Tichys Einblick
Merz stellt klar

Merz ist Kanzlerkandidat der Grünen – Habeck darf Wirtschaftsminister bleiben

Bei Maischberger wird ein Gedankenexperiment vorgeführt: Deutschland unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz. Dieser gibt einen erschreckend ehrlichen Einblick in seine Welt und macht deutlich, dass nicht nur die FDP unter Selbstzerstörung leidet. Die Merzsche Politik wird ganz Deutschland mitreißen – und nicht zum Guten.

Screenprint ARD / Maischberger

Am Mittwochabend bittet Sandra Maischberger Friedrich Merz zum Gespräch. Die Sendung ist schwer zu ertragen – erheblich dazu beigetragen hat auch der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz. Um aber so richtig in Schwung zu kommen, wurde wieder einmal erst Christian Lindner und die D-Day-Affäre der FDP durch das Studio getrieben. Unter den kommentierenden Journalisten ist seine Exfrau, Dagmar Rosenfeld, Herausgeberin von The Pioneer. Die zeigt wenig Verständnis dafür, dass Lindners Partei sich auf einen möglichen Ampelbruch vorbereitete. Bewirbt sich Rosenfeld für eine Stelle in der ARD?

Das Fazit der Kommentatoren: Das Vertrauen in die FDP sinkt unter fünf Prozent und die FDP hat jede Glaubwürdigkeit verloren. Wegen des Ampelbruchs, den Scholz vollzog und nicht, weil die liberale Partei alle freiheitlichen Werte, für die sie zu stehen vorgibt, aufgegeben hat. Die Journalistin Laura Kipfelsberger geht dann sogar einen Schritt weiter und wirft ein „super Zitat“ aus dem Spiegel ein: „‚Wenn die Lüge zur Norm wird, dann stirbt die Demokratie.‘ Und das ist natürlich ein extremes Zitat. Aber ich glaube, wir sehen zum Beispiel in den USA, was passiert, wenn die Lüge zur Norm wird.“

Für die Journalisten auf der guten Seite der Medien lügen immer nur die anderen. Vielleicht verdreht man mal das ein oder andere Wort. Vielleicht lässt man mal das ein oder andere weg. Oder vielleicht wird auch mal ein bisschen gelogen, aber sicher nur, um die Bevölkerung vor Rechtsextremismus, Klimaleugnern oder Aluhutträgern zu schützen. Kein Grund zur Panik. Der ÖRR hat alles im Griff.

Bohlen als deutscher Musk

Im Gespräch zwischen Sandra Maischberger und Friedrich Merz wird Deutschland dann nochmal mit den USA verglichen. Dabei ist der Vergleich vollkommen unangebracht. Denn in den Vereinigten Staaten bedeutet eine Änderung der Präsidenten-Partei immer auch eine grundlegende Änderung der Politik. In Deutschland wird nur der Kanzler ausgetauscht. Noch toller ist, dass Maischberger gar fantasiert, dass Dieter Bohlen der deutsche Elon Musk für Merz werde. Also das prominente Zugpferd des zukünftigen Regierungschefs, nicht revolutionärer Unternehmer. Der TV-Star hatte sich kürzlich erst lobend über den CDU-Kanzlerkandidaten geäußert. Merz verteidigt sich, er habe sich nach den lobenden Worten von Dieter Bohlen dessen Telefonnummer besorgt, aber natürlich „nicht über die Kabinettbesetzung gesprochen“. Eine Berufung von Dieter Bohlen hätte gerade noch gefehlt. Doch warum eigentlich nicht? Mit Habeck, Baerbock, Scholz und Merz fehlt es dem Zirkus Berlin zwar nicht an Clowns, aber Dieter Bohlen ist immerhin auch noch ein erfolgreicher Musiker.

Merz wirkt im Interview richtig locker und entspannt. Selbstbewusst und, ja, schon fast siegessicher beantwortet er Maischbergers giftige Fragen. Doch dass die Reise für die CDU mit Merz als Kanzler ins Grüne gehen soll, lässt sich immer mehr vermuten. Eine Koalition mit Habeck will er nicht ausschließen und findet sogar nette Worte für das Personal der Konkurrenz. So muss Merz handeln, denn wenn er die Brandmauer stehen lässt, kann er nur mit den Grünen oder der SPD koalieren. Und die Grünen haben zu verstehen gegeben: Wenn die CDU richtigen Wahlkampf macht und gegen die Grünen poltert, muss sie das später mit Koalitions-Kompromissen bezahlen.

Also lässt Merz den Wahlkampf sein und wird am Ende trotzdem all seine Positionen aufgeben, um Kanzler zu werden. Mit dem Kollegen Lindner rupft Merz allerdings ein Hühnchen. Die FDP ist schließlich zu klein, als dass er mit ihr Kanzler werden könnte. Es geht eben um Posten, nicht um Positionen. Lindner hatte bei Maischbergers Kollegin Caren Miosga gefordert, „mehr Musk und Milei“ zu wagen. Über den Wunsch, sich den argentinischen Präsidenten und Elon Musk zum Vorbild zu nehmen, sei Merz „völlig entsetzt“ und schimpft gegen Milei: „Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, tritt wirklich die Menschen mit Füßen.“

Es dauert einige Momente, bis man versteht, was Merz da von sich gibt: Das Land Argentinien, das dank Milei endlich die Inflation in den Griff kriegt und sozialistisches Gedankengut abstreift, darf kein Vorbild sein für Deutschland. Man kann geradezu fühlen, wie der konservative Traum vieler Zuschauer in diesem Moment zerspringt. Friedrich Merz ist doch auch nur ein rot-grüner Wolf im Schafspelz. „Afuera!“, Bürokratieabbau und Begrenzung des Staates wird es mit Merz nicht geben.

Die Schuldenbremse wird fallen

Auch bei der Schuldenbremse wird die Koalition mit den Grünen vorbereitet. Auf keinen Fall dürfe mit dem Geld der zukünftigen Generation falsch gehaushaltet werden, behauptet Merz. Vor den Koalitionsverhandlungen mit dem grünen Wunschpartner. Warum sei es denn nicht möglich, mit jährlichen Steuereinnahmen von 1.000 Milliarden Euro auszukommen – mit der zusätzlichen Möglichkeit 50 Milliarden Euro Schulden machen zu können, ohne die Schuldenbremse auszusetzen? Maischberger fragt dann aber wieder ihre Lieblingsfrage: Wie sollen wir die Welt vor einem Krieg, einem Wirtschaftscrash oder gar der Apokalypse retten, wenn wir die Schuldenbremse nicht aussetzen können? Merz versucht, aus der Misere zu schlüpfen, und schwafelt dann doch davon, dass er eine Reform kategorisch nicht ablehne, da er sich angewöhnt hat, „in der Politik niemals nie zu sagen“. Politiker halten selten ihre Wahlkampfversprechen – und wenn die Einhaltung der Schuldenbremse nicht einmal ein Wahlkampfversprechen ist, dann ist klar, dass sie fallen wird. Was schert Merz die Zukunft, wenn er Kanzler ist? Geld ist erst einmal genug da.

Um an den Punkt gar nicht erst zu gelangen, möchte er aber vor allem Geld über die Abschaffung des Bürgergeldes beschaffen. Die 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger, die aus Prinzip nicht arbeiten wollen, sollen nur noch das „absolute Minimum“ erhalten. Eine grundlegende Abschaffung der Stütze stellt er gar nicht erst in den Raum. Auch abgeschafft werden soll das „Habecksche Heizungsgesetz“, da dieses ja „das glatte Gegenteil erreicht von dem, was er wollte“. Merz möchte lieber zurück zur alten Regelung, welche vorsieht, schrittweise Heizungen mit CO2-neutralen Alternativen einzubauen, „das ist technologieoffen“. Maischberger ist sichtlich unwohl in ihrem Sessel: „Das heißt, mit einem Kanzler Merz darf ab Februar 24, 25 dann jeder in seinen Keller bauen, was er will. Öl, Gas oder ein Atomkraftwerk reinstellen?“ Die völlig groteske Äußerung bringt Merz zum Lachen.

Habeck bleibt Wirtschaftsminister

Den Zuschauer auch, doch es ist ein bitteres Lachen: Die CDU hat das Heizungsgesetz einst eingeführt. Habeck verschärfte es nur, aber auch diese Verschärfung war nicht sonderlich groß. Eine schwarz-grüne Regierung wird das Heizungsgesetz niemals abschaffen. Das ist nur Wahlkampfblabla. Sogar Robert Habeck als Wirtschaftsminister will Merz nicht ausschließen. Das ist die zentrale Botschaft: Unter einem Kanzler Merz darf Habeck Wirtschaftsminister bleiben, sagt Merz. Nur das Heizungsgesetz muss etwas, nur nicht zu viel, überarbeitet werden. Sagt Merz. Vor den Koalitionsverhandlungen.

Merz setzt aber schnell seine besorgte, ernste Wahlkampfmiene auf, als ihn Maischberger zum Ukraine-Krieg befragt. Noch-Kanzler Scholz wirft ihm russisches Roulette vor: Seine Idee, Wladimir Putin ein 24-Stunden-Ultimatum zu stellen, ansonsten der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern, würde die Sicherheit Deutschlands gefährden. Merz klagt bei Maischberger dagegen über Scholz, welcher sich in Bezug zur Ukraine immer hinter Joe Biden versteckt hätte. Merz befürwortet eine gemeinsame europäische Vorgehensweise und wendet sich auch nicht gegen die Lieferung von Taurus. Die Bedeutung von Taurus ist aber auch begrenzt, nun da die Ukraine mit amerikanischem Material Russland beschießen darf. Der deutsche Marschflugkörper könnte den Krieg weiter in Richtung Moskau tragen; eine Wunderwaffe ist er aber nicht. Unter einem Kanzler Merz werden vielleicht einige Waffensysteme schneller freigegeben als unter Scholz – das Schlachten in den Schützengräben bleibt.

Trotzig wie zwei kleine Kinder, versucht also der eine, den anderen auszustechen. Einem bereits gescheiterten Kanzler oder einem zum Scheitern verurteilten Kanzler soll die deutsche Bevölkerung ihre Sorgen in die Hände legen. Doch es ist eigentlich gleich: Ob der Kanzler Scholz, Merz oder gar Habeck heißt, das Ergebnis ist eine bürgerfeindliche linke Politik. Steigende Abgaben und Steuern, horrende Strompreise und ausufernde Bürokratie werden die Wirtschaftskrise verschlimmern, bis auch die letzte Industrie das Land verlassen hat. Schließlich ist es Milei, der sein Land „ruiniert“ und die Menschen „mit Füßen tritt“; deutsche Politiker würden so etwas niemals tun. Oder?


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