Tichys Einblick
Die USA dominieren das Marktgeschehen

Nur noch drei deutsche Unternehmen unter den Top-100 Börsenkonzernen

Zum Jahresende 2024 dominieren US-Unternehmen die Rangliste der börsennotierten Konzerne mit der höchsten Marktkapitalisierung. Deutschland enttäuscht mit nur noch drei Unternehmen in diesem Ranking. Die schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik tritt immer deutlicher zutage.

Neben SAP gehören aus Deutschland noch Siemens und die Deutsche Telekom zu den 100 wertvollsten Börsenkonzernen weltweit

picture alliance / Sipa USA | SOPA Images

Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY schafften es zum Stichtag 31. Dezember 2024 lediglich drei deutsche Unternehmen in die Liste der 100 wertvollsten Börsenkonzerne weltweit: SAP, Siemens und die Deutsche Telekom.

Unangefochten an der Spitze rangiert US-Konzern Apple mit einem Börsenwert von rund 3,78 Billionen Dollar, gefolgt von Nvidia (3,28 Billionen Dollar) und Microsoft (3,13 Billionen Dollar). Die restlichen Plätze in den Top 10 werden von der Google-Mutter Alphabet, dem Versandriesen Amazon, dem Internetkonzern Meta (früher Facebook), Fahrzeughersteller Tesla, Halbleiter-Produzent Broadcom und der Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway eingenommen – allesamt US-Unternehmen. Lediglich der saudi-arabische Ölkonzern Saudi Aramco auf Platz sechs unterbricht diese Dominanz.

Die monopolartige Führungsposition der USA zeigt sich auch in den „Top30‟ klar: Unter den 30 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung stammen lediglich vier nicht aus den Vereinigten Staaten – Saudi Aramco, TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing), Tencent und Novo Nordisk.

Nach einer aktuellen Analyse entfallen 62 der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt auf die Vereinigten Staaten. Im Vergleich dazu wirken deutsche Börsenschwergewichte wie Zwerge: Der Börsenwert von Apple allein, der bei nahezu 3,8 Billionen Dollar liegt, übertrifft den aller 40 DAX-Konzerne zusammen bei Weitem, wie die EY-Studie eindrücklich belegt.

Deutsche Unternehmensbewertungen sinken: Automobilindustrie schwächelt

Des Weiteren ist die Zahl der deutschen Vertreter unter den 300 wertvollsten Börsenunternehmen der Welt drastisch geschrumpft – von 11 Ende 2023 auf lediglich fünf zum Jahreswechsel 2024. Vor allem die Krise in der Autoindustrie hat ehemalige Börsengiganten wie Porsche, Mercedes-Benz, VW und BMW aus dem Rennen geworfen.

Die forcierte Umstellung auf E-Mobilität hat bei den deutschen Automobilherstellern erhebliche Umsatzeinbußen verursacht. Im dritten Quartal 2024 sank der Umsatz der drei großen deutschen Autobauer VW, Mercedes-Benz und BMW um sechs Prozent. Besonders aufschlussreich: Der Absatz von Elektroautos in Deutschland brach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29 Prozent ein.

Auch die Gewinnentwicklung zeichnet ein düsteres Bild. Der Konzerngewinn von BMW stürzte im dritten Quartal 2024 – unter anderem aufgrund der mangelnden Nachfrage nach E-Autos – um 84 Prozent, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab. Beim Wolfsburger Volkswagen-Konzern brach der Gewinn um 63,7 Prozent ein, während Mercedes einen Rückgang von 53,8 Prozent verzeichnete. Besonders bedrückend ist, dass auch in den ersten beiden Quartalen des Jahres ähnliche Einbußen bei Umsatz, Absatz und Gewinn zu beobachten waren. Offizielle Daten für das vierte Quartal liegen bislang nicht vor.

VW-Aktie blutet aus: Aktionäre kehren deutschen Autobauern den Rücken

Die enttäuschenden Zahlen, die deutsche Autobauer in den letzten Monaten, aber auch in den letzten Jahren verzeichneten, veranlassten viele Aktionäre dazu, den deutschen Automobilwerten den Rücken zu kehren. Besonders dramatisch ist der Absturz der Volkswagen-Aktie zu beobachten: Seit ihrem Höchststand von knapp 250 Euro im April 2021 fiel der Kurs auf 86 Euro (Stand: 3. Januar 2024).

Trotz des aktuell optimistischen Marktsentiments durch die multiplen Leitzinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2024 blieb eine Kurserholung bei VW aus. 2024 senkte die EZB die Zinsen insgesamt viermal, jedes Mal um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte). Die Fed nahm drei Zinssenkungen vor, davon einmal um 50 Basispunkte und zweimal um jeweils 25 Basispunkte.

Die VW-Aktie rutschte weiter ab – ein klares Zeichen für die tiefgreifenden Probleme, mit denen VW zu kämpfen hat. Laut Finanzchef Arno Antlitz fehlen dem Konzern aufgrund der schwachen Nachfrage nach Elektroautos allein in Europa die Umsätze aus über 500.000 nicht verkauften Fahrzeugen. Die Situation ist derart gravierend, dass zehntausende Arbeitsplätze und zahlreiche Produktionsstandorte in akuter Gefahr schweben.

Die seit 1984 bestehende Sicherung gegen betriebsbedingte Kündigungen wurde kürzlich aufgehoben. Ab Juli 2025 stehen somit massenhaften Entlassungen keine vertraglichen Hürden mehr im Weg. Wie das Manager Magazin berichtet, könnte Volkswagen in nächster Zeit bis zu 30.000 Stellen in Deutschland streichen – das entspräche rund einem Viertel der gesamten deutschen Belegschaft.

Bayer: Vom „Börsenstar‟ in die Verlustzone

Die Geschichte des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer ist ebenfalls ein Paradebeispiel für den Absturz eines einstigen deutschen Überfliegers. Nach einem Tiefstand im Jahr 2003, als eine Bayer-Aktie lediglich neun Euro wert war, erlebte der Konzern einen beeindruckenden Aufschwung. Der Kurs stieg über die Jahre um mehr als 1.000 Prozent und erreichte 2015 mit über 130 Euro pro Aktie seinen Höhepunkt. In dieser Zeit etablierte sich Bayer als globaler Spitzenreiter in der Chemie- und Pharmaindustrie.

Doch seitdem ist der Wert der Aktie massiv eingebrochen. Aktuell liegt der Kurs bei nur noch 18,99 Euro (Stand: 4. Januar 2025). Von einer einstigen Marktkapitalisierung von 120 Milliarden Euro bleiben heute lediglich rund 18 Milliarden Euro übrig. Allein im vergangenen Jahr hat die Bayer-Aktie über 40 Prozent ihres Wertes verloren und führt damit die Liste der größten Verlierer im DAX an. Im Vergleich zum Rekordhoch von 2015 beläuft sich der Kursverlust auf rund 85 Prozent.

Obendrein gerät Bayer zunehmend ins Visier von „Short-Sellern‟. Aktionäre setzen in großem Stil auf fallende Kurse, und auch institutionelle Anleger sehen für den Konzern kaum Hoffnung. Jüngst platzierte der US-Hedgefonds D.E. Shaw eine „Short-Wette‟ im Wert von 102 Millionen Euro auf Bayer – ein klares Indiz dafür, dass weitere Kursverluste erwartet werden.

Wie konnte es so weit kommen? Ein folgenschwerer Fehler in der Unternehmensstrategie von Bayer war die Übernahme des US-Konzerns Monsanto im Jahr 2018. Mit dem Ziel, seine Position im Agrarsektor auszubauen und sich als weltweit führender Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln zu etablieren, kaufte Bayer das Unternehmen. Doch die Akquisition war von Anfang an mit erheblichen Risiken behaftet, insbesondere wegen Monsantos umstrittener Produkte wie dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Nach der Übernahme sah sich Bayer einer Flut von Klagen gegenüber, die auf die Gesundheitsrisiken von Glyphosat zurückzuführen waren. Mehrere Gerichtsverfahren führten zu hohen Schadenersatzzahlungen, die das Unternehmen bis heute finanziell belasten.

Zusätzlich kämpft Bayer, wie viele deutsche Unternehmen, mit den schwierigen Standortbedingungen. Hohe Energiepreise und Steuern sowie komplexe Bürokratie und Regulierungen – vor allem auf EU-Ebene – erschweren das profitable Wirtschaften. Der Stopp des Gastransits aus Russland ist für Bayer als einen der größten Gaskonsumenten Deutschlands ebenfalls eine Belastung. Zudem wird die Erhöhung der CO2-Bepreisung von 45 auf 55 Euro pro Tonne in diesem Jahr die Betriebskosten für den Konzern weiter in die Höhe treiben.

Volkswagen und Bayer stehen sinnbildlich für die wirtschaftlichen Probleme und den Niedergang der deutschen Wirtschaft. Die Wettbewerbsfähigkeit des einstigen Wirtschaftsmotors Europas schwindet zunehmend.

Europa auf dem absteigendem Ast, auch asiatische Unternehmen wackeln

Das Phänomen der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch nicht nur auf Deutschland beschränkt: Auch Europa und Asien verlieren an den Börsen zunehmend Einfluss. Von den 100 wertvollsten Unternehmen weltweit haben lediglich 18 ihren Hauptsitz in Europa. Angeführt wird diese kleine Gruppe vom dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk. Aus Asien stammen 17 Unternehmen in der Top-Liste, angeführt vom taiwanesischen Halbleiterhersteller TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing).

Zum Vergleich: Im Jahr 2007, vor der globalen Finanzkrise, hatten noch 46 der 100 größten Unternehmen ihren Sitz in Europa, während die USA lediglich 32 stellten. Heute ist der Niedergang der europäischen Wirtschaft unübersehbar, und die globale Machtverteilung wird zunehmend unausgewogener.

Einzig China kann sich im Wettstreit mit den USA behaupten. Namen wie der Onlinehändler Alibaba, der Technologiekonzern Tencent Holdings und die Industrial and Commercial Bank of China zählen zu den wenigen asiatischen Schwergewichten, die den Börsenriesen aus den Vereinigten Staaten Paroli bieten können. Insgesamt stellt die aufstrebende Volkswirtschaft aus dem Reich der Mitte neun der 100 wertvollsten Börsenunternehmen.

Abstieg einer Industrienation: Wie Deutschland im globalen Wettbewerb zurückfällt

Die schwindende Präsenz deutscher Unternehmen unter den weltweit wertvollsten Börsenschwergewichten verdeutlicht die Probleme der heimischen Wirtschaft. Hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie und horrende Steuersätze belasten Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie erheblich.

Im Vergleich zur Vormachtstellung der USA und der Aufholjagd Chinas droht Deutschland den Anschluss an den globalen Wettbewerb zu verlieren. Der Niedergang Deutschlands ist ein Weckruf, den wirtschaftspolitischen Kurs grundlegend zu überdenken, um den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern. Es braucht Änderungen in Deutschland und das schnellstmöglich, denn Deutschland schafft sich zunehmend ab.

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