Einen Anspruch auf anstrengungslosen Wohlstand hat einmal der frühere FDP-Chef Guido Westerwelle in der deutschen Gesellschaft beobachtet. Er nannte das „spätrömische Dekadenz“.
Westerwelle ist tot, Friede seiner Asche. Aber das, was er da 2010 konstatierte, ist noch heute quicklebendig. Vor allem beim ZDF.
„Backgroundcheck: Was kosten uns die Reichen?“, so nennt das Zweite Deutsche Fernsehen einen Beitrag bei YouTube. Schon der Titel ist irreführend: Denn das Einzige, was dort faktentreu „gecheckt“ wird, ist der Hass von Autor Oliver Klein auf die Marktwirtschaft. Das ist für sich schon bemerkenswert bei einem Sender, der selbst ja gar keiner Konkurrenz an irgendeinem Markt ausgesetzt ist, sondern dem das Geld in Form von Zwangsgebühren hinterhergeworfen wird.
Der passende Begriff für diese Gesinnungsprobe eines hochbezahlten pathologischen Kapitalismusfeindes wäre wohl „Machwerk“. Es gab Zeiten im deutschen Fernsehen, da waren solche Machwerke üblich. Die Zeiten sind vorbei, dachten wir.
Falsch gedacht.
Kleins Beitrag strotzt vor inhaltlichen Fehlern und beschränkt sich ausschließlich auf Interviewpartner, die zu seinem unternehmerfeindlichen Erzählsatz passen: Zu Wort kommen antikapitalistische Lobby-Organisationen und ein Mitarbeiter der Partei „Die Linke“. Deren Aussagen werden vom selbsternannten „Background-Checker“ weder überprüft noch sonst wie kritisch eingeordnet. Zudem lässt Klein relevante Fakten konsequent weg, wenn sie nicht in sein Weltbild passen.
Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge.
Das hat Marie-Christine Ostermann so gewurmt, dass die Präsidentin des wichtigen Wirtschaftsverbands „Die Familienunternehmer“ einen Offenen Brief an die Mainzelmännchen geschrieben hat. Darin seziert sie geradezu chirurgisch exakt den ganzen Blödsinn, den der „Journalist“ Klein im Namen und auf Rechnung des ZDF da verbreiten durfte.
„Überall fehlt es an Geld“
Das ist natürlich blanker Unfug. Der Staat schwimmt im Geld. 2026 durchbrechen die Steuereinnahmen die Schallmauer von einer Billion Euro. In Zahlen: 1.000.000.000.000. Zwölf Nullen. „Nicht nur in absoluten Zahlen ist der Staat ein Geldgigant, auch im Verhältnis zur Kraft unserer Volkswirtschaft“, schreibt Ostermann zu recht und führt die Staatsquote an: Die beschreibt das Verhältnis von Staatsausgaben zur gesamten Wirtschaftsleistung eines Landes. Mit 48,6 Prozent ist sie derzeit bei uns so hoch wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.
Der Staat hat keineswegs zu wenig Geld. Er gibt nur zu viel aus – und für die falschen Dinge.
„Einfache Arbeitnehmer zahlen doppelt so viele Steuern wie ein Multimillionär“
Die Aussage lässt einen besonders ratlos zurück – weil es ihr an allem fehlt, was eine These überhaupt erst diskutabel macht. Zum einen wird hier Einkommen mit Vermögen vermischt. „Wer Bargeld im Millionenwert unter dem Kopfkissen hortet, zahlt darauf keine Steuern, denn er generiert ja kein Einkommen damit“, schreibt Ostermann richtig.
Auch sonst ist an Kleins Behauptung nichts korrekt. Die oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen erbringen mehr als die Hälfte der gesamten Lohn- und Einkommensteuer. Ein Einkommensmillionär zahlt natürlich sowohl prozentual als auch absolut viel mehr Steuern als ein „einfacher Arbeitnehmer“.
Noch nicht einmal die Steuersätze konnte Klein richtig recherchieren: Er behauptet, dass der Beitragssatz zur Einkommensteuer maximal 45 Prozent beträgt. Tatsächlich sind es – den Soli korrekterweise mitgerechnet – bis zu 47,475 Prozent.
Und dann sagt der Zwangsgebührenempfänger allen Ernstes noch, die Einkommensteuerlast bei uns sei deshalb so niedrig, weil es keine Vermögenssteuer gibt. Hier rauft sich jede Steuerfachgehilfin die Haare: Vermögenssteuer besteuert Vermögen, Einkommensteuer besteuert Einkommen. Beides hat miteinander nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Angemessen süffisant bemerkt Ostermann: „Hier muss man schon ein wenig ins Steuerrecht eintauchen, was einem seriösen ‚Background‘-Format aber eigentlich nicht schwerfallen dürfte.“
Wer sind die „Superreichen“?
An dieser Stelle wird klar, dass Oliver Klein keine Dokumentation und auch keinen „Backgroundcheck“ gefertigt hat, sondern ein Propaganda-Filmchen für alle Feinde der Marktwirtschaft.
Denn des ZDF-Wüterichs „Multimillionäre“ sind ausschließlich Unternehmer. Im markt- und konkurrenzfreien Zwangsgebühren-Kosmos des ZDF mag man das nicht wissen, aber: Das sind Menschen, die selbst arbeiten, in Deutschland Arbeitsplätze schaffen und zu Deutschlands Wohlstand beitragen.
Klein fabuliert weiter, dass seine „Multimillionäre“ bei uns angeblich im Schnitt nur 21 Prozent Steuern zahlen. Es dürfte kein Zufall sein, dass der ZDF-Mann für diese Behauptung keinerlei Quelle angibt – denn die Behauptung ist schlicht falsch.
Inhaber von Personengesellschaften (OHG, KG, …) versteuern den Unternehmensgewinn als ihr persönliches Einkommen nach dem Einkommensteuergesetz. Da werden also bis zu 47,475 Prozent fällig. Anteilseigner von Kapitalgesellschaften zahlen über das Unternehmen Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag und sehr oft Gewerbesteuer. Für Ausschüttungen bzw. Privatentnahmen zahlen sie dann noch einmal Abgeltungssteuer. Insgesamt kommt man auf ca. 51 Prozent.
51 Prozent, nicht 21 Prozent.
Die Sache mit der Erbschaftsteuer
Klein setzt seinem Zuschauer den Floh ins Ohr, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die Erbschaftsteuer in ihrer aktuellen Form wiederholt für verfassungswidrig erklärt, aber geändert habe sich nichts.
In Wahrheit hat das BVerfG im Jahr 2014 die Erbschaftsteuer für teilweise verfassungswidrig erklärt. Deswegen hat der Bundestag das entsprechende Gesetz im Jahr 2016 geändert. Auch gegen die Änderungen gibt es mittlerweile neue Klagen, die liegen aber alle noch in Karlsruhe. Und solange dort kein neues Urteil fällt, gilt die Erbschaftsteuer in ihrer aktuellen Form und ist auch rechtsgültig.
Selbst wenn das einem ZDF-Mitarbeiter nicht in den Kram passt.
Die Sache mit der Vermögensteuer
Oliver Klein suggeriert unaufhörlich etwas anderes, doch die Wahrheit ist: Milliardäre zahlen auf ihr Privatvermögen die gleichen Erbschaftsteuern wie einfache Arbeitnehmer. Wer viel Geld auf dem Konto hat, zahlt auch hohe Steuern.
Besondere Regeln gibt es in der Tat für Beteiligungen an Betrieben. Denn der größte Teil des Unternehmenswerts liegt fast immer weniger als Barvermögen auf der Bank, sondern ist in den Anlagen, Immobilien und Patenten des Unternehmens betrieblich gebunden.
Ein Unternehmenserbe kann die Erbschaftsteuer aber nur schlecht mit Maschinenteilen bezahlen. Also müssten bei einer Erbschaft oder Schenkung jedes Mal Unternehmensanteile verkauft werden, um liquide Mittel zu erhalten, mit denen dann die Erbschaftsteuer bezahlt werden kann. Dabei würde im Prinzip bei jeder Erbschaft oder Schenkung das betreffende Unternehmen ruiniert.
Das passiert gerade in Großbritannien. Da will die linke Labour-Regierung künftig kräftig Erbschaftsteuer kassieren, wenn aktive Bauernhöfe von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Doch die wenigsten Landwirte haben viel Geld auf der Bank. Ihr Vermögen steckt im Hof: im Land, in den Stallungen, im Vieh, in den Maschinen. Nach Schätzungen des britischen Bauernverbands wird jeder fünfte Erbe nun den Hof verkaufen müssen, nur um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können.
Und das will der „Background-Checker“ des ZDF für die ganze deutsche Industrie.
„Lobbyisten“ oder „Experten“?
Für Oliver Klein ist der Bund der Steuerzahler eine „Lobby-Organisation“, die Familienunternehmer sind die „Lobby der Superreichen“. Im Verein „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ und in den Büros von Abgeordneten der „Linken“ sitzen dagegen „Experten“.
Interessant, denn das „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ ist mit der Nummer R002719 im Lobbyregister des Deutschen Bundestags eingetragen.
Merkste selber, oder?
Die Familienunternehmer
Als Beispiele für Mitglieder des Verbands werden Konzerne genannt: Bahlsen, BMW oder die Dr.-Oetker-Gruppe. Leider hat das ZDF sich nicht die Mühe gemacht, bei den „Familienunternehmern“ auch nur einmal nachzufragen.
Dann hätte Oliver Klein schnell erfahren können, dass in dem Verband Unternehmen gar nicht Mitglied werden können – sondern nur Unternehmer: also Menschen, die mit ihrem Eigentum und ihrer eigenen Hände Arbeit mindestens zehn Arbeitsplätze geschaffen haben müssen.
Noch nicht einmal da hat sich das ZDF richtig informiert.
Fassen wir zusammen:
Für eine riesige Organisation müssen die Menschen in Deutschland jedes Jahr einen Milliardenbetrag zahlen – unabhängig von der erbrachten Leistung. Die Organisation leistet sich mit genau diesem zwangsweise eingezogenen Geld die teuersten Anwälte, um vor Gericht durchzusetzen, dass sie noch mehr Geld bekommt.
Gleichzeitig verbreitet die Organisation – sehr aufwändig, mit hohem Ressourceneinsatz – böswillige Falschinformationen. Mit denen diffamiert sie Menschen, die keine Zwangsgebühren bekommen und also kein garantiertes, anstrengungsloses Milliardeneinkommen haben.
Guido Westerwelle hatte recht.
Aktualisierung
Das ZDF hat mittlerweile nachgeliefert. Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte sich darüber beschwert, dass sein Bild im Beitrag auftauche und warf dem Sender „Einseitigkeit“ vor. Das ZDF dokumentierte die Videokritik in sozialen Medien und entfernte Lindners Beitrag. Aus diesem Grund interviewte die Redaktion mit Tobias Hentze einen weiteren Experten, um dem Auftrag der Ausgewogenheit nachzukommen – ein Schritt, den das ZDF auch im ersten Anlauf hätte unternehmen können.