Darf man in Deutschland seine Meinung frei äußern? Die Ansichten dazu gehen auseinander; die Demarkationslinie bildet der vor Herablassung strotzende Ausspruch Dunya Hayalis: „Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen. Man muss dann halt manchmal mit Konsequenzen rechnen.“
Die Konsequenzen, die man unter Umständen zu tragen hat, wenn man seine Meinung sagt, werden indes immer gravierender. Wenn Hausdurchsuchungen, Anzeigen, und ja, sogar Verurteilungen winken, wenn man seinem Missfallen über politisches Handeln oder seiner Abneigung gegenüber Personen Ausdruck verleiht, dann setzt die Schere im Kopf immer früher an.
Wer sich Hayalis Haltung zu eigen macht, der wird dies für Ausnahmen und Einzefälle halten – ja, sicher, an der einen oder anderen Stelle hat die Staatsgewalt über die Stränge geschlagen, aber im Großen und Ganzen läuft es doch prima mit der Meinungsfreiheit im Lande.
Dabei ist flächendeckende Einschüchterung gar nicht nötig: Es reicht vollkommen aus, einige wenige öffentlichkeitswirksam und effizient zu sanktionieren, um dafür zu sorgen, dass es sich die andern zweimal überlegen, ob sich Widerspruch lohnt. Im Zusammenspiel mit der Verschärfung des Beleidigungsparagrafen, der Etablierung eines „Meldewesens“ für nichtopportune Äußerungen und der immer noch florierenden Cancel Culture ergibt sich durchaus eine Drohkulisse, die viele Menschen nicht nur in den Sozialen Medien, sondern auch im täglichen Umgang erleben, in der Familie, unter Freunden, auf der Arbeit.
In diesem Zusammenhang ist es wenig hilfreich, um es vornehm auszudrücken, was nun von der SPD Hannover eingeräumt wurde. Mehrere Medien u.a. die Hannoversche Allgemeine berichten vom Rücktritt des Vorsitzenden der SPD-Ratsfraktion in Hannover, Lars Kelich. Damit übernimmt er – einigermaßen untypisch im Politbetrieb des Jahres 2024 – die Verantwortung für einen an sich bodenlosen Vorgang. Die SPD hatte eine „schwarze Liste“ von Beschäftigten der Stadt angelegt, die öffentlich, etwa mit Leserbriefen oder in den Sozialen Medien, Kritik an der Haushaltspolitik des Rates geäußert hatten.
Offiziell heißt es, das Ziel sei lediglich gewesen, Verstöße gegen die Neutralitätspflicht zu ahnden. Das mag sogar stimmen: Ein derart fragwürdiges Verhältnis zu Meinungsfreiheit ist mittlerweile schließlich in weiten Teilen der Politik völlig selbstverständlich und etabliert. Gerade die SPD tut sich hier mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser unrühmlich hervor. Dementsprechend äußert man nun sein Bedauern darüber, dass die Außenwirkung dieses Vorgehens denkbar negativ ist, und der Eindruck erweckt worden sei, „die Grundrechte städtischer Beschäftigter infrage zu stellen.“, so Kelich. Nun: Was denn sonst? Es ist schlicht inakzeptabel, mit Berufung auf die Neutralitätspflicht Listen von Mitarbeitern anzulegen, so als ob eine abweichende Meinung diese Pflicht verletzen könnte – zumal Neutralitätsgebote in Deutschland ohnehin ständig mit Füßen getreten werden, sobald es um ideologisch erwünschte Haltungen geht – man denke nur an die Anbiederung von ganzen Ministerien an die LGBTQ-Lobby.
Abgesehen von dem nonchalanten Angriff auf die Meinungsfreiheit ist überdies bezeichnend, dass die Fähigkeit, mit Kritik umzugehen, offensichtlich darniederliegt. In einem gesunden Gemeinwesen würde Kritik, gerade in Haushaltsfragen, konstruktiv aufgenommen. Schließlich kann man davon ausgehen, dass Mitarbeitern der Stadt das Wohl derselben durchaus am Herzen liegen könnte, und dass Kritik an dieser Stelle keinesfalls als „Hass und Hetze“ angelegt wäre. Dass hier das Misstrauen gegenüber Selbstkritik und konstruktivem Umgang überwiegt, ist für die Mitarbeiter der Stadt Hannover sicherlich eine unschöne Einsicht, und darüber hinaus für alle Bürger des Landes eine verunsichernde Nachricht. Einmal mehr geriert sich die Politik als Obrigkeit, die ihre Untertanen gängelt und kontrolliert.
Immerhin: Auf kommunaler Ebene zeitigt ein derartiges Fehlverhalten noch ernsthafte Konsequenzen. Nun müsste auch auf Landes-, viel mehr noch auf Bundesebene wieder deutlich gemacht werden, dass die Bürger dieses Landes Kritik – auch harsche – frei äußern dürfen, ohne deshalb Einschränkungen, Maßregelung oder gar Strafverfolgung fürchten zu müssen.