Diesmal hat sich Frank-Walter Steinmeier besonders ins Zeug gelegt, er hätte sich zumindest ins Zeug legen müssen. Seine Ansprache war bereits aufgezeichnet, da tötete der behördenbekannte „Arzt“ Saudi Taleb A. am 20. Dezember um 19 Uhr fünf Menschen, als er mit einem Leihwagen 400 Meter weit durch die Menschenreihen am Magdeburger Weihnachtsmarkt raste. Die Weihnachtsansprache des Staatsoberhauptes musste schnell umgeschrieben und neu aufgezeichnet werden. Man merkt es ihr an: Es wurde zu „Magdeburg“ einleitend etwas dazugestückelt: 375 Wörter sind es. Der Rest (667 Wörter) dürfte gleichgeblieben sein. Was weggefallen ist, lassen die verbliebenen 667 Wörter oder auch die früheren Weihnachtsansprachen Steinmeiers erahnen.
Ja, das Staatsoberhaupt legt sich diesmal mehrfach in Zeug. Bereits am 23. Dezember wünschten Bundespräsident Steinmeier und Gattin Elke Büdenbender „friedvolle Weihnachten und besinnliche Feiertage“. Gemeinsam laden sie dann ein zu „Weihnachten mit dem Bundespräsidenten“ – am Heiligabend um 18:00 Uhr im ZDF. In einem Gespräch mit dem offenbar unvermeidlichen Moderator Johannes B. Kerner, das nach den Ereignissen des Wochenendes aufgezeichnet wurde, betont der Bundespräsident: „Wir alle trauern gemeinsam mit denjenigen, die ihre Liebsten verloren haben und wir wünschen den Verletzten baldige und vollständige Gesundung. Es kommt jetzt darauf an, dass wir der Gewalt gemeinsam entgegentreten und dass wir zusammenstehen in einer solchen Zeit.“
Dann also die Weihnachtsansprache. Steinmeier sagt: „Über diesem Weihnachtsfest liegt auch ein dunkler Schatten. Trauer, Schmerz, Entsetzen, Fassungslosigkeit über das, was wenige Tage vor Weihnachten in Magdeburg geschehen ist.“ An die Angehörigen gerichtet: „Sie sind mit Ihrem Schmerz nicht allein. Die Menschen überall in unserem Land fühlen und trauern mit Ihnen.“ Zu den Helfern sagt er: „Ich danke Ihnen, den Polizisten und Feuerwehrleuten, Sanitätern und Ärztinnen (sic!), den Seelsorgern und allen, die mitgeholfen haben. Ich danke Ihnen im Namen unseres ganzen Landes!“ Diesen Teil der Ansprache beendet Steinmeier für „heute“ mit dem „inständigen Wunsch“: „Lassen wir das nicht zu! Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben. Lassen wir uns nicht auseinandertreiben. Stehen wir zusammen! Zusammenhalt, wenn es darauf ankommt, das ist es doch, was unser Land ausmacht. Und: Zeigen wir das – gerade jetzt!“
Was hier formuliert wird, ist nicht falsch, mag empathisch wirken. Aber Steinmeier sagt, was die Scholzens, Merzens, Haseloffs, Faesers, Habecks und Co. auch schon x-mal gesagt haben. Nicht mehr und nicht weniger. Gerade eben das Notwendige und Übliche. Was übrigens nicht nur zu „Magdeburg“ zig-fach gesagt wurde, sondern auch zu „Mannheim“ und dem islamistischen Mord an dem 29-jährigen Polizisten Rouven Laur und zu Solingen und dem islamistischen Mord an den Festbesuchern Ines W., 56, Florian H., 56, und Stefan S., 67. Den millionenfachen Zorn, die Wut der Menschen erfasst er nicht. Ein Staatsoberhaupt müsste für diesen Zorn, diese Wut ob politischen und offensichtlichen behördlichen Versagens zumindest ein wenig Verständnis aufbringen und dies zum Ausdruck bringen. „Zusammenstehen!“ (Scholz: „Unterhaken!“) reicht nicht. Das klingt verdächtig nach: „Gehen Sie ruhig – untergehakt? – weiter, es gibt nichts zu sehen!“
667 Wörter plätschert Steinmeiers Rede dann weiter. Echte Worte sind kaum darunter. Ein wenig „immer noch Krieg in der Ukraine, im Nahen Osten ….“ Und: „Der Ton in unserem Land ist im Alltag rauer geworden, zuweilen sogar unversöhnlich.“ Steinmeier vergisst zu sagen: Die abgehobenen Regierenden sind immer dünnhäutiger und unfähiger zu Selbstkritik geworden. Zu Hunderten ziehen sie kritische Bürger mit Strafanzeigen vor die Ermittlungsbehörden. Da reicht es nicht, wenn Steinmeier sagt: „Wir müssen offen aussprechen, was schlecht läuft, was in unserem Land nicht so funktioniert, wie es funktionieren könnte und sollte … Und vor allem: was dringend getan werden muss.“ Das sind Placebo-Sedativa-Kügelchen.
Kein Wort Steinmeiers auch zu den materiellen Sorgen von Hunderttausenden vom Menschen und Familien, die der Verlust von Arbeitsplätzen und die Teuerungsraten peinigen. Und kein Wort Steinmeiers zu den besorgten Eltern, deren Töchter und Söhne am Abend mal außer Haus sind, um sich mit Gleichaltrigen zu treffen. Am Ende aber: „In diesem Sinne wünschen meine Frau und ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest.“ Das sagt der Hausherr des Schlosses Bullerbü, pardon: Bellevue.
Rückblende: Steinmeier appelliert: „Lassen wir uns nicht auseinandertreiben!“. Aber Steinmeier tut nichts dagegen, dass sich 25 bis 35 Prozent der Menschen nicht mehr von der arrivierten Parteienlandschaft (und den arrivierten Medien) repräsentiert sehen. Im Gegenteil: Am 12. November 2024, wenige Tage nach dem Bruch der „Ampel“, holt sich Steinmeier die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU/CSU und „Grünen“ in sein Schloss, um die Lage inklusive möglicher Neuwahlen zu sondieren. Oder vorab schon mal mögliche Koalitionen zu diskutieren? Drei Fraktionen bzw. parlamentarische Gruppen saßen nicht mit am Tisch: AfD, Linkspartei und BSW. Diese holte sich Steinmeier – einzeln, getrennt und wie in Quarantäne – gut fünf Wochen später, am 19. Dezember ins Präsidialamt. Steinmeier, Frank-Walter, wollte er nicht Spalter zur Raison bringen?
Aber mit dem Spalten hatte Steinmeier schon Anfang des Jahres angefangen: Er dankte am 21. Januar 2024 den „Bürgerinnen und Bürgern, die am Wochenende ihre Stimme gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus erhoben haben“. Es sei allerdings nicht vergessen: All diese, fast ausschließlich grün-rot-woke besetzten Demonstrationen richteten sich gegen massenmediale, mittlerweile gerichtlich weitestgehend zurückgewiesene Fake News über ein „Wannsee-2.0“-Treffen vom 25. November 2023 bei Potsdam, wo es angeblich um die „Remigration“ von Zugewanderten sogar mit deutschem Pass gegangen sei. So kann man sich auch im Bellevue täuschen.