Es ist erst zwei Jahre her, da wäre die Überschrift „Hendrik Wüst fordert 2G und Impfpflicht!“ weder aufgefallen, noch hätte sie in den Mainstream-Medien für irgendeine Aufregung gesorgt. Und heute? Corona ist vermeintlich lange her, die politische Pandemie längst enttarnt, wird aber medial totgeschwiegen. Von einer echten Aufarbeitung sind wir weit entfernt. Die Opfer leiden weiter, wenn sie nicht gestorben sind. Und die Verantwortlichen von damals dürfen weiterwurschteln, so als wäre nie etwas gewesen. Karl Lauterbach und Jens Spahn sind entgegen aller harten Fakten aus den RKI-Files noch immer auf freiem Fuß.
Wenn nun ein Hendrik Wüst aalglatt und frisch geföhnt im Maischberger-Studio auftaucht, reißt manch einem Zuschauer schonmal die Hutschnur. Wenn sich ein Menschen-Maskierer, Zwangsimpfer und Kinder-Einkasernierer plötzlich als Menschenfreund inszeniert, sind schon einigermaßen starke Nerven gefordert.
Bei Maischberger findet ein Hendrik Wüst den idealen Rahmen. Er darf das CDU-Wahlprogramm bewerben, soll Merz gut aussehen lassen, Söder möglichst nicht zu sehr in die Pfanne hauen und vor allem: Er darf sich selbst inszenieren.
Nehmen wir die Schuldenbremse. Wüst gibt hier den besonders Fürsorglichen, der sich vor allem um die nachfolgenden Generationen sorgt. Also jene, die er selbst mit Masken malträtierte und an die Spritze zwingen wollte. Er sagt: „Wer bezahlt denn das? Das bezahlen unsere Kinder! Mit Zinsen und Zinseszins. Wo kommt eigentlich diese Überheblichkeit her? Zu glauben, dass wir heute größere Probleme haben als die nächste Generation?“
Oder nehmen wir die Wirtschaft. Der Mann, der als Verfechter unsäglicher 2G-Corona-Repressalien selbst zigtausende Betriebe in den Ruin geschickt hat, stellt heute die marode Wirtschaftspolitik der Grünen an den Pranger: „Die letzten zwei Jahre sind 200 Milliarden Euro abgeflossen aus Deutschland. Unsere großen, namhaften Industrieunternehmen haben die neuesten, modernsten, klimaschonendsten Anlagen woanders auf der Welt gebaut. In den USA. Weil die Rahmenbedingungen dort besser sind.“ Wie sehr Wüst höchstselbst die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens unter Druck gesetzt hat, lässt sich übrigens bis heute auf den Seiten seiner eigenen Partei nachlesen. Huch, wer hat denn da beim Löschen geschlafen? Klicken Sie den Link, so lange er noch funktioniert …
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Was Wüst an Habeck kritisiert, ist durchaus nachvollziehbar. Allein, ihm steht es nicht zu. Er sagt: „Die Idee, mit der Kombination aus Subventionen und Verboten Wirtschaftspolitik zu machen, ist nicht überzeugend. Das ist in den letzten Jahren probiert worden von Robert Habeck. Im Übermaß, wie ich finde.“ Aus dem Mund eines Hendrick Wüst wirkt das reichlich deplatziert.
Söders kategorische Absage an ein CDU-Bündnis mit den Grünen kann Wüst nicht aus der Welt schaffen. Er macht aus seinem eigenen, grünen Herzen keine Mördergrube: In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg würden solche Koalitionen ja gut funktionieren, sagt er. Damit wäre geklärt, was nach dem 23. Februar auf Deutschland zukommen dürfte.
Maischberger hatte Wüst aus Versehen als Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg vorgestellt. Nicht der einzige Fehler an diesem Abend.
Wüst wollte eigentlich Lokomotivführer, Papst oder Bäcker werden, seine Mutter habe ihm das aber „ausgetrieben“. Nicht der einzige Fehler in seinem Leben.
Während der Grünverliebte frei fabulieren und ungestört erzählen darf, hat es Maischbergers nächster Gast deutlich schwerer. Sebastian Kurz kann kaum einen Satz ordentlich zu Ende bringen. Ständig fährt die Moderatorin dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler über den Mund oder begleitet seine Redebeiträge mit irgendwelchen nervigen Murmeleien.
Der Ex-Politiker und heutige Unternehmer sagt ein paar erstaunliche Sätze, die Maischberger erkennbar sauer aufstoßen, etwa zur deutschen Migrationskrise: „Ich glaube, dass 2015 viel Negatives angerichtet hat. Wenn man jetzt anschaut, wie sich Schulen verändert haben, wie sich der öffentliche Raum verändert hat, dass es junge Männer gibt, die mit antisemitischen Parolen durch die Städte laufen, dann kann ich nur sagen: Ich finde das nicht gut.“ Dafür erntet Kurz spontanen Applaus. Und er setzt nach: „Ganz viele Menschen wollen einfach nicht in Gesellschaften leben, die sich in diese Richtung verändern. Sie wollen nicht, dass es unsicherer wird.“
Auch für die deutsche Energiepolitik hat Kurz kein Verständnis: „Im Moment wird die Energie nach Indien oder China verkauft, wird weitertransportiert, und wir kaufen sie dann teurer ein.“ Auch den angeblichen Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie entlarvt Kurz mit einem knappen Satz: „Sie haben ja Atomstrom, sie kaufen ihn halt jetzt aus Frankreich.“
Oder nochmal zur Migrationskrise: Er sei gegen illegale Migrationsströme, sagt Kurz und lässt Maischberger ins Messer laufen. „Wer wäre das nicht“, fragt die Moderatorin. Kurz: „Da kenne ich schon einige.“ Maischberger: „Also, nicht mal Angela Merkel war für illegale Migrationgsströme.“ Kurz: „Ja, sie hat nur die Züge organisiert und die Busse.“ Bemerkenswert übrigens, dass Maischberger in diesem Moment als erstes Merkel eingefallen ist … Was er überhaupt nicht akzeptieren mag, ist, „dass viele Meinungen gar nicht mehr stattfinden dürfen, weil sie sofort als rechtsradikal schubladisiert werden“.
Für das Ampel-Aus und die Niederlage Joe Bidens hat Kurz eine simple Erklärung: „Ich wundere mich nicht, dass Leute abgewählt werden, die etwas wollen, was die Masse der Menschen einfach nicht wollen kann.“ Er ist sich sicher, „dass wir mit der Wahl von Donald Trump wahrscheinlich sehr schnell eine friedliche Lösung in der Ukraine sehen werden. Wir sind jetzt in einem Stadium, dass alle Seiten bereit sind, einen Deal zu schließen.“
Die drei „einordnenden Journalisten“ (offizielle Sendungsbeschreibung) hinterlassen an diesem Abend nur wenige nennenswerte Redebeiträge. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz eigenen Aussagen zufolge nach seiner Vertrauensfrage abends mit Freunden gefeiert und etwas getrunken hat, gibt ihnen dabei die Steilvorlage: Ann-Kathrin Hipp von der darbenden Zeitung „Der Tagesspiegel“ vermutet, „dass er es sich schöngetrunken hat“. Und Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur des untergehenden Magazins „Stern“, sagt trocken: „Ich finde es beruhigend, zu sehen, dass Olaf Scholz offenbar Freunde hat.“
Theo Koll hingegen hätte sich an des Kanzlers Stelle jegliche Feierei selbst verboten. Er nimmt Bezug auf die Investment-Legende Warren Buffet, dem der Satz zugesprochen wird: „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt.“ Koll sagt: „Ich hatte gestern so ein Ebbegefühl.“
Maischberger-Zuschauer kennen das.