Tichys Einblick
Wahlkampf von Bündnis Deutschland

Politik mit der Kettensäge und „Balko“, der in den Bundestag einziehen möchte

Das Bündnis Deutschland kämpft um sein politisches Überleben. Schon 0,5 Prozent der Stimmen würden dabei entscheidend helfen. Die sollen nun ein berühmter Schauspieler und die Kettensäge holen.

TE / Mario Thurnes

Steffen Große spricht von einem möglichen Wirtschaftsminister Dr. Markus Krall. Das ist eine nette Phantasie. Denn was der Geschäftsmann und Buchautor auf der Pressekonferenz des Bündnis Deutschlands erzählt, hört sich durchaus vielversprechend an: alle Behörden und Bundesbeauftragte auf den Prüfstein stellen. Fast alle, der seit 1970 erlassenen Gesetze einfach wieder abschaffen und die Steuern radikal senken – auf direkte Steuern wie die Lohnsteuer ganz verzichten. Das würde einen massiven Strom an Investitionen nach Deutschland auslösen. Gutes Gedankenspiel, aber eben doch nur eine Phantasie.

Vorerst. Die Verantwortlichen des Bündnis Deutschlands wissen selbst, dass sie in der nächsten Bundesregierung nicht vertreten sein werden – dass es voraussichtlich nicht einmal zum Einzug ins Parlament reichen wird. Aber sie erklären, warum es wichtig für die junge Partei ist, über die anstehende Bundestagswahl hinaus durchzuhalten – und sie rechnen sich durchaus Chancen aus, das auch zu schaffen. Dafür müssen sie im Ergebnis um 0,1 Prozentpunkte zulegen, im Vergleich zur Europawahl.

Wichtig sei es für das Bündnis, über die Bundestagswahl hinaus durchzuhalten, weil diese keinen Politikwechsel mit sich bringen werde, sagt der Bundestags-Kandidat Krall. Das liege am Spitzenkandidaten der CDU: „Friedrich Merz ist ebenso Teil des Altparteienkartells wie Baerbock, Habeck oder Lindner.“ In Merz’ Programm möge sich der ein oder andere richtige Ansatz wiederfinden. Doch den wird er mit seinen künftigen Koalitionspartnern SPD oder Grüne nicht durchsetzen können.

Die Politik bleibe daher nach der Wahl so wie vorher, sagt Krall. Und das sei verheerend. Deutschland bleibe dadurch so überreguliert wie bisher – und auch so überbesteuert. Die Verbotskultur werde so bleiben, wie sie ist, und vermutlich sogar noch stärker um sich greifen. Denn die Vertreter des Altparteienkartells hätten jedes Gespür dafür verloren, unter welch harten Umständen der Wohlstand in Deutschland erwirtschaftet werden müsse – und würden entsprechend sorglos mit Steuergeld umgehen. Etwa wenn Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Syrien fliegt. Ohne jeden Plan, wie es dort weitergehen soll. Aber mit 60 Millionen Euro deutschem Steuergeld, das sie trotzdem völlig planlos vor Ort verschenke.

Die vorgezogene Wahl ist ein Problem für die Parteien des „Sonstige“-Spektrums, wie der Vorsitzende des Bündnis Deutschlands Große erklärt. Zwar haben laut Bundeswahlleiter 56 Vereinigungen beantragt, am 23. Februar antreten zu dürfen. Doch Große rechnet damit, dass nur wenige davon wirklich die benötigten knapp 30.000 Unterschriften zusammenbekommen haben werden. Der Wahlzettel werde entsprechend deutlich kleiner ausfallen als noch bei der EU-Wahl.

Da das Bündnis Deutschland über eine Fraktion in der Bremer Bürgerschaft verfügt, gilt es als „privilegiert“. In Bremen stellt das Bündnis eine Fraktion in der Bürgerschaft. Das erspart ihm das Sammeln der Unterschriften. Wenn denn der Bundeswahlausschuss diesen Status anerkennt. Ursprünglich waren die „Bürger in Wut“ zur Bürgerschaftswahl angetreten. Sie haben erst später mit dem Bündnis fusioniert. Der Ausschuss tagt an diesem Montag und Dienstag. Nach einer Einspruchsfrist von vier Tagen und gegebenenfalls nach Entscheidungen des Verfassungsgerichts steht dann fest, wer zur Bundestagswahl antreten darf.

Selbst wenn es zur Fünf-Prozent-Hürde nicht reicht, kommt es für das Bündnis auf jede Stimme an. In der EU-Wahl holte die junge Partei 0,4 Prozent der Stimmen. 0,5 Prozent müssen es aber sein, um in die Parteienfinanzierung zu kommen. Die wiederum braucht das Bündnis Deutschland. Für die Wahl in Bremen hat es laut Große Darlehen von rund 300.000 Euro aufgenommen, für die EU-Wahl nochmal 50.000 Euro.

Zwar sagt Große, dass diese Darlehen kein Problem seien. Die Partei habe sie bei Mitgliedern aufgenommen und die ließen gut mit sich reden, sodass die Rückzahlung die Partei nicht allzu sehr belaste. Doch ein zentrales Budget für die Bundestagswahl fehle. Die Landesverbände sollen jeder für sich einen Etat aufbringen, die Kandidaten ihre Kopfplakate selbst bezahlen. Selbst wenn es Große nicht so sieht: Einer bei den Mitgliedern verschuldeten Partei droht immer auch eine Schieflage in der Entscheidungsfindung. Das Prinzip, wer bezahlt, bestellt die Musik, lässt sich selbst mit gutem Willen nur bedingt aushebeln.

Bisher hat dem Bündnis Deutschland eine Fokussierung gefehlt. Wahllos hat die junge Partei versucht, alle Themen irgendwie zu besetzen, anstatt auf das eine Thema zu setzen, das ihr den medialen Durchbruch bringen könnte. Diese Tendenz hat das Bündnis immer noch nicht abgelegt. Statt auf eine zentrale Botschaft zu setzen, baut die Partei auf eine Vielfalt an Plakatmotiven. Wobei sich die Frage stellt, wer sich von einem Slogan angesprochen fühlen soll wie: „Faxen dicke?! Wählt BD!“

Auch mit dem Spitzenkandidaten Kay-Achim Schönbach droht das Bündnis, an seiner fehlenden Fokussierung festzuhalten. Vor weniger als einem Jahr war der Vizeadmiral der Mann, der zusammen mit Hans-Georg Maaßen die Gründung der Werteunion in Berlin bewarb. Nun ist er der Spitzenkandidat des Bündnis Deutschlands. Mit ihm stellt die Partei das Kriegs-Thema in den Mittelpunkt: Die Unterstützung der Ukraine sei richtig gewesen, aber jetzt sei Zeit für Diplomatie.

Diese Position wird nicht mobilisieren. Zum einen vertreten CDU, SPD und FDP bereits ähnliche Positionen und erhalten dafür deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Für kriegsmüde Wähler stellen die AfD rechts und das Bündnis Sahra Wagenknecht links bereits politische Alternativen dar. Wer eine bedingungslose Unterstützung der Ukraine will, kann die Grünen wählen. Alle Plätze sind also schon besetzt. Zum anderen wissen die deutschen Wähler, dass die Ukraine-Frage nicht in Berlin entschieden wird – sondern in Washington.

Das Bündnis hätte bessere Chancen, wenn es sich Prominenz hinzunimmt. Das geschieht bereits durch den Influencer Klaus Stadler, besser bekannt als „Mustang Klaus“. Oder durch den Schauspieler Jochen Horst, der wie Stadler für das Bündnis in den Bundestag einziehen will. Horst kennen die Zuschauer aus der RTL-Krimiserie „Balko“ oder aus Produktionen wie Tatort, Derrick oder Traumschiff. Horst sei aus Sorge vor einem Rechtsruck in Deutschland in die Politik gegangen, erzählt er. Um diesen zu verhindern, benötige es ein Angebot in der Mitte der Gesellschaft. Genau dort sieht sich Bündnis-Chef Große.

Und genau dort liegt das Thema, mit dem der Partei eine Fokussierung gelingen könne: Es ist die Wirtschaft. Hier ist es der erfolgreiche Publizist Krall, der auf eine Fokussierung hinauswill, statt weiter mit „Faxen dicke?! Wählt BD!“. Krall setzt darauf, den entschieden liberalen Kurs nach Deutschland zu bringen, mit dem Javier Milei als Präsident in Argentinien Erfolge feiert und ein scheinbar hoffnungslos ruiniertes Land allmählich wieder auf die Beine bringt.

Wie Milei in Argentinien sagt Krall in Deutschland: „Wir brauchen die Kettensäge.“ Es genüge eben nicht, zu sagen, man wolle Bürokratie reduzieren und Steuern senken. Grundsätzlich. Die Politik müsse das tun. Eben so entschieden wie Milei in Argentinien. Diese Botschaft hätte das Zeug zur Polarisierung und Fokussierung. Das zeigte sich Anfang Dezember, als Christian Lindner (FDP) den Testballon startete und im Staatsfernsehen davon sprach, mehr Musk (Tesla) und Milei zu wagen. Das linke Lager brach in Wutreden aus. Friedrich Merz machte gleich den Kotau vor besagtem linkem Lager und verbannte Musk und Milei wie jede entschiedene Reformpolitik hinter die „Brandmauer“. Lindner ließ das Thema leise sterben, will davon am liebsten gar nicht mehr reden und wenn er dazu gezwungen wird, spricht er den Namen Elon Musk gar nicht mehr aus, sondern faselt von „gewissen Unternehmern“.

Nach der Wahl werde sich nichts ändern, sagt Krall. Außer die Krise. Die wiederum werde als Folge davon noch deutlich schlimmer. Das Bündnis Deutschland müsse durchhalten. Die Bürger, die ihm jetzt noch nicht zuhören würden, würden dazu mit einer zunehmenden Krise immer stärker bereit. Um durchzuhalten, braucht die Partei aber bei der Bundestagswahl 0,5 Prozent und das damit verbundene Geld aus der Parteienfinanzierung. Sonst werden die mehr als 350.000 Euro an Verbindlichkeiten halt doch irgendwann zum Problem.

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