Hart aber Fair ist zurück aus der Weihnachtspause und sofort wieder mittendrin im Bundestagswahlkampf. Gemeinsam mit Louis Klamroth diskutierten die Politiker Jens Spahn (CDU), Tanja Schweiger (Freie Wähler) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die im Verband deutsch-syrischer Hilfsvereine engagierte Rechtsanwältin Nahla Osman und der Journalist Christoph Schwennicke (T-Online) eines der heißen Wahlkampfthemen, nämlich Migration. Deutlich wurde dabei vor allem ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen CDU und Grünen und das sich abzeichnende Ende „progressiver“ Diskursvorherrschaft.
Den Anfang in der gestrigen Sendung machte die deutsch-syrische Anwältin Nahla Osman, die im Kopftuch und mit einer Brosche in den syrischen Nationalfarben auftrat. In Zusammenhang mit der zuletzt von Friedrich Merz angefeuerten deutschen Migrationsdebatte mache sich bei ihr mittlerweile Ohnmächtigkeit breit: „Ich möchte nicht mehr kämpfen, mich nicht beweisen. Ich fühle mich als Bürgerin zweiter Klasse, als Deutsche auf Probe“, erzählt sie. Worin sich dieses Gefühl konkret manifestiert, führte sie allerdings nicht aus. Und Louis Klamroth stellte statt einer diesbezüglichen Nachfrage lieber Jens Spahn die Frage, weshalb die CDU Migrationspolitik überhaupt zum Wahlkampfthema mache, nachdem sie noch im vergangenen Herbst in der Person von Friedrich Merz davon gesprochen hatte, dies vermeiden zu wollen.
Katrin Göring-Eckardt bestach indes statt mit Klarheit viel mehr mit Plattitüden und Strohmann-Argumenten. So meinte sie unter anderem in bester Habeck-Manier: „In Deutschland waren wir immer dann erfolgreich, wenn wir versucht haben, das Gemeinsame zu suchen.“ So richtig das sein mag, ist es doch immer wieder verblüffend zu sehen, dass Migration und Integration für Linke und Grüne eine völlig einseitige Angelegenheit zu sein scheint. Die deutsche Mehrheitsbevölkerung befindet sich, so scheint es in ihrer Perspektive, in einer permanenten Bringschuld: Sie ist es, die nach Gemeinsamkeiten suchen soll, die integrieren und die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen soll, die den Zugang zu Bildungsangeboten und zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Merkwürdig unterbelichtet bleibt dabei die Rolle der Migranten selber. Diese Argumentationslinie zog sich bei Göring-Eckardt und Osman wie ein roter Faden durch die Sendung.
Das ganze Auftreten Spahns, die selbstbewusste und offensive Argumentation und seine unverblümte Rhetorik zeigte dabei beispielhaft, dass sich auch Deutschland medial und politisch gegenwärtig im Umbruch befindet. Die fetten Jahre unangetasteter linker Diskurshoheit sind schlicht vorbei. Vorbei die Zeiten, in denen man Kritik an der deutschen Migrationspraxis (denn von Politik zu sprechen, wäre hier eigentlich zu viel des Guten) nur hinter vorgehaltener Hand äußern konnte. Die Verhältnisse sind dabei, sich fundamental zu wandeln: Nicht die Migrationspraxis-Kritiker, sondern die Migrationsleugner à la Göring-Eckardt befinden sich heute unter Rechtfertigungsdruck. Jens Spahns sowohl inhaltlich als auch sprachlich prägnanter Auftritt bei Hart aber Fair haben gestern davon beredtes Zeugnis abgelegt.
Nahla Osman sah das naturgemäß völlig anders, argumentierte aber ähnlich wie Göring-Eckardt überhaupt nicht gegen tatsächliche, sondern gegen eingebildete Strohmann-Positionen und warnte eindringlich davor, alle sozialen Probleme und gesellschaftlichen Konflikte monokausal auf die Migration zurückzuführen und damit Migranten unter Generalverdacht zu stellen. Auch hier gilt: Das ist natürlich richtig, aber als Zuschauer konnte man sich bisweilen der Frage nicht erwehren, auf wen sich banale Einlassungen dieser Art überhaupt beziehen sollten.
Kontroverse Debatte zu Merz’ Staatsbürgerschaft-Vorschlag
Louis Klamroth führte die Diskussion dann auf eine weitere Schiene der Migrationsdebatte und stellte Friedrich Merz‘ Vorschlag zum Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft als Reaktion auf die Straffälligkeit von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft zur Diskussion. Eingeleitet wurde diese mit einem kurzen Zwiegespräch Klamroths mit dem deutsch-iranischen Richter Bardia Razavi. Dieser verteidigte zunächst die in Deutschland gängige Praxis der doppelten Staatsbürgerschaft, weil bestimmte Staaten, wie etwa der Iran oder Syrien, prinzipiell keine Ausbürgerungen vornehmen, und kritisierte dann Merz‘ Ausbürgerungs-Vorschlag als undurchführbar, weil dieser zur rechtlichen Ungleichbehandlung von Deutschen und Deutschen mit doppelter Staatsbürgerschaft führen würde. Schließlich drohen normalen deutschen Staatsbürgern nach Straftaten „nur“ strafrechtliche und keine staatsbürgerlichen Sanktionen.
Um dann schließlich doch noch auf Razavi Bezug zu nehmen, führte Spahn aus, dass bereits die heutige Rechtslage unter bestimmten Bedingungen den Entzug der Staatsbürgerschaft vorsieht, etwa bei Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder bei der Vortäuschung falscher Tatsachen bei der Einbürgerung. Weshalb nun aber diese schwerwiegenden Delikte genauso hart geahndet werden sollen wie alltägliche strafrechtliche Vergehen, konnte aber auch Spahn nicht erklären. Auch in der Runde sorgte diese Forderung für Irritationen und Nahla Osman ist ausnahmsweise beizupflichten, wenn sie dafür plädierte, dass straffällige Migranten genauso wie straffällige Deutsche geahndet werden sollen. Auch Schwennicke zeigte sich verwundert über den Merz-Vorschlag: „Ich weiß nicht, warum er diese Büchse aufgeschraubt hat.“ Für ihn spiele eine deutsche Staatsbürgerschaft „in einer Liga mit einer Geburtsurkunde.“
Jens Spahn verteidigte demgegenüber den Vorschlag und betonte, dass die doppelte Staatsbürgerschaft den eigentlichen Kern der Debatte darstelle. Aus seiner und der Sicht seiner Partei ist klar, dass spätestens die zweite Einwanderergeneration sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müsse. Überdies sei es „fundamental falsch“ nur subsidiär Schutzberechtigte überhaupt einzubürgern, weil die deutsche Staatsbürgerschaft sinnvollerweise nur das Ergebnis eines gelungenen Integrationsprozesses sein kann.
„Frau Göring-Eckardt in welcher Realität leben sie eigentlich?“
Katrin Göring-Eckardt brachte ihrerseits zum Ausdruck, dass sie den Wunsch härter durchzugreifen zwar nachvollziehen könne, betonte aber auch, dass die Staatsbürgerschaft dabei nicht angetastet werden sollte. In aller bester Strohmann-Manier führte sie aus: Die „Diskussion auf die Spitze zu treiben und Menschen als Gruppe zu diffamieren“ könne nicht die Lösung sein. „Glauben wir denn wirklich, die wahnsinnigen Probleme, die wir in Deutschland haben, (…) das wird irgendwie besser, wenn wir noch weiter über Migration sprechen und dieses Land spalten? Ich glaube nicht“, sagte Göring-Eckardt. So zu tun, als sei Migration „das Hauptproblem“, sei „nicht ehrlich“ und habe mit der Realität im Land und dem „Alltag der Menschen verdammt wenig zu tun.“
Katrin Göring-Eckardt ließ sich davon aber nicht beirren und entgegnete wieder, dass der Migration nicht alle anderen Probleme untergeordnet werden dürften. Das sei die eigentliche Realitätsleugnung, weil Deutschland ganz andere Probleme habe, über die auch prominent gesprochen werden sollte. Was bei dieser Auseinandersetzung zwischen Spahn und Göring-Eckardt vor allem klar wurde, war, dass es in Sachen Migrationspolitik nicht den Hauch einer gemeinsamen Basis für eine schwarzgrüne Koalition gibt. Nach wie vor scheitern die Grünen schon an der kleinsten Hürde, nämlich daran, zunächst einmal die schlichte Realität in diesem Land zur Kenntnis zu nehmen. Unterstrichen wurde das einmal mehr dadurch, dass Göring-Eckardt trotz mehr als drei Millionen Arbeitsloser behauptete, Deutschland brauche nicht nur Fach- sondern inzwischen auch Arbeitskräfteeinwanderung. Allerdings überlege es sich der migrantische IT-Experte angesichts rassistischer Einlassungen aus Teilen der CDU dreimal, ob er nach Deutschland kommt oder nicht.
Christoph Schwennicke beendete dankenswerterweise diese Märchenstunde und analysierte treffend, dass Göring-Eckardt permanent einen „Popanz“ aufbaue und bewusst und absichtlich das Problem weg von der Migration auf andere Dinge lenke und dabei zudem Ursache und Wirkung verwechsele. Das Problem in Deutschland sei schließlich nicht, dass zu wenig für Migranten getan werde, sondern im Gegenteil, dass Deutschland mit einer Migration konfrontiert sei, die dieses Land überfordere und daher unbedingt reduziert werden müsse.
Nahla Osman, die ununterbrochen offenen Grenzen und völlig unkontrollierter Einwanderung das Wort redete, entgegnete daraufhin, dass ein Land seine Einwanderer nicht nach dem Motto, diese Ware gefällt mir und diese nicht, auswählen dürfe. Auch sie hätte Jens Spahn eigentlich fragen müssen, in welcher Realität sie eigentlich lebe. Schließlich ist genau das das Erfolgsrezept jedes funktionierenden Einwanderungslandes. Im Kontext des Umbruchs in Sysrien erklärte ihr das dann aber auch Spahn: Sobald in Syrien Sicherheit herrschen sollte, kehrt sich naturgemäß die Frage um. Sie lautet dann nicht mehr, wer von Deutschland geschützt werden muss, sondern wer nützt uns in Deutschland? In der Tat ist das in der Migrationspolitik das einzig sinnvolle Kriterium für Einwanderung.
Solange die Grünen sich durch Strohmänner und Realitätsverleugnung gegen diese grundlegende Einsicht wehren, wird mit ihnen kein Fortschritt zu erzielen sein. Ob die CDU in der Lage sein sollte, mit dieser Partei überhaupt zu regieren, darf spätestens nach der gestrigen Sendung zumindest bezweifelt werden.