Tichys Einblick
Meteorologen prognostizieren Kältewinter

Europa droht der kälteste Winter seit Jahren – die Energiekosten steigen weiter

Meteorologen erwarten den kältesten Winter seit Ausbruch des Ukraine-Krieges. Bereits im November haben tiefe Temperaturen und windarme Wetterbedingungen zu schnelleren als üblichen Entnahmen aus den Gasspeichern geführt. Die hohen Energiekosten dürften weiter steigen. Von Richard Schmitt

Symbolbild

picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Die Gasspeicher werden in den kommenden Wintermonaten rascher entleert als in den vergangenen zwei Winterperioden, die ohnehin schon hohen Heiz- und Stromkosten dürften nochmals deutlich steigen: Wie die Daten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) zeigen, werden die Temperaturen bis März meist unter den Werten der beiden Vorjahre liegen – es kommt der kälteste Winter seit Ausbruch des Ukraine-Krieges.

Bereits jetzt fürchten sich viele Haus- und Wohnungsbesitzer vor dem Öffnen der Kuverts mit den Abrechnungen für die Energiekosten, für diesen Winter sollte aber noch zusätzlich zum kalkulierten Budget etwas zur Seite gelegt werden: Das Wetter verschärft die bereits drückende Energiekrise, die durch den Ausfall russischer Gaslieferungen – etwa an Österreich – sowie einer drohenden Pipeline-Sperre durch die Ukraine ab 1. Januar die Preise für Gas und Strom stetig steigen lässt.

Andrew Pedrini, Meteorologe beim US-Wetterdienst Atmospheric G2 in New Hampshire, erklärt dazu gegenüber Bloomberg: „Längere Kälteperioden könnten durch das sogenannte plötzliche Stratosphärenerwärmungs-Ereignis – Sudden Stratospheric Warming, ein SSW – verursacht werden, das zu einem schwächeren Polarwirbel führt.“ Polarwirbel sind ein dynamisches Phänomen, das kalte Wetterbedingungen normalerweise auf die Pole beschränkt. „Wir beobachten derzeit genau das Wettermuster im November, da es mehr Ähnlichkeit mit Wintern zeigt, die schließlich ein SSW-Ereignis hatten“, so Pedrini.

Der Wetterdienst Maxar Technologies liefert folgende Prognose für die Wintermonate: Überwiegend milde Bedingungen für Nord- und Mitteleuropa, wobei kältere Temperaturen vor allem im Süden, etwa in Italien und auf dem Balkan, zu erwarten sind, sagt Maxar-Meteorologe Matthew Dross voraus.

Das aktuelle Modell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) zeigt Szenarien, in denen vor allem gegen Ende des Winters mit deutlich kälterem Wetter gerechnet werden muss: Sollte sich ein stabiles Tiefdruckgebiet über Skandinavien bilden, könnten kalte arktische Luftmassen direkt nach Mitteleuropa strömen und Deutschland sowie Österreich mit Schnee und Eis eindecken.

Und die Experten des Instituts Weather Services International mit Hauptsitz in Andover, Massachusetts, das sich auf Wettervorhersagen für den Energiesektor spezialisiert hat, um die Energieproduktion und -verteilung effizienter zu gestalten, meinen: Die Temperaturen dürften im Dezember in Europa stark sinken, was die Heizungsnachfrage auf überdurchschnittliche saisonale Werte ansteigen lässt. In Oslo soll die Durchschnittstemperatur am 8. Dezember auf -12 °C fallen, was 9 °C unter dem 30-jährigen Durchschnitt liegt.

Bereits jetzt haben tiefe Temperaturen und windarme Wetterbedingungen im November zu schnelleren als üblichen Entnahmen aus den Gasspeichern geführt. Diese Entwicklung sorgt für massive Bedenken hinsichtlich der Versorgungssicherheit für den späten Winter und auch für die Nachfüllsaison im nächsten Sommer. Und natürlich erhöht jede Eskalation der Kämpfe zwischen Russland und der Ukraine die Energie-Risiken Europas zusätzlich.

Richard Schmitt, Journalist, Wien

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