Die Bundestagswahl rückt näher und damit werden neben den bekannten Aufregern wie Migrationspolitik, wie alle vier Jahren auch wieder die „ollen Kamellen“ der politischen Gerechtigkeitslehre aus der Kiste geholt. Nicht nur von „Sankt Martin“, sondern reflexartig von allen.
Besonders beliebt ist dabei die Steuer- und Finanzpolitik, weil das versteht sowieso kaum einer, die Politik eingeschlossen. Aber trotzdem wollen alle mitreden, denn jeder fühlt sich irgendwie zu arm, zu benachteiligt und überhaupt zu „was auch immer“. Außerdem werden die Armen ja immer „ärmer“, die Reichen immer „reicher“, die Republik immer „ungerechter“, und unsere fußballspielenden Multimillionäre lieben wir trotzdem und jubeln ihnen kostenpflichtig zu, aber das ist ja natürlich etwas ganz Anderes.
Das Ungeheuer von Loch Ness und die Gerechtigkeitslücke
Wachstum gibt es aber trotzdem in diesem Land, zumindest bei den Sozialausgaben. Die wachsen laut Haushaltsentwurf 2017 immer weiter auf nun ca. 170 Milliarden € und machen damit mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts von 329 Milliarden € aus. Davon verwaltet Frau Nahles alleine in ihrem Ministerium nach dem endgültigen Bundeshaushalt 2017 ganze 138 Milliarden €. Für Bildung und Forschung stehen dem gegenüber gerade einmal 18 Milliarden € zur Verfügung. Raten Sie mal, wie viel davon in den Schulen unserer Kinder ankommt. Ziemlich „ungerecht“ dieses Land, ganz klar, ganz klar. Diese „Gerechtigkeitslücke“ ist einfach immens, „Sankt Martin“ sollte übernehmen, immerhin war der ja bisher nicht an der Regierung, in welcher Partei war der eigentlich noch einmal?
Weil das alle 4 Jahre so ist und alle 4 Jahre auch die „Gerechtigkeitslücke“ wie das Ungeheuer von Loch Ness wiederauftaucht, habe ich mir vorgenommen, in unregelmäßiger Folge zur Wahl mal einige dieser politischen Kampfbegriffe aufzuspießen und, wie Siegfried der Drachentöter, mit der Lanze der Fakten zu erlegen. Wobei ich mich keiner Illusion hingebe, schlägt man dem Drachen den Kopf ab, wachsen wie bei der Hydra gleich wieder drei nach, denn „Gefühl trumps Fakten“ sozusagen. Wir alle kennen ja unseren persönlichen „Reichen“ und können das Thema daher kompetent einschätzen und wenn nicht, dann „kennen“ wir Uli Hoeneß aus dem Fernsehen, das genügt doch, der gehört ja auch zum Fußball. Wer in den Absätzen oben Sarkasmus finden sollte, kann ihn gleich behalten.
„Wissenschaft“ mit Schätzungen und Spekulationen
Da passt es doch gut, dass Frau Nahles nach Bericht der Welt noch in diesem Frühjahr den 5. Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen will. Und da über Deutschlands Hochvermögende bisher so wenig bekannt ist, wollte Frau Nahles da laut Welt ganz „Licht ins Dunkel bringen“, das ist doch mal eine noble Haltung. Dass dabei auch die Wissenschaft mit Schätzungen und Spekulationen arbeiten muss, nehmen wir demütig zur Kenntnis.
Und ich bin auch gnädig und will gar nicht fragen, warum da wieder das DIW auserwählt wurde. Hätte ich das IFO-Institut bei dem Auftrag entdeckt, wäre ich auch sehr erstaunt gewesen. Aber über so steuerfinanzierte Aufträge der Exekutive regt sich ja schon lange niemand mehr auf. Erfahrene Beobachter des Gutachten- und Studien-Wesens halten es schon länger mit der auch von Statistiken bekannten Logik, nach der man nur der Studie trauen sollte, die man selber in Auftrag gegeben hat. Alles streng wissenschaftlich natürlich!
In Kenntnis der politischen Rituale, vermute ich aber auch schon wieder, was erneut *nicht* in der Studie stehen wird. Nämlich, dass langjährige Staatsdiener in herausgehobenen Positionen wie Frau Nahles, vermutlich alle den „Hochvermögenden“ zuzurechnen sind, aber bei so Betrachtungen immer gerne außen vorgehalten werden.
Und diesen Umstand will ich heute aufspießen, ich halte nämlich die Art und Weise, wie garantierte Alterssicherungs-Zusagen (Pension und Renten) bei Vermögensvergleichen immer außen vorgehalten werden, für unerträglich.
Frau Nahles gegen Frau Clever im Vermögensvergleich
Statt abstrakter Argumentation, machen wir es mal ganz einfach und ganz konkret.
Ich stelle Frau Nahles einer fiktiven, erfolgreichen Kleinunternehmerin – Frau Clever – gegenüber, die „Millionärin“ ist, also laut DIW und Reichtumsforschern wohl den „Hochvermögenden“ zuzurechnen.
Mir ist dabei wichtig zu betonen, dass es mir nicht um Frau Nahles als Person und auch nicht um die SPD geht, ich hege da keinerlei persönliche Animositäten. Aber Frau Nahles ist nun einmal die Ministerin, die diese Studie in Auftrag gegeben hat und insofern das ideale Beispiel für eine Berufspolitikerin. Wenn er noch im Amt wäre, hätte ich aber ebenso gerne Norbert Blüm als Berechnungsbeispiel nehmen können, der ja auch die schöne Leerformel von der „Gerechtigkeit“ so gerne im Munde geführt hat.
Fangen wir also mit Frau Nahles als Beispiel für eine langjährige Berufspolitikerin und Mandatsträgerin an. Laut Wikipedia geboren am 20.06.1970. Abitur 1989, schon seit 1988 in der SPD und bei den Jusos, deren Bundesvorsitzende seit 1995, im Bundestag von 1998 bis heute mit einer Unterbrechung von 3 Jahren, bisher also ca. 16 Jahre.
In der Zeit zwischen Abitur 1989, dem Studienabschluss in Germanistik und Politikwissenschaften zu einem unbekannten Termin und diversen politischen Mandaten, ist nichts über Jobs und Tätigkeiten in der Wirtschaft bekannt. Man kann also bei Frau Nahles vermutlich von einer klassischen Parteikarriere sprechen, vom Studium über die Jusos in den Bundestag, den Parteivorstand und in Ministerämter. Es sei ihr persönlich gegönnt, auch wenn der mangelnde Kontakt zur realen Arbeitswelt bezeichnend für viele Vertreter der politischen Klasse geworden ist und darin in meinen Augen ein strukturelles Glaubwürdigkeitsproblem unserer Demokratie liegt.
Nun wird es aber interessant, denn alleine mit ihren ca. 16 Jahren im Bundestag, dürfte Frau Nahles jetzt schon erhebliche Pensionsansprüche aus Ihrem Abgeordnetenmandat erworben haben. Um es genau zu wissen, schauen wir wieder bei Wikipedia nach und errechnen schnell: 0,025 × 16 × 9.327 € = 3.730€ pro Monat als aktuellen, garantierten Pensionsanspruch für Frau Nahles aus Ihrem Abgeordnetenmandant im Bundestag, Tendenz steigend, Sie dürfen die Summe nach 27 Jahren selber ausrechnen.
Wir vernachlässigen zur weiteren Vermögensbetrachtung jetzt auch mal das Einkommen aus Diäten, nehmen an, Frau Nahles hätte nichts gespart, nichts geerbt, keine Immobilien und keine weiteren Einkünfte. Wir nehmen an, sie kann mit ihrem aktuellen Gehalt als Ministerin gerade so recht und schlecht leben, ohne etwas beiseitelegen zu können, und hätte aber als einziges „Vermögen“, diesen Pensionsanspruch von 4.500€, angenommen erst ab 65 Jahre. Das ist wirklich eine sehr „nette“ und faire Annahme, die vermögenstechnische Realität dürfte bei aktuellen Ministergehältern von knapp 14.000€ pro Monat weit positiver sein. Erneut, es sei ihr gegönnt, ich habe im Gegensatz zu anderen keinen Neidkomplex und die Bezahlung für deutsche Minister und Kanzler ist keineswegs zu hoch für die Verantwortung.
Frau Clever muss für ihr Alter ansparen und kennt keine Pensions-Zusagen
Nun kommen wir aber zur fiktiven Frau Clever, einer energetischen Kleinunternehmerin ohne Parteibuch, die aus kleinen Verhältnissen kommt und auf Ihr Studium verzichten musste, weil sie ihre Eltern unterstützte. Es hat ihr nicht geschadet, sie ist mit ihrer kleinen Firma recht erfolgreich und kann wie Frau Nahles mit ihrem aktuellen Einkommen ganz gut leben. Da sie keine Erbschaften, keine Rentenansprüche und schon gar keine Pensionen kennt, hat sie alles, was nach den Investitionen in ihr Unternehmen an Geld übrig war, konsequent angespart und hat nun in 46 Jahren – man höre und staune – schon ein kleines Vermögen von 1,3 Millionen € auf Sparkonten angesammelt!
Da ist sie also, unsere „Hochvermögende“, Sie wissen schon, eine dieser Personen auf der anderen Seite der „Gerechtigkeitslücke“, eine dieser „wandelnden Geldsäcke“. Wie es der Zufall will, ist Frau Clever auch am 20.06.1970 geboren und nun mit 46, will sie Ihr Vermögen endlich in eine verlässliche Rentenzusage umwandeln.
Sie wendet sich also an einen leistungsfähigen und kostengünstigen Direktversicherer wie Cosmos Direkt und berechnet Online hier wie viel Rente sie nun für eine Direkteinzahlung von 100.000 € bekommen würde. Machen Sie es doch auch mal.
Sie gibt also ein:
– Geboren am 20.06.1970
– Beginn der Rentenzahlung 65
– Versicherungsbeginn sofort 04/17
– Rentengarantiezeit 10 Jahre
Und erhält eine garantierte Rente von 341€ ab 65 Jahren. Das ist also aktuell der garantierte auf einen einzelnen Monat abgezinste Rentenbarwert von 100.000 €.
Dass das so wenig ist, hat auch mit der Zinspolitik der EZB zu tun, aber die macht uns ja nicht ärmer, schon klar. Da ist er wieder, dieser blöde Sarkasmus, ich hoffe Sie verzeihen mir das.
Wenn wir das nun mit der Pension von Frau Nahles vergleichen, ist der Garantiewert auch der einzig Richtige, denn alle anderen Werte beruhen auf optimistischen Annahmen und die Pension von Frau Nahles ist ja auch garantiert und wird sich ja auch in den nächsten Jahren mit dem Anstieg der Diäten nach oben bewegen.
Ganz schön „reich“ die Frau!
Frau Clever setzt nun also Ihr ganzes Vermögen von 1,3 Millionen € ein, zahlt es bei Cosmos Direkt ein und erhält damit einen Anspruch auf garantierte 4.439€ pro Monat ab 65 Jahren. Ganz schön „reich“ die Frau! Wir erinnern uns, bei Frau Nahles waren es geschätzt aktuell 4.500€ pro Monat, tendenziell schon früher als 65 zur Pensionierung zur Verfügung stehend. Ganz schön „reich“ die Frau!
Frau Nahles als exemplarisches Beispiel, ist also in dem obigen Sinne mit ihrem Rentenbarwert vermutlich schon heute „Pensions-Millionärin“ und damit Teil der „Hochvermögenden“. Ob unsere Reichtumsforscher und das DIW das wohl auf der Rechnung haben? Wir werden sehen.
Wir halten also fest:
- Bei Vermögensvergleichen den Rentenbarwert von Pensionen und Renten zu unterschlagen, ist unseriös, solange diese fest garantiert sind.
- Ob man diese Alterssicherung als Bürger schon als feste (Pensions-)Zusagen, als Aktien im Depot oder noch liquide auf dem Konto stehen hat, darf keinen Unterschied machen. Alles andere wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut verfassungswidrig, weil damit Sparformen diskriminiert würden.
- Im Zeitalter der Nullzinsen ist 1 Million € Vermögen verrentet je nach persönlichen Daten und Zeitpunkt nur noch ca. 2.800 – 3.500 € pro Monat ab 65 Jahren wert.
- Ob man bei ca. 3.000 € pro Monat Rente von „Reichtum“ und „Hochvermögenden“ sprechen kann, überlasse ich der Einschätzung der Leser.
- Die obige Pensions-Rechnung für „Sankt Martin“ und andere EU-Abgeordnete, die nun auf die Suche nach der „Gerechtigkeitslücke“ gehen, dürfen Sie selber machen.
Ich hoffe ich konnte klarmachen ….
Ich hoffe, ich konnte klarmachen, dass ein fairer Vermögensvergleich den Kapitalwert aller Besitztümer und garantierten Ansprüche, auch aus der Alterssicherung via Rentenbarwert, saldieren muss.
Ich hoffe, ich konnte klarmachen, dass nach dieser Gesamt-Berechnung der Besitz einer Million € ohne sonstige Besitztümer, Ansprüche und Zusagen, rein gar nichts mit „Reichtum“ zu tun hat, bestenfalls mit bescheidenem, bürgerlichen Wohlstand.
Ich hoffe ich konnte klarmachen, dass viele langjährigen Politiker und Mandatsträger in diesem Sinne „Millionäre“ sein dürften, alleine der Rentenbarwert ihrer Pensionsansprüche genügt dafür schon.
Ich hoffe ich konnte klarmachen, welchen fatalen Effekt die Niedrigzinspolitik des Euros hat.
Wichtig ist mir noch, erneut festzuhalten, dass ich mich hier nicht über Höhe der Pensionen und Diäten von Politikern mokieren will. Es sei ihnen gegönnt und die Menschen, die die Gesetze dieses Landes beschließen, sollen dafür auch sehr gut bezahlt und abgesichert sein. Ich persönlich habe also kein Problem mit den Summen, die Qualität und Unabhängigkeit der gewählten Abgeordneten und das parteiendominierte Wahlsystem, das diese Abgeordneten selektiert, halte ich für das viel, viel wichtigere Problem dieser Republik.
Wichtig ist mir auch noch festzuhalten, dass ich damit gar nicht prinzipiell gegen Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer und was auch immer argumentiere. Alles was dazu dient, die Vermögensschere im Land in einem sinnvollen Maß zu halten, macht – wenn klug und fair eingesetzt – durchaus Sinn. Aber wenn man darüber diskutiert, sollte man Vermögen auch fair vergleichen, und das geht nur, wenn man *alle* Besitztümer und Ansprüche mit ihrem jeweiligen Kapitalwert gegenüberstellt. Denn Frau Clever ist nicht „reicher“ als Frau Nahles, ihre Altersvorsorge liegt nur woanders.
Diskriminierung anderer Sparformen gegenüber Pensionszusagen
Skandalös, wirklich skandalös, finde ich es aber persönlich, bei welchen Summen von der Politik schon von „Reichtum“ geredet wird und wie dabei immer die immensen Pensionsansprüche unter den Tisch fallen. Wer als Arbeitnehmer oder Unternehmer via Steuern diese Pensionen miterwirtschaftet hat, besitzt selber eben keine Pension, sondern angesparte Summen zur Alterssicherung auf Konten, Lebensversicherungen oder in Immobilien, Gold, Aktien, um davon seinen Ruhestand bestreiten zu können. Diese Ansparformen werden aber immer wieder gegenüber Pensionen diskriminiert.
Dass von dieser Ungleichbehandlung gerade Politiker und Staatsdiener profitieren, ist sicher ein purer Zufall. Fair wäre, langfristige Geldanlagen zur Alterssicherung, gleich welcher Art, in der Erwerbsphase grundsätzlich steuerfrei stellen und diese erst beim Verbrauch im Alter besteuern. So wie auch der Erwerb von Pensionsansprüchen zunächst steuerfrei ist und erst bei der Auszahlung im Alter eine Steuer anfällt. Frau Nahles übernehmen Sie, das ist eine echte Gerechtigkeitslücke!
Ihr Michael Schulte (Hari)