Tichys Einblick
Kinderwunsch ohne Altersgrenze?

hart aber fair – Petra-Pan-Syndrom

Ist es Tenor einer Familienpolitik in einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt, weniger Kinder zu bekommen und stattdessen als fertige Erwachsene zu importieren?

Snapshot ARD

OK, wieder Plasberg-Zeit. Erdogan? Schulz? Nö. Oder Wölfe in Deutschland Teil II? Auch nicht. Aber fast. In dieser Runde geht’s um alte Wölfinnen und Wölfe wie Sigmar Gabriel. Der ist gerade wieder Vater geworden, hat wohl irgendein Gelübde abgelegt, wenn’s noch mal klappt, jedenfalls sichtbar abgespeckt und will nun kurz vor der 60 noch mal durchstarten. Alles noch mal neu erleben, was eigentlich nur in ein Leben passt. Einen Neuanfang wagen, beten und hoffen, dass man ein gutes Alter erreicht, das Abitur der Tochter, alles bei wachem Verstand miterleben kann.

Sie finden das gemein gegenüber Sigmar G.? Ist es aber nicht. Mit aller Nüchternheit dürfen wir annehmen, dass es im kultivierten Hause Gabriel so etwas wie eine Familienplanung gegeben haben muss. Dass man darüber nachdachte, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern in Deutschland bei etwas über 78 Jahren liegt (Frauen erreichen im Durchschnitt knapp 83 Jahre). Rein statistisch werden also die potentiellen Enkel Gabriels ihren Großvater nicht mehr kennen lernen.

Wie gut ist das aber alles, fragt nun Frank Plasberg. Sigmar hat allerdings keine Zeit für Plasberg. Liest er seiner Tochter vor, damit seine fast zwanzig Jahre jüngere Ehefrau mal ein paar Stunden außer Haus ausspannen kann? Oder erklärt er als neuer Außenminister seinem türkischen Amtskollegen gerade, dass fünf Kinder für Türken in Deutschland doch etwas viel wären? Den besseren Draht als Vorgänger Steinmeier hat er vielleicht zu Mevlüt Çavuşoğlu, schließlich war er in erster Ehe mit einer Türkin verheiratet samt gemeinsamer Tochter. Meint Erdogan eigentlich die Tochter Gabriels auch? Ist sie als Tochter einer Türkin auch Adressatin von „Ihr seid die Zukunft Europas!“? Na, das wäre ja was. Da hätte unser Außen ja gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Mit 50 noch mal Mutter

Nein, Plasberg hat Caroline Beil zu Gast. Die wird mit 50 noch mal Mutter. In Gottes Namen … oder hat die Medizin geholfen? Erfahren wir gleich. Dabei ist ferner die Regisseurin Ina Borrmann. Sie hat vor einiger Zeit eine Art Autobio-Dokumentarfilm gedreht über die physische und psychische Mühsal ihres späten Kinderwunsches. Ebenfalls in der Runde Dr. Jürgen Puchta, Michaela Freifrau Heeremann und Prof. Dr. Giovanni Maio. Was die letzteren so zu sagen haben, finden wir mal im Laufe der Sendung heraus. Der Moderator ist übrigens gegabrielt, auch er hat seit 2011 einen zweiten Sohn. Er mag jünger aussehen als Sigmar Gabriel, ist aber laut Wikipedia Stubenältester, auch wenn er sich in der Sendung als 53-jähriger ausgibt. Sein Sohn darf also nach dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit auch nicht darauf hoffen, mit grauen Haaren dem Vater noch mal zärtlich die Schnabeltasse anzureichen. Also, lassen wir den sympathischen Spätzünder mal anmoderieren. Noch ist ja alles topfit im Oberstübchen. (Nachtrag: Unsere Kommentatorin „Elli Killi“ hat natürlich recht, Frank Plasberg ist 1957 geboren. Wenn in der Sendung Zuschauer befragt werden, was sie von einem 53-jährigen Vater halten, dann hat man sich dabei auf die Zeit der Geburt des Kindes bezogen. Tatsächlich war Plasberg damals 53 und ist heute älter als Sigmar Gabriel. War er aber schon sein ganzes Leben lang. Er sieht nur frischer aus.)

Natürlich geht es hier um Frauen und Karriere und nicht um Sigmars oder Franks Vermehrungslehre. Eher um die Idee, die Ungerechtigkeit des Kinderkriegens als Karrierestopper so weit wie möglich nach vorne zu schieben, klärt uns Plasberg auf.

Aber wie ist es mit den Müttern? Wie riskant ist es kurz vor den Wechseljahren noch alles auf eine Karte zu setzen? Oder sogar die Wechseljahre künstlich zu verhindern, bis es klappt? Caroline Beil findet das den Frauen gegenüber ungerecht, dass die Sache mit dem Kinderkriegen endlich ist und man laut Lebenserwartung dann über 30 Jahre unfruchtbar herumlaufen muss.

Social Freezing, Eizellen einfrieren um Karriere zu machen? Frau Beil findet es wunderbar. Die katholische Freifrau weniger. Klar. Aber wie egoistisch ist was? Frau Beil hat einen jüngeren Partner, beruft sich auf ihre über 90 Jahre alt gewordenen Großmutter und möchte über einhundert Jahre alt werden. Klingt nun leider wie ein therapiebedürftiges Petra-Pan-Syndrom.

Schuld sind die Männer

Die Persönlichkeit ist wichtiger als das Alter, erklärt der Medizinethiker Porf. Maio. Auch klar: Schuld sind die Männer. Die würden das Kinderkriegen immer verzögern. Die Frauen würden sich nicht trauen, früher Kinder zu kriegen. „Sie opfern das individuelle Familienglück gegenüber einem Erwerbsdruck.“ Ja?

Frau Baumann hat viele Jahre verzweifelt versucht, Mutter zu werden. Nun hat es geklappt. Sie spürte immer so einen Gebärdruck von außen, dann kam der Wunsch aus dem tiefsten Inneren, als sie 39 war. Es hatte viel mit dem passenden Partner zu tun, der richtige kam halt erst spät. Jeder soll fünfzig Prozent übernehmen bei der Kinderarbeit, erklärt sie. Klar, denkt man, da muss sie natürlich erst einmal einen finden, der das mitmacht.

Den wenigsten ist übrigens klar, dass eine Schwangerschaft in zunehmendem Alter ein Lotteriegewinn ist. Mit 41 Jahren ist jede zweite Frau biologisch nicht mehr fruchtbar, weiß ein Einspieler. Dr. Jürgen Puchta ist Reproduktionsmediziner, weiß allerdings, dass sich die Geburten in diesem Alter heute verdreifacht hätten. Und sogar auf natürliche Weise. Früher war das Kind mit über 40 eben das letzte Kind. Da hat er sein Können aber unter den Scheffel gestellt.

„Es ist beschämend, dass so ein reiches Land wie Deutschland den Frauen nicht die Zeit lässt“, findet Freifrau Heeremann. „Wir bräuchten eine frauenfreundliche Wirtschaftspolitik.“ Natürlich, da sitzt mit Frau Beil eine Privilegierte, eine gut Verdienende.  Der junge Vater ist Zahnarzt, Geld also wohl im Strumpf für eine gemütliche Kinderauszeit.

Des Geldes wegen später

Also was diskutiert man da nun eigentlich? Der Medizinethiker erklärt langatmig die Belastungen künstlicher Befruchtungen, während man so denkt: Ach, hätten wir doch in so einem Moment mal einen deutschen Erdogan, der würde Kinder anordnen und zack, würden sie entstehen. Warum geht das bei uns eigentlich nicht? Na klar, weil wir die sind, deren Frauen arbeiten gehen und eben dafür sorgen, dass Gelder zur Verfügung stehen, damit sich andere befehlsmäßig vermehren können.

Und wieder andere diskutieren engagiert, ob nun Homosexuelle adoptieren dürfen usw. Wie ist es eigentlich mit dem aktuellen Adoptionsrecht? Dürfen der potentielle Opa und die Oma noch adoptieren? Laut bürgerlichen Gesetzbuch muss man mindestens 25 Jahre alt sein. Eine Grenze nach oben gibt es nicht, aber die Chancen sinken dennoch. Leitsatz ist: „Die Altersdifferenz zwischen Adoptivkind und Eltern sollte nicht mehr als 40 Jahre betragen.“

Luxus Kinder
Armutsbericht: Die Vermachtung der Kinderlosen
„Ehe fühlt sich ohne Kind eher wie eine Konstruktion an, als wie eine Familie“, berichtet die Filmemacherin aus eigener Erfahrung. Unfreiwillig mag sie damit auch die Aufgabe der Ehe formuliert haben. Aber die katholische Freifrau springt leider nicht drauf an. Wahrscheinlich ist sie auch froh, dass ihr die angedachte Buhfraurolle erspart bleibt. Möglicherweise hätte man die Vielfach-Mutter Frauke Petry einladen sollen, dann wäre das Konfliktpotential per Se größer und die Sendung spannender geworden. Ach, das wäre doch was gewesen.

Das Embryonenschutzgesetz regelt in Deutschland, was man darf und was nicht. So sind z.B. Eizellenspenden verboten. Ärzten droht Gefängnis. Spermaspenden sind allerdings erlaubt. Bei der Eizellenspende gibt es zwei Mütter, die austragende und die Spenderin. Was wieder wenige wissen, es gibt wohl einen, wenn auch geringeren, genetischen Austausch auch von der austragenden Mutter zum Embryo hin. Nun gut. Man kann nicht sagen, dass, was hier gerade verhandelt wird, weniger spannend ist, als sich wie letztens über Wölfe in Deutschland zu unterhalten. Aber in so stürmischen politischen Zeiten, wie wir sie aktuell erleben, fühlt man sich mit solchen Themen zu dieser prominenten Sendezeit aufs Nebengleis gestellt.

Kinder kriegen oder importieren

Ein nachgereichtes Thema. Davor steht doch die viel wichtigere Frage, wie wir es in Deutschland schaffen und ob wir es überhaupt schaffen sollten, wieder mehr Kinder zu bekommen auch ohne Erdogan-Befehl. Wir haben ja noch nicht vergessen, wie wir quer durch fast alle Parteien und Medien beispielsweise eine Million neu eingewanderte Menschen begrüßt haben mit der Hoffnung, dass damit die fehlenden deutschen Geburten ausgeglichen und also die Renten der Deutschen gesichert seien.

Mittlerweile scheint es tatsächlich Tenor einer Familienpolitik in einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt zu sein, dass mit diesem Erfolg automatisch verbunden zu sein scheint, weniger Kinder zu bekommen und dass man diese Kinder stattdessen importieren muss als fertige Erwachsene. Was für ein alternativer Staatsbankrott eigentlich. Da darf man Sigmar Gabriel ja fast schon wieder dankbar sein, dass er  sich in so hohem Alter noch fürs Vaterland geopfert hat. Soll er lange leben. Nicht im Amt, sondern als liebender Vater.

p.s.: Frank Plasberg möge doch bitte noch den Dissens mit seinem wahren Alter auflösen. Sein Kind hat ja nicht nur ein Anrecht auf den alternden Vater, sondern auch darauf, zu wissen, wie alt der Alte nun wirklich ist.

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