Tichys Einblick
Zum Jubiläum Neuauflage des Spendensongs

Ärger um „Do they know it’s Christmas“: Können Spenden rassistisch sein?

Aufregung um die Neuauflage eines Weihnachtshits: Der Spendensong von Band Aid sorgt auch nach 40 Jahren noch für Kritik – er verfestigt pauschale und klischeehafte Vorstellungen über den afrikanischen Kontinent. Aber: Sind der Song und die dadurch generierten Spenden rassistisch?

picture alliance / empics | Band Aid

Spenden für Afrika? Das ist rassistisch! Zumindest, wenn es nach den Kritikern des Projektes Band Aid geht: Als Mitte der Achtzigerjahre eine Hungersnot in Äthiopien wütet, schreiben Bob Geldof and Midge Ure einen Song, um Spenden zu sammeln. Stars der Musikszene leihen Namen und Stimme, um Menschen dazu zu animieren, angesichts der heimeligen Wohlfühlweihnachten im reichen Westen jene nicht zu vergessen, die leiden. „Do they know it’s Christmas“ wurde ein durchschlagender Erfolg, mehrfach wurde der Song wieder aufgelegt. Natürlich regte sich auch Kritik: Wirklich musikalisch wertvoll ist das Lied nicht, und das war auch nicht das Ziel – man wollte Geld für Hungernde generieren, und das gelang hervorragend.

Mit der Neuauflage des Songs zu seinem vierzigsten Geburtstag erhalten wiederum auch alte Einwände neuen Schwung: Die stereotype und verallgemeinernde Darstellung Afrikas als Krisenkontinent gefällt nicht nur vielen Afrikanern nicht, auch im Westen wird dies kritisiert. Der aus Ghana stammende Rapper Fuze ODG etwa lehnt die Verfestigung von Klischees ebenso ab wie Ed Sheeran, der sich unglücklich darüber zeigte, dass seine 2014 beigesteuerte Aufnahme nun auch in der 2024er-Version auftaucht.

Einseitige Klischees über Afrika werden verfestigt

Grundsätzlich ist diese Kritik berechtigt: Afrika ist ein riesiger Kontinent mit 54 Ländern, mit unzähligen Kulturen und sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen. Dass „Afrikaner“ nicht mit verhungernden äthiopischen Kindern identifiziert werden möchten, ist nachvollziehbar.

Ebenso stellt sich die Frage, ob die Forderung „Feed the world“ nicht eine Überforderung und Anmaßung darstellt. Der „reiche“ Westen tut, als könne man alle Probleme mit Geld lösen, erkauft sich ein gutes Gewissen, fühlt sich moralisch überlegen, und kann zudem Ansprüche erheben: Der Geldgeber kann dem Schuldner vorschreiben, wie er zu leben und zu denken, was er zu tun hat. An Selbstbeweihräucherung und Sendungsbewusstsein fehlt es westlichen Eliten in dieser Hinsicht oft nicht. Wie effektiv Kontrolle durch Geld im konkreten Fall ist, ist eine andere Frage.

Allerdings wird der etablierte Topos von Hilfsorganisationen weidlich genutzt, um Spendengelder zu akquirieren – Kinderpatenschaften, Brunnenbau, Schulen, Mahlzeiten, Kleidung: Der Ausdruck „für Afrika“ ist hinreichender Beleg für die Notwendigkeit der Spende; die Abbildung eines schwarzen Kindes ist zum Synonym für Hilfsbedürftigkeit geworden und kommt beim potenziellen Spender intuitiv und ohne weitere Erklärung an, so tief sind die erschütternden Bilder von Hungersnöten, Dürren und Bürgerkriegen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Und dass es Krisengebiete auf dem Kontinent gibt, in denen Menschen unsägliches Leid erfahren, ist nicht zu leugnen.

Auch in der woken Welt bleibt der dunkle Mensch „Opfer“

Besonders pikant an der Kritik ist allerdings, dass sie die Viktimisierung Dunkelhäutiger auf die Spitze treibt – im Namen der Nichtviktimisierung. Wer nicht hilft, ist rassistisch, weil er schwarze Menschen ihrem Schicksal überlässt. Wer hilft – ist es auch. So oder so, der „Weiße“ ist Täter, der „Schwarze“ ist Opfer. Somit ist die Kritik selbst Teil der Klischeebildung, die sie ablehnt.

Der Impuls der Musiker von damals, ihre Popularität zum Wohle anderer einzusetzen, war vielleicht naiv, vielleicht selbstbesoffen, vielleicht zu gut gemeint, aber in jedem Fall zutiefst menschlich. Das zählt in der woken Welt nicht.

So ist mittlerweile der Begriff des „White Saviourism“ etabliert, das „weiße Helfersyndrom“: Der Ausdruck denunziert Hilfsbereitschaft zufällig „weißer“ Menschen als per se chauvinistisch und herablassend. Diesem Vorwurf musste sich etwa die in Wohltätigkeitsprojekten sehr rührige Dolly Parton aussetzen, weil sie unterprivilegierten Kindern Zugang zu Büchern ermöglichte.

Angesichts von „Do they know it’s Christmas“ bietet sich solche Kritik natürlich an, geht es hier doch tatsächlich vorrangig um Hilfe für den „Schwarzen Kontinent“ – auf dem, nebenbei bemerkt, mitnichten nur Schwarze leben.

Der Gleichheitswahn verschlingt sich selbst

Die durchaus richtige Beobachtung der woken Ideologen ist, dass es den Helfer automatisch in eine übergeordnete Position rückt, Hilfe anbieten zu können. Tragikomisch ist nun, dass sich der psychotische Gleichheitswahn der woken Linken jetzt sogar dazu versteigt, lieber einem Notleidenden Hilfe zu versagen, als ihm zuzugestehen, nun einmal in Not zu sein. Um Gleichheit zu erzielen, darf niemand in Not sein, und niemand in der Lage oder willens sein, zu helfen.

Ähnlich absurd wäre es, wenn Feministen Frauenhäuser mit der Begründung abschaffen würden, dass Frauen ja gleich und gleichberechtigt seien, und deshalb derartiger Hilfe nicht bedürften.

In dieser Überbietung der eigenen Ideologie zerschlägt man sogar die Narrative, die man eigentlich braucht: Schließlich macht man für den Zustand Afrikas ja nicht in erster Linie zum Beispiel korrupte afrikanische Eliten verantwortlich, sondern „den Kolonialismus“ des weißen Mannes. Nun kann es aber entweder sein, dass der Kolonialismus Afrikaner in eine Lage gebracht hat, aus der sie sich ohne fremde Hilfe nicht befreien können, oder sie stecken eben nicht in einer solchen Lage. Freilich kann hier für unterschiedliche Regionen Unterschiedliches gelten, beides gleichzeitig im selben Kontext ist unmöglich.

Mehr Selbstwirksamkeit heißt auch: Mehr Eigenverantwortung

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Zuletzt stellt sich auch die Frage nach der Konsequenz: Wenn „Afrika“ nicht als Bittsteller der Weltgemeinschaft wahrgenommen werden möchte, dann bedeutet dies auch, auf fremdes Geld zu verzichten, und sich selbst zu helfen: Billionenzusagen für Drittweltländer wie nun auf der Weltklimakonferenz in Baku, Entwicklungshilfe-Milliarden, die in zweifelhafte Projekte fließen; all das wäre dann weitaus unannehmbarer als Spenden eines Wohlmeinenden für konkrete Hilfsprojekte. Es spricht einiges dafür, dass die Milliarden, die an Afrika fließen, dem Kontinent in vielerlei Hinsicht schaden: Korruption wird Vorschub geleistet, Eigenverantwortung erstickt. Es wäre nur zu wünschen, dass die Länder Afrikas die Rolle des „Kranken Mannes“ zurückweisen, und selbstbewusst und selbstwirksam ihren Platz in der Weltgemeinschaft behaupten.

Aus der Opferrolle herauszutreten kann aber nicht bedeuten, andere zu diskreditieren: Dieses Anliegen sollte erstens nicht zur Diffamierung derer führen, die angesichts akuter Krisen helfen wollen – ganz gleich, wo diese Krisen herrschen. Zweitens ist dem Versuch, hellhäutige Menschen zu pathologisieren, und ihnen einzureden, jegliche Verhaltensweise sei falsch, da sie per se und durch ihr „Weißsein“ Rassisten seien, entschieden zu widersprechen. Denn eine solche Haltung ist nur eines: rassistisch.

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