Tichys Einblick
Herles fällt auf

Das deutsche Traumpaar der Literatur

So sehr sie sich auch unterscheiden, Merkel und Habeck sind das Albtraumpaar der deutschen Demokratie. Ein Shakespeare unserer Tage nähme sie als Vorbild für Macbeth in einer neuen zeitgemäßen Version. Er, der fiktionale Jugendbuchpädagoge: Die Welt als Vorstellung. Sie die knochentrockene Machiavellistin: Die Welt als Wille. Gemeinsamer Titel: Wege zur Macht. Kein Märchen.

Ich wundere mich darüber, dass sich die halbe Republik darüber wundert, was alles nicht in dem 750-Seiten-Klotz von Angela Merkel steht. Stapelware, schnell abverkauft. Den Immer-noch-Merkel-Adoranten ist nicht zu helfen, wenn sie nach höchstens hundert Seiten stecken bleiben. Wahrscheinlich handelt es sich um den ungelesensten Bestseller der Saison, also um ein ebenso gedanken- wie nutzloses Weihnachtsgeschenk. Mir wäre es peinlich, das Teil unter den Baum zu legen oder gar auf dem Tisch liegen zu lassen. Noch peinlicher ist, dass ausgerechnet Anne Will – die einst in ihrer Show in der ARD die Kanzlerin schamlos hofierte – das Gespräch zur Buchpremiere im Deutschen Theater führte. Mein Rat: Es lohnt sich nicht einmal, das Werk zu klauen.

I.

Protokollarische Aufarbeitung einer endlosen Amtszeit. Belangloser Bericht über die Verlotterung eines einst erfolgreichen Landes, das dessen ehemalige Geschäftsführerin und nunmehrige Autorin nie verstanden hat. Nichts zu den tieferen Beweggründen ihres Tuns und Nichttuns. Merkel ist nicht daran interessiert, verstanden zu werden, Hauptsache, sie versteht sich selbst. Sie will sich noch nicht einmal rechtfertigen. Die Folgen ihrer Nichtpolitik sind ihr schlicht egal. Raus aus der Kernenergie. Rein in ein grünes Wolkenkuckucksheim. Was hat sie geritten? Wie konnte ihr gelingen, die Partei Adenauers und Erhards komplett zu entkernen? Was hat sie sich von Kohl abgeschaut, wie hat sie ihn getäuscht? „Freiheit“: Der Titel ist ein Hinweis auf das entscheidende persönliche Motiv. Man könnte es auch Selbstsucht nennen. Für einen Regierungschef sollte es nicht allein um die Lust an der Macht gehen. Da ist doch immer noch so etwas wie der Amtseid im Weg, glaubt man. Um die eigene bedingungslose Freiheit kreiste Merkels Karriere. Dass die asymmetrisch demobilisierten Deutschen sie applaudierend bis resignierend zuließen und beförderten, beweist die apolitische Dekadenz der hiesigen Gesellschaft und besonders ihrer politischen Eliten. Von Merkel regiert zu werden, fühlte sich lange mühelos an. Man spürte es kaum. Das war der Trick. Jetzt haben wir den Salat.

II.

Der Frau ohne – erkennbare – Eigenschaften gegenüber steht in dieser Woche das Schauspiel des Mannes, der als Verwirtschaftungs- und Energiekrisenminister Merkels Werk – kaum gebremst vom Kanzler und den „Liberalen“ – fortgeführt hat. Und immer noch glauben allen Ernstes viele Leute, er hätte das Zeug zum Kanzler „für die Menschen“. Sie haben in gewisser Weise sogar Recht. Wenn man sogar einer Angela Merkel 16 lange Jahre den Job überlassen hat, warum dann nicht auch ihm? Habeck ist nur insofern das schiere Gegenteil von Merkel, als in jedem Augenaufschlag seines leicht geneigten Kopfes mehr zu lesen ist, als in 750 Seiten Merkel. Ein ganzes Weltbild trübt ihm den rührseligen Blick. Auf der Grundlage profunder Ahnungslosigkeit bricht er die Herzen – nicht nur der stolzesten Frauen, sondern wohl auch der beschränktesten Männer. Noch ein Unterschied: Ihr ist alles egal. Wenn die Leute sagen, „die Merkel wars“, soll es ihr recht sein. Sie zuckt mit den Schultern. Er dagegen giert dauernd nach Zustimmung, will geliebt werden. Sie hält sich für ihr eigenes Werk. Er sich wohl für ein Geschenk der Vorsehung. Wo bei Merkel alles Nichts war, ist bei Habeck nichts Alles. Die Rolle von Anne Will im Team Merkel übernahm im Team Habeck dieser Tage Caren Miosga im Ersten. Ihre schmachtenden Blicke waren reinste Pornografie. Um im Bild zu bleiben: Politische Dekadenz schlägt um in Sadomasochismus.

III.

So sehr sie sich auch unterscheiden, Merkel und Habeck sind das Albtraumpaar der deutschen Demokratie. Ein Shakespeare unserer Tage nähme sie als Vorbild für Macbeth in einer neuen zeitgemäßen Version, demokratisch, unblutig und cool und dennoch verheerend. Im „unbedingten Willen zur Macht“ (Merkel), das Volk als betreuungsbedürftig und manipulierbar verachtend, sind sie vereint. Was für ein Jammer, dass die beiden nicht im Kabinett zusammenkommen konnten. Aber sie sollten sich in Zukunft finden und ein gemeinsames Werk verfassen. Er, der fiktionale Jugendbuchpädagoge: Die Welt als Vorstellung. Sie die knochentrockene Machiavellistin: Die Welt als Wille. Gemeinsamer Titel: Wege zur Macht. Kein Märchen.

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