgrund darstellt, beschrieben.

Zwar wünscht man sich mehr Kramp-Karrenbauers, aber nicht um des Preises Willen, dass die Merkelsche Zukunftsbelastung perpetuiert wird.

Der Kongress tanzt

Bundes-Arbeitsangentur-Chef Weise sagte jetzt in einem Interview: „Flüchtlinge sind keine Antwort auf unseren Fachkräftemangel“. Das sagt er jetzt, nachdem er im Merkel-Konzert 2015 und 2016 mitgeflötet hatte, wonach vor allem aus Syrien, aber auch sonst nur hochqualifizierte Zahnärzte und Rechtsanwälte islamischen Rechts nach Deutschland und Europa kämen und das demographische Problem geräuschlos nebenbei erledigen würden. Soviel Unkenntnis und Ignoranz über die Arbeitsmärkte und Bildungsstände in den Herkunftsländern der Einwanderer, wie sie in der deutschen Regierung hochgehalten und propagiert wurden, muss rechtzeitig abgestraft werden.

Wenn der Geldbeutel wählt – dann servus und tschüss
Wirtschaft und Wohlstand verlieren mit Schulz wie mit Merkel
Der Kongress tanzt und es gibt Niemanden, der sich hinter Nichtwissen verstecken kann: Die gesellschaftliche Gleichung, wie sie die Groko und Merkels Politik zelebrieren, es geht uns gut, es geht uns gut, es geht uns gut, geht nicht auf. Jede Rentenerhöhung verschafft der Groko massenhaft Wähler, obwohl jede Rentenerhöhung den Grundstein für eine Verschärfung der demographischen Probleme der Zukunft bedeutet.

Oppositionsparteien stehen immer in der Gefahr, zu kindischen Absurditäten zu neigen, jedenfalls dann, wenn ihnen der Regierungswille fehlt oder abhanden gekommen ist: Die SPD ist zu einem Mehrheitsverschaffer Merkels verkommen, der sich in die Inner-Groko-Oppositionsrolle versteigt und auf die Schulter klopft, dass man Merkel in die eigene Richtung beeinflussen würde.

Wenn die SPD wieder eine Regierungspartei im klassischen Sinn werden will – und das ist ja der Ansatz der neuen Schulz-Euphorie in der SPD, dann hat sie die Chance ihre Geschenkeverteilsucht als Politikersatz zu überwinden. Die SPD muss das Rentenalter dramatisch hochsetzen, das sie gerade herabgesetzt hat. Sie muss ihre Doppelpassgeschenke, die integrationsfeindlich wirken, korrigieren und auf Realismus umschwenken.

Im Würgegriff der übermächtigen CDU jedenfalls erstickt die SPD, daran kann ein kurzfristiger, wie man sieht, noch recht kleiner „Schulz-Effekt“ nichts ändern, zumal Schulz seinerseits noch keine Substanz liefert. Sich im Saarland einfach nach festgefahrenem Schema bei der CDU unterzukuscheln, als wenn nichts wäre, würde die keineswegs riesige Chance auf einen SPD-Neutstart im Keim ersticken. Alle schauen jetzt auf Schulz und die SPD und da gibt es nun einmal einen gewissen Erfolgsdruck mit Risiko. Die holländische SPD hat sich gerade selber zerlegt.

Sozialdemokratismus ist eben kein Selbstläufer mehr – wie früher.

Die mobile Version verlassen