Eine Gruppe von 17 Verfassungsrechtlern gibt sich überzeugt: Ein Verbot der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) könnte (sic!) gelingen. So heißt es in einer aktuellen, am 28. November eingereichten, 31 Seiten umfassenden, angeblich „unaufgeforderten“ Stellungnahme für den Innenausschuss und den Rechtsausschuss des Bundestags. (Das Papier liegt TE vor.) Unter den 17 Rechtsprofessoren sind 3 von der Universität Münster, 4 von privaten Universitäten und je 1 Rechtsprofessor der Universitäten bzw. Fachhochschulen Kiel, Bundeswehr-Uni München, Bielefeld, Bochum, Köln, Kassel, Harz, Flensburg, Trier und Würzburg.
Aha, dann hat also der vom 15. Dezember 2018 bis Ende 2024 amtierende BfV-Präsident Thomas Haldenwang (demnächst vielleicht Wuppertaler CDU-Bundestagskandidat) jahrelang für den Papierkorb gearbeitet. Reichlich nebulös heißt es bei den 17 Verfassungsrechtlern: „Die AfD ist danach gerade der prototypische Fall einer Partei, durch die die spezifischen Mechanismen der grundgesetzlichen wehrhaften Demokratie aktiviert werden sollen.“
Wie die „17“ argumentieren
- Die AfD offenbare über „Äußerungen und Verhalten von Mitgliedern der AfD ihr völkisch-nationalistisches Programm“.
- Außerdem bestehe ein wichtiger Teil der Strategie der AfD daraus, politische Akteure sowie demokratische Prozesse zu delegitimieren. Durch „Delegitimierung von Medien“ stärke die AfD „parteinahe Kanäle und Medien mit dem Ziel, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es eines gewaltsamen politischen Umbruchs bedarf“.
- Die AfD habe sich zunehmend radikalisiert. Das konkrete Verhalten der Parteimitglieder über die vergangenen Jahre offenbarten „ihre wahren verfassungsfeindlichen Absichten“.
- Das Argument, man müsse die AfD politisch stellen, überzeugt aus Sicht der Rechtswissenschaftler nicht. „Die politische Auseinandersetzung erfordert zumindest, dass die Kontrahenten dieselben Regeln beachten.“ Und weiter: „Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie. Das führt jegliche politische Auseinandersetzung ad absurdum, einem solchen Verhalten stehen demokratische Parteien faktisch machtlos gegenüber.“
- Zwar würden rechtsextreme Ansichten in der Gesellschaft durch ein Verbot nicht beseitigt, heißt es im Papier weiter. Ein Parteiverbot verhindere jedoch „auf überaus wirksame Weise, die weitere Unterhöhlung demokratischer Institutionen, auf die eine verfassungswidrige Partei in der Übergangsphase hin zu einem anderen politischen System notwendig angewiesen ist“.
Die 17 sind sich obendrein nicht zu schade, die „Correctiv“-Fake-Story von einem angeblichen Geheimtreffen der AfD im November 2023 in Potsdam mit angeblichen „Deportationsplänen entlang rassistischer Zuschreibung“ zu bemühen.
Die Stellungnahme enthält sodann eine Materialsammlung, die die verfassungsfeindliche Bestrebung der AfD untermauern soll. Darin finden sich Social-Media-Beiträge, Aussagen aus Talkshows und von Parteitagen – getätigt von AfD-Politikern auf Landes- und auch Bundesebene. Mit anderen Worten: Die 17 Professoren scheinen dem BfV den Job erledigt zu haben.
Der Rückhalt in den Fraktionen ist aber sehr unterschiedlich. Die 113 Unterzeichner (von 734 Abgeordneten) verteilen sich auf die Fraktionen wie folgt: „Grüne“ 56, SPD 31, „Linke“ 18, CDU 7, 1 Südschleswigscher Wählerverband (SSW). Kein MdB übrigens aus CSU, FDP und BSW. Unter den 7 CDU-MdB mindestens zwei, die dem Bundestag nicht mehr angehören werden und auf eine erneute Kandidatur verzichten: Antragsinitiator Marco Wanderwitz und dessen Lebensgefährtin Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas (beide CDU Sachsen).
Bisherige Parteiverbote und Bewertung
Das Verbot einer Partei ist nach Artikel 21 des Grundgesetzes möglich, die Hürden sind aber hoch. Seit Geltung des Grundgesetzes wurden zwei Parteien verboten: 1952 die aus alten Nazis bestehende Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Ein Verbot der rechtsextremen NPD (mittlerweile umbenannt in „Die Heimat“) hat das Bundesverfassungsgericht zwei Mal abgelehnt. 2003 zunächst, weil V-Leute als Informanten des Verfassungsschutzes in der Partei einflussreiche Posten innehatten. 2017, beim zweiten Urteil, bescheinigte Karlsruhe der NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele, hielt sie aber für zu unbedeutend, um die Demokratie zu gefährden.
TE hat den Staatsrechtler un TE-Autor Ulrich Vosgerau um eine erste Einschätzung der 31 Seiten gebeten. Wörtlich sagte er gegenüber TE: „Es ist allein schon eine Albernheit, ein Papier von 31 Seiten mit 17 Autoren zu präsentieren.“ Vosgerau weiter: Das Papier sei „geradezu ein Machwerk“, wie etwa die folgende Passage des Papiers zeige:
„Die politische Auseinandersetzung erfordert zumindest, dass die Kontrahenten dieselben Regeln beachten. Das ist, bildhaft gesprochen, nicht der Fall, wenn zum Fußballspiel eine Mannschaft mit Baseballschlägern bewaffnet erscheint: dann kann – um eine leidige Sportmetapher zu bemühen – der Gegner nicht mit spielerischen Mitteln gestellt werden. Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie. Das führt jegliche politische Auseinandersetzung ad absurdum, einem solchen Verhalten stehen demokratische Parteien faktisch machtlos gegenüber; die Forderung, die AfD politisch zu stellen, kann nicht eingelöst werden, ist insofern unfair.“
Vosgerau dazu: „Hier wird überhaupt nicht erkennbar, was der AfD vorgeworfen wird. Man erfindet eine steile Metapher, verrät nicht, wofür sie in der realen Welt stehen soll und erklärt dann: wegen unserer Metapher kann man keine politische Auseinandersetzung mit der AfD führen, also muss sie verboten werden.“
Renommierte (renommiertere) Verfassungs- und Staatsrechtler sehen ein Verbot der AfD ohnehin skeptisch. Ex-Verteidigungsminister und Staatsrechtler Professor Rupert Scholz sagte TE am 13. Januar 2024 in einem Interview: „Die AfD ist in der Form, in der sie heute besteht, keine verfassungswidrige oder gar zu verbietende Partei.“ Scholz weiter: Demokratiedefizite sieht er eher bei den Gegnern, die dafür das Grundgesetz fehlinterpretieren.
Prof. Christoph Degenhart (Universität Leipzig) sagte dem Bayerischen Rundfunk am 2. Oktober 2024 zur Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren: „Im Fall der AfD reicht deren Programm als Beweismittel für einen Verbotsantrag schon mal nicht aus. Daraus geht nicht hervor, dass die AfD die demokratische Ordnung abschaffen will.“
Und der Politologe Peter Graf von Kielmansegg gibt in der „Jungen Freiheit“ vom 29. November 2024 im Übrigen zu bedenken: „Insbesondere die AfD-Wähler in den ostdeutschen Ländern würden das Verbot wohl als Entzug des Wahlrechts wahrnehmen. Die Assoziation ‚Die Bundesrepublik ist genauso undemokratisch wie die DDR‘ wäre unvermeidlich. Was das für die politische Entwicklung im Osten hieße, kann niemand vorhersagen. Zum Besseren würden sich die Dinge aber sicher nicht wenden.“
Die 31 Seiten der 17 Verfassungsrechtler könnten zu einem Eigentor werden. Zu durchsichtig ist die Terminierung des Schriftsatzes im unmittelbaren Vorfeld eines Wahlkampfes. Die 31 Seiten werden auch keinen überzeugten AfD-Wähler abhalten, AfD zu wählen; sie werden eher manch andere Wähler motivieren, jetzt erst recht AfD zu wählen. Die „17“ hätten der AfD damit – wie auch die 113 MdBs – einen Dienst und sich selbst einen Bärendienst erwiesen.