Nachdem im Vorfeld die sicher geglaubte Wiederwahl von Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer plötzlich in Zweifel geriet, weil auch ein dritter Kandidat sich aufstellen ließ, neben Michael Kretschmer von der CDU und Jörg Urban von der AfD Matthias Berger von den Freien Wählern, wurde es am Schluss doch noch interessant. Kurios daran ist, dass die freien Wähler nur einen Sitz innehaben, nämlich den von Matthias Berger. Zur Erinnerung, die Mandatsverhältnisse im Sächsischen Landtag sehen so aus: CDU 41 Sitze, AfD 40 Sitze, BSW 15 Sitze, SPD 10 Sitze, Grüne 7 Sitze, Linke 6 Sitze, Freie Wähler 1 Sitz, insgesamt besteht der Sächsische Landtag aus 120 Landtagsabgeordneten.
Doch nicht mit der Wahl des Ministerpräsidenten begann die Sitzung, sondern mit einer Aussprache und Abstimmung über das Verfahren selbst. Laut sächsischer Landesverfassung benötigt der Kandidat, um gewählt zu werden, die absolute Mehrheit, die bei 61 Stimmen liegt. Kretschmer fehlen zehn Stimmen, denn CDU und SPD kommen gemeinsam auf 51 Stimmen. Da die Wahl geheim ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere CDU- oder SPD-Abgeordnete im ersten Wahlgang sich gegen Kretschmer entscheidet. Ab dem zweiten Wahlgang benötigt der Kandidat, um gewählt zu werden, nur die einfache Mehrheit. Das bedeutet, dass es nur möglich ist, mit Ja zu stimmen oder sich der Wahl zu enthalten. Sollte es nur einen Kandidaten geben, dann reicht eine einzige Ja-Stimme aus.
Diese Regelung führen auch andere Bundesländer, wie beispielsweise Thüringen. Im November hatte die Riesenfraktion der Grünen mit ihren sieben Abgeordneten bei einem Leipziger Juniorprofessor ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das Gründe dafür aufführt, dass entgegen der Landesverfassung diese Praxis geändert wird und nicht nur mit Ja gestimmt oder sich der Stimme enthalten werden kann, sondern auch mit Nein gestimmt werden darf. Deshalb beantragten die Grünen eine Aussprache und eine Abstimmung. Den Grünen ging es natürlich nicht um die Demokratie – wann ging es denen jemals darum? –, sondern um Rache, denn Michael Kretschmer hat sich im Wahlkampf zu recht gegen die Grünen vehement ausgesprochen und sie nicht mehr an der Regierung beteiligt.
Und aus diesem Grund haben sie diesen Antrag gestellt – und damit die Brandmauer gebrochen, denn für den Antrag der Grünen stimmten in trauter Eintracht die Grünen gemeinsam mit der AfD. Die Linke enthielt sich der Abstimmung. Mit der Mehrheit der anderen Parteien wurde der Antrag der Grünen abgelehnt. Klar und deutlich wurde aber auch, dass die Brandmauer nur für die Union gilt, nicht aber für die Grünen. In Sachsen haben die Grünen vorgemacht, dass sie keinerlei Problem damit haben, mit der AfD zu stimmen, Sachsen hat gezeigt, dass es normal und unproblematisch ist, einen Antrag ins Plenum einzubringen und ihn zur Abstimmung zu stellen, obwohl man als Brandmauerpartei, als „demokratische Partei“ weiß, dass die AfD zustimmt, denn das hatte die öffentlich zuvor erklärt. Warum verweigert sich der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck also dem TV-Duell mit Alice Weidel, obwohl seine Grünen in Sachsen mit der AfD in diesem Punkt gemeinsame Sache machen?
Der Ausgang des ersten Wahlganges überraschte nicht. 120 Stimmen wurden abgegeben, 7 waren ungültig, 12 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Für Michael Kretschmer stimmten 55 Abgeordnete, vier mehr als die Regierungskoalition aus SPD und CDU Sitze hat. Der AfD Kandidat. Jörg Urban erhielt 40, Matthias Berger 6 Stimmen. Damit verfehlte Michael Kretschmer die absolute Mehrheit. Doch bevor der Sächsische Landtag zum zweiten Wahlgang schritt, stellten die Grünen, obwohl sie nun mehr als sicher sein durften, dass die AfD mit ihnen stimmen würde, ihren Antrag, um die Wahl juristisch anfechten zu können – auf Kosten des Steuerzahlers. Wieder zeigten die Grünen, dass die Brandmauer nur für die Union gilt. Weshalb also bringt die Union nicht die notwendigen Gesetze in den Bundestag ein, wie die Grünen in Sachsen, und kümmert sich nicht darum, wer zustimmt? Warum verbietet sich die Union im Bund, was sich die Grünen in Sachsen genehmigen?
Weil die Brandmauer nur den Zweck hat, eine nichtgrüne Politik in Deutschland zu verhindern.
Im Zweiten Wahlgang erhielt Michael Kretschmer 69 Stimmen, die der CDU, die der SPD, wahrscheinlich die des BSW und der Linken, vielleicht die eine oder andere Stimme von der AfD. Von den Grünen dürfte er keine Stimmen bekommen haben. Jörg Urban von der AfD erhielt nur eine Stimme, weil möglicherweise die AfD-Abgeordneten für den unabhängigen Kandidaten Matthias Berger, der plötzlich 39 Stimmen bekam, votierten.
Damit haben die sächsischen Abgeordneten Michael Kretschmer als Chef einer Minderheitsregierung gewählt und die sächsischen Grünen die Brandmauer eingerissen.