Wie viel Erhöhung darf es denn sein? Über den Sommer berichtete TE von einer anstehenden Erhöhung der Kassenbeiträge zum Jahreswechsel um voraussichtlich 0,5 Prozentpunkte. Da taten das manche Journalisten noch als Panikmache ab. Im Herbst räumte selbst Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein, es würden im Schnitt sogar 0,8 Prozentpunkte. Die Woche vor Weihnachten ist bei Krankenversicherungen grundsätzlich die Woche der Wahrheit. Dann tagen die Verwaltungsräte und legen die Beitragssätze fürs kommende Jahr fest. Die Ergebnisse dieser Woche zeigen: Es kommt noch viel schlimmer als erwartet. Die Erhöhungen liegen über einem vollen Prozentpunkt.
Die jüngste und größte gesetzliche Versicherung, die erhöht hat, ist die Techniker Krankenkasse mit rund elf Millionen Versicherten. Sie verdoppelt den „Zusatzbeitrag“ von 1,2 auf 2,45 Prozent. Die Knappschaft erhöht laut Krankenkasse.de sogar um 1,7 Prozentpunkte auf 4,4 Prozent. Für die IKK Classic müssen Versicherte künftig 1,21 Prozentpunkte mehr bezahlen, für die energie-BKK 1,39 Prozentpunkte und für die BKK ProVita 1,4 Prozentpunkte.
Was bedeutet das in der Praxis? Wer 4000 Euro brutto im Monat verdient und bei der Knappschaft versichert ist, dessen Beitrag erhöht sich um 68 Euro im Monat. Ist er sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zahlen er und sein Arbeitgeber jeweils 34 Euro pro Monat mehr. Olaf Scholz (SPD) lässt sich im Wahlkampf feiern, weil er 2 Cent Steuer auf die Salatgurke erlassen will. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer muss 1700 Gurken im Monat kaufen, um allein die Erhöhung der Kassenbeiträge wieder rauszuholen.
Der starke Anstieg der Beiträge ist kein unausweichliches Schicksal a la: Nun ja, alles wird halt teurer. Regel- und Zusatzbeitrag liegen mittlerweile bei über 17 Prozent, vor 20 Jahren galt ein Satz oberhalb von 15 Prozent für eine Kasse noch als echter Wettbewerbsnachteil. Der nun derart starke Anstieg ist Folge des politischen Versagens des Kanzlers. Über drei Jahre hat er seinen Gesundheitsminister und Parteifreund Karl Lauterbach einfach laufen lassen und nicht geführt, über drei Jahre haben ihn Experten vor den Folgen gewarnt. Nun sind sie da.
Ein wichtiger Grund für den Anstieg der Kassenbeiträge liegt im Bürgergeld und anderen staatlichen Transferleistungen. Der Staat zahlt den Kassen im Jahr rund zehn Milliarden Euro weniger, als die Gesundheitsversorgung der Stütze-Empfänger kostet. Auch darauf weist – unter anderem – der Dachverband GKV seit Jahren hin, ohne dass etwas passiert. Stattdessen hat Lauterbach das Gesundheitswesen mit großzügigen Abschlüssen gegenüber der Pharmaindustrie verteuert – ebenso mit Prestigeprojekten wie den Gesundheitskiosken. Von seinen Bestellorgien bei Impfstoffen gar nicht zu sprechen.
Olaf Scholz‘ Handeln zeigt sich dieser Tage bestenfalls als sonderbegabt. Worin auch immer diese Begabung indes liegen mag, Rechnen ist es nicht. Der Kanzler will riesige zusätzliche Staatsschulden aufnehmen und als Investitionspakete übers Land verteilen, in der Hoffnung, dass davon die Wirtschaft wächst. Genau das also, was er in den letzten sieben Jahren zuerst als Finanzminister und dann als Kanzler getan hat. Mit der Folge, dass die Wirtschaft aktuell schrumpft.
Und mit der Folge, dass die Kassenbeiträge steigen: Scholz‘ Wumms-Politik hat den Spielraum der öffentlichen Haushalte verengt. Damit der Bundeshaushalt den Anschein der Verfassungstreue wahrt, muss Lauterbach Aufgaben des Staates auf die Kassen abwälzen. Neben den Kosten für die Empfänger von Bürgergeld sind das zum Beispiel die Kosten, die seine Krankenhausreform verursacht.
Bisher hießen Scholz‘ Geldgeschenke „Wumms“, „Bazooka“ oder „Doppel-Wumms“. Nun versucht der Kanzler es seriöser und spricht von „Made in Germany“-Bonus oder „Deutschlandfonds“. Doch allenfalls die Tonalität ist seriöse geworden. Die Rechenweise ist nach wie vor bestenfalls sonderbegabt, die wirtschaftliche Logik dahinter ebenfalls.
Scholz will Milliarden-Geschenke an die Wirtschaft verteilen, in der Hoffnung, dass diese wächst und die Unternehmen einstellen. Deren Vertreter werden das tun, was man mit Geschenken halt so macht: dankbar annehmen. Aber dann? Arbeitsplätze bleiben immer noch teuer, während dank sozialdemokratischer Kultusminister das Bildungsniveau abnimmt und dank Bürgergeld die Motivation zu harter Arbeit.
Schon jetzt kämpfen deutsche Arbeitgeber mit den höchsten Energiepreisen, Steuern und Sozialabgaben, die es weltweit so gibt. Nun werden Arbeitsplätze im Monat nochmal um die 30 Euro teurer. Und das ist nur die Krankenversicherung. Die Pflegeversicherung wird über den Jahreswechsel auch teurer, die Rentenbeiträge vermutlich nach der Wahl. Die CO2-Steuer erhöht Rot-Grün zum Jahreswechsel um 22 Prozent, die LKW-Maut wird ebenfalls wieder teurer. Wer sich da von 2 geschenkten Cent auf die Salatgurke blenden lässt, ist maximal sonderbegabt.