Seit neuestem wird in Deutschland offen über den hohen Krankenstand und die daraus resultierenden Fehltage debattiert. Nach Erhebungen des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) waren Arbeitnehmer im Jahr 2022 im Durchschnitt 22,6 Tage krank, 2010 waren es noch 13,2 Tage. Das ist auch im europäischen Vergleich eine außergewöhnliche Steigerung. Allein im vergangenen Jahr kostete die Lohnfortzahlung bei Krankschreibungen die Arbeitgeber laut dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln geschätzt rund 77 Milliarden Euro. Damit haben sich die Kosten im Vergleich zu 2010 verdoppelt. In den ersten sechs Wochen der Krankschreibung wird in Deutschland der Lohn weitergezahlt, danach springt die Krankenkasse ein. Allianz-Chef Oliver Bäte hat deshalb die Wiedereinführung eines Karenztages losgetreten. Am ersten Krankheitstag würden Arbeiter und Angestellte dann keinen Lohn mehr erhalten. Wer in Anreizen denkt, wird dem Vorschlag viel abgewinnen können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zahlen seit dem Jahr 2022 förmlich explodiert sind. Dass die Zahl der Krankentage mit der neuerdings bestehenden Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung korrespondiert, ist offensichtlich. Die sogenannte Bettkantenentscheidung, bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit zu Hause zu bleiben, fällt nun noch leichter.
Die (Wieder)einführung eines Karenztages wäre kein kaltherziger Kapitalismus. In Ländern wie Spanien und Schweden gibt es ihn. In Schweden ist bei Krankheit ferner gesetzlich nur eine Mindestfortzahlung von 80 Prozent des Lohns vorgesehen. Nicht zuletzt weisen Statistiken einige Auffälligkeiten aus: So sind jüngere Menschen der Altersgruppe 15 bis 25 Jahre rund doppelt so oft krank wie ältere ab 35 Jahren. Und in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen war im Jahr 2023 der Krankenstand unter Mitgliedern der Betriebskrankenkassen rund 50 Prozent höher als in Baden-Württemberg und Bayern. Das Argument gegen den Karenztag ist ebenfalls ökonomischer Natur. Denn Anreize haben manchmal eine zweischneidige Natur, und so könnten die Krankheitszeiten sogar steigen, wenn auch Kranke – um den Lohnausfall zu vermeiden – vermehrt zur Arbeit gingen und die Kollegen ansteckten. Auf jeden Fall sollte die telefonische Krankschreibung bei Atemwegsinfektionen so schnell wie möglich wieder abschafft werden.
Ein starker Arbeitsmarktbericht aus den USA belastete am Freitag den deutschen Aktienmarkt. Die Sorgen vor gegebenenfalls ausbleibenden Zinssenkungen wurden dadurch verstärkt, dass die US-Wirtschaft im Dezember deutlich mehr Arbeitsplätze geschaffen hatte als erwartet. Entsprechend ging die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten überraschend zurück. Mit einem Abschlag von 0,5 Prozent auf 20.215 Punkte behauptete er sich allerdings komfortabel über der 20.000-Punkte-Marke. In der Wochenbilanz wurde ein Plus von 1,6 Prozent eingefahren. Für den MDax mit den mittelgroßen deutschen Werten ging es am Freitag um 0,8 Prozent auf 25.371 Zähler bergab.
Im Dax setzten sich am Freitag Mercedes-Benz mit plus 3,7 Prozent an die Spitze. Der Autobauer hatte im abgelaufenen Jahr zwar weniger Fahrzeuge verkauft als im Vorjahr. In der jüngsten Kurs-Schwäche dürfte dies aber bereits eingepreist gewesen sein. Mit ihrer Erholung waren Aktien aus dem Autosektor am Freitag europaweit eine positive Ausnahme.
Auf der Gegenseite büßten die Aktien von Zalando als Dax-Schlusslicht 5,4 Prozent ein. Sie setzten damit ihren jüngsten Abwärtstrend fort. Analystin Georgina Johanan von JPMorgan rechnet zwar mit einem soliden Schlussquartal des Online-Modehändlers, hält dies aber schon für im Kurs abgebildet.
Umstufungen betrafen im Dax die Aktien der Deutschen Telekom , Wacker Chemie und Eon . Bei der Telekom rät UBS nun zum Kauf, die Titel legten als einer der wenigen Index-Gewinner um 0,6 Prozent zu. Für Wacker Chemie dagegen kassierte das Investmenthaus Stifel das Kaufvotum, die Aktien sackten um 6,3 Prozent ab.
Im Versorgerbereich büßten Eon nach einer Abstufung durch Bank of America 4,5 Prozent ein. Sie lagen damit in etwa gleichauf mit dem Energietechnikkonzern Siemens Energy. Dessen Papiere zollten weiter ihrer beeindruckenden Vorjahresrally Tribut und fielen um 4,6 Prozent.
Im MDax brachen die Aktien des Lkw-Herstellers Traton um mehr als neun Prozent ein. Die Blicke der Anleger richten sich auf die im März anstehende Veröffentlichung der Geschäftszahlen für 2024. Am Donnerstag hatte das Unternehmen dazu Analysten über aktuelle Entwicklungen informiert. Die Äußerungen des Managements hätten einen schwachen europäischen Markt und einen starken nord- und südamerikanischen Markt widergespiegelt, sagte Analyst Michael Aspinall vom Investmenthaus Jefferies.
Dem gegenüber stand im Index mittelgroßer Werte Ströer mit einem Kurssprung um knapp ein Fünftel. Ein Bericht über den möglichen Verkauf des Außenwerbegeschäfts hatte am Nachmittag die Aktien nach oben katapultiert. Laut einem Händler bringt es viel Fantasie in den Aktienkurs, sollte der Konzern den Bereich für den genannten Preis von 4 Milliarden Euro verkaufen.
Die Umlaufrendite stieg von 2,46 Prozent am Vortag auf 2,49 Prozent.
Die New Yorker Börsen erlitten am Freitag deutliche Verluste. Neben einem überraschend starken US-Arbeitsmarktbericht schürte das von der Universität Michigan erhobene Konsumklima, das gestiegene Inflationserwartungen der Verbraucher belegte, die Sorgen vor weiter hohen Zinsen. Der Leitindex Dow Jones Industrial schloss 1,6 Prozent tiefer mit 41.938 Punkten. Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 1,5 Prozent auf 5.827 Punkte bergab. Beim technologiewertelastigen Nasdaq 100 stand ein Abschlag von knapp 1,6 Prozent auf 20.847,58 Zähler zu Buche. In der verkürzten Börsenwoche erlitten Dow und Nasdaq 100 damit Kursabschläge von 1,9 beziehungsweise 2,2 Prozent. Am Donnerstag hatte wegen des Trauertags zu Ehren des verstorbenen Ex-US-Präsidenten Jimmy Carter kein Handel in New York stattgefunden.
In den USA war im Dezember die Beschäftigung stärker gestiegen als gedacht und die Arbeitslosenquote überraschend etwas gefallen. Die US-Notenbank Fed habe daher vorerst keinen Grund, die Zinsen weiter zu senken, sagte VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Laut Peter Graf, oberster Anlagestratege bei Nikko Asset Management Americas, könnte der aktuelle Arbeitsmarktbericht gar „das Ende dieses Lockerungszyklus der Fed einläuten“. Selbst eine Zinserhöhung der amerikanischen Währungshüter hält er als nächsten Schritt nicht mehr für ausgeschlossen.
Auf Unternehmensseite übertraf Delta Air Lines die Gewinnerwartungen der Analysten für die letzten Monate des Jahres 2024. Die Fluggesellschaft profitiert von Zuwächsen im internationalen sowie im Geschäfts-Reiseverkehr. Zudem dürfte die erhöhte Nachfrage laut Unternehmensangaben im neuen Jahr andauern. Die Anteilscheine sprangen um 9 Prozent hoch.
Die Drogerie- und Apothekenkette Walgreens Boots Alliance überzeugte ebenfalls mit ihrer Geschäftsentwicklung: Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn im ersten Geschäftsquartal übertraf die Erwartungen. Der Aktienkurs schnellte um fast 28 Prozent nach oben.
Einen Kurssprung von einem Viertel auf ein Rekordhoch legte Constellation Energy hin. Das Energieunternehmen begeisterte die Anleger mit einer Vereinbarung zur Übernahme des Branchenkollegen Calpine für 16,4 Milliarden US-Dollar.
Dagegen setzten sich die Gewinnmitnahmen bei Nvidia seit dem am Dienstag erreichten Rekordhoch fort: Die Aktien büßten weitere 3 Prozent ein. Der Chiphersteller, dessen Produkte bei KI-Anwendungen führend sind, kritisierte neue Exportbeschränkungen der scheidenden US-Regierung unter Präsident Joe Biden, die Kreisen zufolge bereits an diesem Freitag bekannt gegeben werden könnten. Andere Chiptitel wie On Semiconductor, AMD und Intel standen noch stärker unter Druck.
Die Anteilseigner von Constellation Brands mussten einen Kursrückgang von 17 Prozent verkraften. Damit sackten die Aktien des Brauereikonzerns auf den tiefsten Stand seit November 2020 ab. Das Unternehmen, das unter anderem für sein „Corona“-Bier bekannt ist, schockte die Anleger bei der Vorlage seiner Quartalszahlen mit einer gesenkten Umsatzwachstumsprognose.
Der Euro erlitt nach dem US-Arbeitsmarktbericht weitere Verluste und erreichte mit 1,0214 US-Dollar zeitweise den tiefsten Stand seit November 2022. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung in New York 1,0245 Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs auf 1,0304 Dollar festgesetzt.
Dagegen zogen die Renditen von US-Staatsanleihen weiter an. Mit 4,797 Prozent erreichte die Rendite für Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren den höchsten Stand seit November 2023.