Ein Treffen mit Emmanuel Macron, eines mit Wolodymyr Selenskji und dann noch eines mit Georgia Meloni. Ein Aufsehen erregendes Telefonat mit Mexikos Staatsoberhaupt Claudia Sheinbaum über den Flüchtlingsansturm an der Südgrenze der USA. Ein nicht weniger Aufsehen erregender Kommentar zum Sturz des Assad-Regimes in Syrien.
Das ist nur ein Teil des Arbeitsnachweises von Donald Trump in der vergangenen Woche. Der neue US-Präsident ist derzeit zweifellos politisch produktiv. Dabei ist der 78-Jährige noch gar nicht im Amt.
Aber er tritt schon so auf. Und das genügt.
Die notorische Dynamik, mit der Trump als „President-elect“ – also als gewählter neuer Präsident vor der Amtsübergabe – seine Agenda innen- wie außenpolitisch vorantreibt, geht über Joe Biden einfach hinweg. Letzterer amtiert formal ja noch bis zum 20. Januar 2025 im Weißen Haus, doch er spielt keine Rolle mehr (fast keine, dazu am Schluss mehr).
Seit seinem fulminanten Wahlsieg am 5. November präsentiert Trump – wie bei einem Adventskalender – jeden Tag einen Namen von der Liste der Top-Leute seiner künftigen Administration. Und allein diese Ankündigungen, wer in den USA demnächst wofür zuständig ist, lässt die Märkte Purzelbäume schlagen.
Ein sehr gutes Beispiel ist die Krypto-Währung Bitcoin: Deren Kurs lag am 5. November bei 62.362,38 Dollar. Am vergangenen Sonntag lag er bei 94.530,38 Dollar. Das ist ein Wertzuwachs von über 50 Prozent. Der Grund: Donald Trump.
Denn der bisherige Chef der mächtigen US-Börsenaufsicht SEC, Gary Gensler, ist ein Krypto-Skeptiker und setzte strikte Regeln für Geschäfte mit Digital-Währungen durch. Trump will ihn durch den erklärten Krypto-Befürworter Paul Atkins ersetzen. „Er erkennt auch an, dass digitale Assets und andere Innovationen entscheidend sind, um Amerika größer zu machen als je zuvor“, schrieb Trump über seinen Kandidaten.
Der „President-elect“ regiert, obwohl er noch gar nicht im Amt ist.
Das geht, weil der „sitting President“, der amtierende Präsident Joe Biden, vor sich hindämmert. Und die Vizepräsidentin Kamala Harris kämpft nach ihrer vernichtenden Niederlage vor allem mit interessanten Enthüllungen aus der eigenen Wahlkampforganisation: Da sickern immer mehr Fakten durch, wie chaotisch Harris ihr Team aufgestellt hatte – und wie abgehoben und verächtlich die Präsidentschaftskandidatin der Dems gerade mit Schwarzen und Latinos umgegangen ist, also ausgerechnet mit ihrer vermeintlichen Kernwählerschaft.
Derweil macht Donald Trump Weltpolitik. Der Ukraine macht er eine klare Ansage: „Es sollte eine sofortige Waffenruhe geben, und Verhandlungen sollten beginnen.“ Prompt ändern auch bisher besonders Kriegsbegeisterte ihre Tonlage: Der bisherige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg findet plötzlich Gefallen an der Idee, die Ukraine aufzuspalten, die von Russland besetzten Gebiete Moskau zu überlassen und den Rest des Landes in die NATO aufzunehmen.
Noch vor wenigen Wochen galt jeder zarte Hinweis darauf, dass Kiew einen
Gebietsverlust realistischerweise nicht wird verhindern können, als Verrat an der gerechten Sache.
Trump bläst die Backen auf, und der Wind dreht sich. In den politischen Niederungen der intellektuellen deutschen Tiefebene hat das noch nicht jeder so richtig mitbekommen. CDU-Chef Friedrich Merz fordert unverdrossen die Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Aber gegen den erklärten Willen der USA wird letztlich auch Berlin den Krieg im Donbass nicht anheizen.
Die klare Kante des kommenden Bewohners im Weißen Haus zeigt auch anderswo schon Wirkung. Trump wird absehbar seine alte Politik wiederaufnehmen und sich im Nahost-Konflikt eindeutig und massiv an die Seite Israels stellen. Zugeständnisse an die Palästinenser wird es nicht mehr geben.
Das kleine, aber diplomatisch bekannt wendige Emirat Katar zieht daraus die ersten Schlüsse: Es hat die Vertreter der Terrororganisation Hamas aufgefordert, das Emirat zu verlassen. Auch hier wirkt Trump schon vor der offiziellen Amtseinführung.
Ach, und dann war da ja noch was mit Joe Biden: Der greise Noch-Präsident hat bekanntlich seinen multikriminellen und intensivkorrupten Sohn Hunter umfänglich begnadigt und damit vor Strafverfolgung geschützt.
Trump nimmt diese Vorlage jetzt dankend an und verwandelt sie im Stile eines Torjägers: Er hat angekündigt, alle etwa 900 US-Bürger zu begnadigen, die am sogenannten Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in Washington beteiligt gewesen sein sollen.
Trump regiert, obwohl er noch gar nicht im Amt ist. In Deutschland ist es umgekehrt: Olaf Scholz ist schon länger im Amt, aber er regiert einfach nicht.