In der vergangenen Woche verlor der Euro verlor gegenüber dem US-Dollar knapp 1 Prozent und fiel mit 1,022 US-Dollar auf den niedrigsten Stand seit dem 21. November 2022. Seit seinem lokalen Höchstwert im September 2024 verzeichnete das Währungspaar EUR/USD einen deutlichen Rückgang von 9 Prozent innerhalb von drei Monaten. Hauptursache für diese Entwicklung, sind die anhaltend schwache Konjunktur in der Eurozone sowie die unterschiedlichen geldpolitischen Ausrichtungen der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB).
Bereits im November des vergangenen Jahres korrigierten Analysten zahlreicher Banken ihre Prognosen für den Euro weiter nach unten. Zwar könnte ein schwächerer Euro die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Exporteure stärken, da ihre Produkte auf den globalen Märkten günstiger werden. Doch diese kurzfristigen Vorteile werden schnell von gravierenden Nachteilen überschattet: Unternehmen und Verbraucher sehen sich mit massiv steigenden Kosten für Importe konfrontiert – insbesondere bei Rohstoffen, die größtenteils in US-Dollar gehandelt werden, was den Einkauf in Euro erheblich verteuert.
Geldpolitische Differenzen: Fed will Zinsen weniger stark senken
Besonders die Aussagen der US-Notenbank Fed vom 18. Dezember 2024 sorgten für Verunsicherung: Statt umfassender Zinssenkungen im Jahr 2025 plant die Fed angesichts der relativ robusten US-Wirtschaft maximal zwei moderate Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte. Im Vergleich dazu ist die EZB gezwungen, weitaus aggressiver vorzugehen, um die schwächelnde Konjunktur in Europa anzukurbeln.
Während die Inflationsrate in den USA im Dezember 2024 bei 3,4 Prozent lag, verzeichnete die Eurozone lediglich 2,4 Prozent, was der EZB Spielraum für tiefere Zinssenkungen lässt. Die europäische Wirtschaft benötigt dringend Impulse, um die Kreditvergabe und Investitionen anzukurbeln, während die Fed aufgrund der soliden US-Konjunktur darauf achten muss, keine Überhitzung der Wirtschaft zu riskieren.
In den USA könnte ein zu starkes Absenken der Zinsen die Inflation weiter anheizen und gefährliche Marktverzerrungen hervorrufen. Eine drohende Blasenbildung, ähnlich der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende, ist ein realistisches Szenario.
Besonders im Technologiesektor sind Überbewertungen schon jetzt sichtbar – etwa bei Halbleiterherstellern wie Nvidia, deren Aktienkurs sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreißigfacht hat. Zwischenzeitlich war das Unternehmen sogar das Wertvollste an der Börse. Analystin Kimberly Forrest, Gründerin und CIO von Bokeh Capital Partners, warnt vor einer realen Gefahr durch eine überbewertete Tech-Branche.
Vor diesem Hintergrund wird die Fed vorsichtiger agieren, während die EZB in den kommenden Monaten mutigere Zinssenkungen durchführen dürfte. Diese ungleichen Maßnahmen beeinflussen die Kapitalströme stark zugunsten der USA: Durch die Zinssenkungen der EZB sinken gleichzeitig auch die Zinsen auf Spar- und Festgeldkonten in der Eurozone. Anleger könnten ihr Geld darum zunehmend aus Europa abziehen, um es in den lukrativeren US-Markt oder risikoreichere Anlagen wie Aktien, Immobilien oder Kryptowährungen zu verlagern.
Konjunkturflaute in Eurozone belastet die Gemeinschaftswährung
Abgesehen von den geldpolitischen Differenzen gibt besonders die aktuelle Konjunkturflaute in der Eurozone Anlass zur Sorge. Besonders in Deutschland kämpft die Wirtschaft mit einer Stagnation. 2025 wird der einstige Wirtschaftsmotor Europas wohl das dritte Jahr in Folge in der Rezession verbringen. Das Handelsblatt Research Institute (HRI) prognostiziert in seiner aktuellen Konjunkturanalyse, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Der Grund: Die deutsche Industrie verliert zunehmend ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten, vor allem gegenüber chinesischen Unternehmen, die in zahlreichen Schlüsselbereichen den Ton angeben.
Ein gutes Beispiel liefert die Automobilbranche. Hersteller wie Volkswagen, Mercedes oder BMW geraten immer stärker ins Hintertreffen, insbesondere beim Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu chinesischen Konkurrenten. Die Umstellung auf E-Mobilität als Teil der grünen Transformation hat den traditionellen Verbrennungsmotor, lange Zeit ein Symbol deutscher Ingenieurskunst, verdrängt – und damit auch die Führungsrolle Deutschlands in der Branche. Das Ganze ist besonders bedrückend, da die Automobilindustrie das wirtschaftliche Rückgrat der Eurozone bildet. Im dritten Quartal 2024 trug die Automobilindustrie mehr als 7 Prozent zum EU-weiten Bruttoinlandsprodukt bei. Zudem hängen nahezu 14 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt von den Herstellern und Zulieferern ab.
Ein weiterer Grund für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen sind die explodierenden Energiekosten. Vornehmlich in Deutschland sind diese durch die Energiewende stark angestiegen. Der zunehmende Anteil erneuerbarer Energien am Strommix – mittlerweile mehr als 50 Prozent – bringt große Ineffizienzen und Abhängigkeiten mit sich. Die Folge sind explodierende Strompreise an der Strombörse.
Zur grünen Ideologiepolitik gesellen sich überbordende Regulierungen durch EU-Bürokraten sowie radikal hohe Steuersätze. Diese Faktoren machen es für viele Unternehmen in der Eurozone so gut wie unmöglich, profitabel zu wirtschaften und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Auch der Wert des Euros leidet folglich darunter.
Parallelen zur Eurokrise: Steht der Euro vor einer steilen Talfahrt?
Die aktuellen Entwicklungen in der Eurozone könnten eine Situation heraufbeschwören, die den Ereignissen der Eurokrise zu Beginn der 2010er Jahre nahekommt.
Die Eurokrise hatte ihren Ursprung in der globalen Finanzkrise von 2008. Als im darauffolgenden Jahr die wahre Haushaltslage Griechenlands ans Licht kam, löste dies Schockwellen aus. Ende 2009 stellte sich heraus, dass das griechische Haushaltsdefizit mit 15,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) weit höher war als zuvor erwartet. Der gesamte Schuldenstand belief sich auf mehr als 120 Prozent des BIP – die höchste Verschuldung innerhalb der Eurozone zu diesem Zeitpunkt. Zum Vergleich: Deutschland wies im selben Jahr eine Schuldenstandsquote von 73 Prozent und ein Haushaltsdefizit von 3,0 Prozent auf.
Doch Griechenland war kein Einzelfall. Auch Länder wie Portugal, Spanien und Italien hatten jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Ausgaben durch Kredite finanziert. Die wirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise führten dazu, dass diese Länder ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Investoren verloren das Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit der Länder, was zu steigenden Risikoaufschlägen für Staatsanleihen führte.
Diese Vertrauenskrise in den europäischen Währungsraum ließ den Euro massiv an Wert verlieren. Zwischen 2008 und 2014 sank der Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar um fast 35 Prozent. Der Euro hat seither nie wieder den Rekordwert von 1,6038 US-Dollar erreicht, den er im Jahr 2008 verzeichnete.
Auch heute stehen die Zeichen auf Sturm. Die Eurozone kämpft mit wirtschaftlicher Stagnation, einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und zunehmenden regulatorischen Hürden. Hinzu kommt die steigende Staatsverschuldung, auch in Deutschland: Nachdem die Bundesrepublik über viele Jahre hinweg erfolgreich ihre Schulden abgebaut hatte, kehrte sich der Trend ab 2020 um. Seitdem stieg die deutsche Staatsverschuldung um mehr als 500 Milliarden Euro an. Ende des vierten Quartals 2024 belief sich die Gesamtverschuldung auf mehr als 2,5 Billionen Euro.
Kommt die Parität zum US-Dollar?
Doch wie tief kann der Euro im Vergleich zum Dollar noch fallen? Viele Analysten halten es für wahrscheinlich, dass das Euro-Dollar-Paar im Jahr 2025 erneut die Parität erreicht – ein Niveau, das zuletzt im Jahr 2022 während der Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts beobachtet wurde. Von Parität spricht man, wenn der Wechselkurs bei 1:1 liegt.
Die Devisenexperten der DZ Bank gehen laut Handelsblatt davon aus, dass Dollar und Euro innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate gleichziehen werden. Auch in der zweiten Jahreshälfte 2025 erwartet die Bank keine Erholung des Euros.
Sollte die Parität zum US-Dollar tatsächlich eintreten, wäre das ein symbolischer Tiefpunkt für die Gemeinschaftswährung. Dies würde die Importkosten in die Höhe treiben, die Lebenshaltungskosten weiter belasten und die Kaufkraft der Verbraucher schwächen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Sind die Tage des Euros als verlässliche Gemeinschaftswährung gezählt?