Tichys Einblick
Durchbruch nach Vierteljahrhundert

Von der Leyen düpiert Macron bei Mercosur-Abkommen – und bleibt der Notre-Dame-Eröffnung fern

Nach einem Vierteljahrhundert einigen sich die Mercosur-Staaten und die Europäische Union auf ein Freihandelsabkommen. Emmanuel Macron sieht es als Affront an, dass Ursula von der Leyen die französische Staatskrise ausnutzt, um den Vertrag durchzuziehen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Olivier Hoslet

Notre-Dame-Eröffnung ohne Ursula von der Leyen: Obwohl die EU-Kommissionspräsidentin unbedingt teilnehmen wollte, sagte sie ihre Visite am Freitag kurzfristig ab. Vielleicht, weil die CDU-Politikerin wusste, dass man in Frankreich alles andere als erfreut ist über die aktuellen Vorgänge.

Die französischen Bauern fürchten bekanntlich den Wettbewerb mit dem südamerikanischen Kontinent. Der Schutz der eigenen Agrikultur war daher seit jeher ein Pariser Anliegen. Solche verhärteten Fronten sind mit ein Grund, warum die Verhandlungen zum Mercosur-Abkommen ein Vierteljahrhundert auf Eis lagen. Die EU und die fünf lateinamerikanischen Staaten Brasilien, Bolivien, Argentinien, Uruguay und Paraguay konnten sich beim Freihandel einfach nicht einig werden, weil der eigene Protektionismus im Weg stand.

Außenpolitische Veränderungen bereiteten offenbar den Weg. Die EU fürchtet sich vor dem Zugriff Chinas auf den rohstoffreichen Kontinent, der einst der privilegierte Vorhof der USA war. In Washington wiederum sitzt bald Donald Trump, der mit Schutzzöllen droht. In Buenos Aires dagegen hat sich mit Javier Milei ein überzeugter Libertärer etabliert, der dem Freihandel wohlgesonnen ist – die Unterzeichnung nach so langer Zeit ist damit auch sein Erfolg.

Vor allem dürften aber die destruktiven Zustände in Frankreich eine Rolle spielen. Paralysiert vom Sturz der Regierung Barnier hat von der Leyen wohl die Gunst der Stunde ergriffen, um das Abkommen in Montevideo in trockene Tücher zu bringen. So sieht man es offenbar auch in Frankreich.

„Da es keine Regierung gibt, wurden die Verhandlungen am Mittwochabend überstürzt durchgeführt und heute abgeschlossen“, postete der ehemalige Premierminister Gabriel Attal auf X. Aus dem Elysée-Palast hieß es, dass das Abkommen noch nicht ratifiziert sei. „Das ist also noch nicht das Ende der Geschichte“, hieß es drohend aus Emmanuel Macrons Amtssitz.

Auch Polen, Österreich, die Niederlande und Irland haben Vorbehalte gegenüber dem Abkommen geäußert. Bei Mercosur handelt es sich um eine südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft, die Abkürzung steht für Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens). Der Binnenmarkt umfasst rund 300 Millionen Menschen. Kritiker befürchten, dass die europäischen Bauern, die an immer noch strengere Regeln gebunden werden und unendlich viele Einschränkungen beachten müssen, von der großindustriellen Landwirtschaft Südamerikas und deren laxem Standard überrollt werden. Die Landwirtschaft in der EU will ohnehin mit Green Deal die Beschränkung der Anbauflächen. Jetzt dürften das Höfesterben und der Verfall der bäuerlich geprägten Landschaft und Wirtschaft noch schneller vorangehen und das Eigentum der traditionellen Landwirte vernichtet werden.

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