Alle Jahre wieder (seit 1977) kürt im Dezember die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) das Wort, genauer: die zehn Wörter, die den öffentlichen Sprachgebrauch im zu Ende gehenden Jahr prägten. Für 2024 fiel die Wahl auf „Ampel-Aus“, gefolgt von „Klimaschönfärberei“ und „kriegstüchtig“. Die GfdS ist eine – hauptsächlich von den Bundesländern finanzierte – Institution der Sprachpflege mit Sitz in Wiesbaden.
Das Neuwort „Ampel-Aus“ drückt sprachlich kurz und bündig das Ende der Berliner Ampel-Koalition aus – einer Beziehung, die (wie bei einem „Ehe-Aus“) plötzlich auf Null fiel. Die Wahl dieses Wortes ist wegen seiner sprachlichen Originalität und politischen Bedeutung gut begründet.
Weniger überzeugend wirkt (mit einer Ausnahme) die Wahl der übrigen neun „Wörter des Jahres 2024“, konkret:
2) Klimaschönfärberei
3) kriegstüchtig
4) Rechtsdrift
5) Generative Wendung
6) SBGG
7) Life-Work-Balance
8) Messerverbot
9) angstsparen
10) Deckelwahnsinn
Die „Klimaschönfärberei“ passt besser zu den „Unwörtern“ des Jahres, die im Januar 2025 von einer (politisch sehr korrekten) privaten Jury verkündet werden. Der Ausdruck „Generative Wendung“ (in KI-Systemen), die Abkürzung SBGG (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag) und „Life-Work-Balance“ (statt Work-Life-Balance) sind zu technisch für eine sprachliche Breitenwirkung. Auch der „Deckelwahnsinn“ (laut einer neuen EU-Richtlinie sollen sich von Plastikflaschen die Deckel nicht mehr lösen lassen) wird vielen Deutschsprechern wenig sagen.
Bleiben die Wörter des Jahres „kriegstüchtig, Rechtsdrift, Messerverbot, angstsparen“. Alle vier sind keine Neuwörter, sondern schon bekannte Wörter, die 2024 öffentlich reaktiviert wurden. Am auffälligsten war dies beim Adjektiv „kriegstüchtig“: Das Wort (und dessen Ableitung „Kriegstüchtigkeit“) ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts im militärischen Sprachgebrauch üblich, wurde aber in Deutschland nach 1945 gemieden – bis zum 10. November 2023, als Verteidigungsminister Pistorius auf einer Bundeswehrtagung erklärte: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“
Im Unterschied zu „kriegstüchtig“, dessen neuer Gebrauch einen Überraschungseffekt auslöste, wurden „Rechtsdrift“, „Messerverbot“ und „angstsparen“ öffentlich eher als alte Bekannte angesehen. Eine „Rechtsdrift des gesamten politischen Spektrums in den vergangenen drei Jahren“ bemerkte die Süddeutsche Zeitung (1.3.2003) schon in der Regierungszeit des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, und die Bild-Zeitung (18.2.2005) fragte vor fast zwanzig Jahren: „Könnte ein Messerverbot rund um den [Berliner] Kiez für ein gesteigertes Sicherheitsgefühl sorgen?“ Auch das Angstsparen kehrt in Wirtschaftskrisen immer wieder: In der Krise 1982 (die am 1. Oktober zum Sturz Helmut Schmidts und der Wahl Helmut Kohls als Bundeskanzler führte) forderte der FDP-Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff vor dem Bundestag (11.11.1982): „Mut zum Konsum, nicht Angstsparen!“
Fazit: „Ampel-Aus“ und „kriegstüchtig“ sind in der Tat „Wörter des Jahres 2024″; der Rest der Zehnerliste ist ziemlich beliebig und sagt mehr über die politischen Vorlieben der zehn Jury-Mitglieder aus als über die Sprachwirklichkeit.