Der Angriff auf den deutschen Rechtsstaat geht von zwei Zentren aus: dem Regierungsviertel in Berlin samt angeschlossenen Hilfstruppen wie der steuerfinanzierten Plattform „Hate Aid“ und dem privatwirtschaftlich von drei FDP-Politikern betriebenen Unternehmen „SO DONE“, letzteres eine Aufspüragentur, die mit künstlicher Intelligenz im Netz nach wütenden, aber bei weitem nicht durchweg justiziablen Bürgeräußerungen fahndet.
Bei der zweiten und bisher noch unzureichend beleuchteten Kraft, die an der Unterminierung des Grundgesetzes arbeitet, handelt es sich um die Justiz in Bamberg. Dass hier ganz besondere Richter und Staatsanwälte wirken, wissen TE-Leser seit einer Recherche, die sich mit der abstrusen Anklage gegen den Künstler Simon Rosenthal befasste. Die Bamberger Anklagebehörde zerrte Rosenthal vor Gericht, weil er sich in einer Collage kritisch mit dem Satz „Impfen macht frei“ auseinandersetzte, den der bayerischer CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Huber in der Corona-Zeit wortwörtlich so verwendete.
Während der Politiker von der Justiz völlig unbehelligt blieb, konstruierten die Juristen der Sonderrechtszone Bamberg einen Volksverhetzungsvorwurf gegen Rosenthal, der sich auf die Behauptung stützt, der Konzeptkünstler würde, indem er den CSU-Mann zitiert, den Holocaust „verharmlosen“. Obwohl die irrsinnige Anklage in der ersten Instanz mit einem Freispruch endete, betreibt die Staatsanwaltschaft Bamberg das Verfahren weiter. Und bei dieser Affäre handelt es sich nicht etwa um eine Ausnahme. Sie gehört zu einem System.
Die Hausdurchsuchung gegen den Rentner Stefan Niehoff, der auf X das mittlerweile bundesweit bekannte „Schwachkopf professional“-Meme mit Habecks Bild lediglich repostet hatte, geht ebenfalls auf die Staatsanwaltschaft Bamberg zurück, genauso wie das Ermittlungsverfahren gegen Niehoff wegen eines anderen Posts auf X, in dem der Mann den linken Boykottaufruf gegen das Unternehmen Müllermilch mit der Boykottaktion der SA gegen jüdische Geschäfte während der NS-Zeit verglichen hatte.
Nach der gleichen Methode, die sie schon gegen Rosenthal verwendete, sieht die Behörde in Bamberg darin nicht etwa einen stark überdehnten, aber unter den Maßgaben der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit völlig legitimen Beitrag, sondern, siehe oben, einen Anfangsverdacht der „Volksverhetzung“ nach Paragraf 130 Absatz 3 Strafgesetzbuch: Sie tut einfach so, als hätte der Rentner dadurch, dass er das Foto eines SA-Manns vor einem jüdischen Laden postete und in Bezug auf die Boykottforderung gegen Müllermilch dazuschrieb: „Gab es alles schon mal“, ähnlichen Aktionen gegen jüdische Geschäfte hier und heute das Wort geredet hätte.
Sowohl Habeck als auch Faeser erhielten den Hinweis, dass es die entsprechenden Veröffentlichungen auf X gab, von der Polizei Bamberg, verbunden mit der Frage, ob sie Anzeige erstatten wollten. Ohne ihren Strafantrag hätte es die folgenden Ermittlungen und in Bendels Fall das Urteil gar nicht gegeben. Dass die beiden Regierungspolitiker so verfuhren, könnte daran liegen, dass sie von dem Ausnahmeregime wissen, dass einige verfolgungseifrige Justizbeamte in Bamberg es für rechtens halten. Politische Würdenträger wünschen natürlich nicht, dass es ihnen so geht wie beispielsweise Habeck bei der Staatsanwaltschaft Hamburg, die entschied, die Bezeichnung „Idiot“ für den Minister sei kontextbedingt durchaus in Ordnung und daher nicht zu verfolgen. Oder bei dem Landgericht Wuppertal, das – als zweite Instanz – urteilte, die Formulierung „Flintenweib“ für die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sei von der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz und mehreren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts vollauf gedeckt (was übrigens keinen überrascht, der die einschlägigen Urteile kennt.
Für alles, was jemand auf X oder in einem anderen Netzwerk postet, kommt jeder beliebige Gerichtsstand zur Verfolgung in Frage, denn die mutmaßliche Tat findet bundes- (und eigentlich weltweit) statt. Wenn sich in einer Justizbehörde Beamte gegenseitig in ihrer Rechtsmeinung bestätigen, und sei sie noch so verfassungsignorant, dann läuft die Maschinerie erst einmal rund. Sie produziert Anklagen und Urteile, die zwar die oberen Instanzen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht überleben, aber erst einmal dem labilen Ego schlechter Bundespolitiker schmeicheln. Zurzeit findet also die Bambergisierung der Verfolgung von Äußerungsdelikten statt. Angesichts dieser Systematik drängt sich der Verdacht von Rechtsbeugung (Paragraf 339 StGB) und Verfolgung Unschuldiger (Paragraf 344 StGB) geradezu auf.
Wem der Befund zu hart erscheint, der sollte sich Formulierungen in dem von dem Bamberger Richter Matthias Bachmann ausgestellten Strafbefehl gegen den Künstler Simon Rosenthal vor Augen führen. Dort heißt es beispielsweise, gestützt auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft:
„Die Phrase ‚Impfen macht frei‘ ist angelehnt an die Wendung ‚Arbeit macht frei‘. Diese wurde, wie Sie wussten, als zynische Toraufschrift an den meisten nationalsozialistischen Konzentrationslagern verwendet, u. a. in Auschwitz. Die Konzentrationslager, insbesondere das Lager in Auschwitz, stehen stellvertretend für die Verfolgung von Minderheiten während der nationalsozialistischen Diktatur, vor allem aber für die systematische und staatlich organisierte Deportation, Inhaftierung und Ermordung der europäischen Juden (Holocaust). Deshalb wird die Wendung ‚Arbeit macht frei‘ gemeinhin als Chiffre und Synonym für den Holocaust verstanden.“
Abgesehen von der sprachlichen Perle der Konzentrationslager, die stellvertretend für Verfolgung stehen: Nur dadurch, dass der Richter den sehr viel älteren Spruch, der auf Kierkegaard zurückgeht, zur „Chiffre und Synonym für den Holocaust“ erklärt und behauptet, ‚Arbeit macht frei‘, egal mit welcher Absicht zitiert, bedeute inhaltlich das gleiche wie ‚fabrikmäßiger Judenmord‘, und indem er den CSU-Politiker, den Rosenthal in Wirklichkeit zitierte, mit keinem Wort erwähnt, kommt der Amtsrichter überhaupt über drei schiefe Ecken zu dem Volksverhetzungsvorwurf.
„Ihnen war bewusst“, heißt es weiter in dem gegen Rosenthal gerichteten Strafbefehl, „dass die staatlichen Corona-Maßnahmen und eine Impfung gegen Covid-19 in keinerlei Zusammenhang stehen mit der Verfolgung von Minderheiten, insbesondere der Judenvernichtung zur Zeit des Nationalsozialismus, und dass Ihr Beitrag geeignet ist, gegenüber der Allgemeinheit die haltlose Auffassung zu vermitteln, ungeimpfte Personen hätten ähnliche Repressalien zu erleiden wie die Juden zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, was wiederum einer Vergiftung des politischen Klimas Vorschub leistet und zu einer aggressiven Emotionalisierung bestimmter Bevölkerungskreise führen kann, bis hin zu einer Herabsetzung von Hemmschwellen, mit unmittelbar rechtsgutgefährdenden Folgen.“
Den Zusammenhang zwischen Corona-Maßnahmen und Impfpflicht stellt außer dem Richter selbst weit und breit niemand her, einmal ganz abgesehen davon, dass damals ganz andere Leute der Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas Vorschub leisteten, beispielsweise eine Saskia Esken, die demonstrierende Bürger als „Covidioten“ bezeichnete oder die ZDF-Beiträgerin Sarah Bosetti, die alle, die von der offiziösen Corona-Linie abwichen, zum „Blinddarm der Gesellschaft“ erklärte. Beide blieben selbstredend juristisch unbehelligt, denn Beschimpfungen von oben nach unten richten sich stets gegen eine namenlose Menge. Für eine Beleidigungsklage gibt es also keinen Ansatz; Volksverhetzungsvorwürfe scheitern nach gängiger Rechtsauffassung daran, dass sie kein deutlich umrissenes Kollektiv treffen.
Spätestens, seit die Staatsanwaltschaft Bamberg trotz des Freispruchs in erster Instanz das Verfahren gegen Rosenthal weiterbetreibt, muss man von Obsession sprechen. Die gleiche Verfolgungsbesessenheit spricht auch aus der Anklage gegen Bendels, die dem Journalisten vorwirft, mit seiner Montage „gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§11 Absatz 3 StGB) eine Verleumdung (§187 StGB) aus Beweggründen begangen zu haben, die mit der Stellung des Verleumdeten im öffentlichen Leben zusammenhängen, wobei die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“. Worin die Tätigkeitserschwerung für Faeser konkret besteht, erläutert die Staatsanwaltschaft Bamberg nicht. Auch nicht, wie sie zu der Ansicht kommt, Journalisten müssten Politikern das Leben möglichst angenehm machen.
Im dem Verfahren gegen den Rentner Niehoff, den die Bamberger Justiz nicht nur mit Ermittlungen, sondern auch einer rechtsstaatswidrigen Hausdurchsuchung überzog (auf der Suche nach welchen Beweismitteln eigentlich, da der Mann nie leugnete, den Schwachkopf-Post weiterverbreitet zu haben?), in dieser Affäre jedenfalls sprang die Behörde dem schwerbeleidigten Habeck auch noch mit einer Pressemitteilung zur Seite, als der Kanzlerkandidat in Bedrängnis geriet, da die Verfolgung eines harmlosen Rentners denkbar schlecht zum sorgfältig kuratierten Image des nicht etwa schwach- sondern wuschelköpfigen Bürgerverstehers passt.
In dieser Mitteilung vom 15. November bestätigte die Behörde zwar, dass die Durchsuchung ausschließlich wegen des „Tatverdachts einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung gem. §§ 185, 188, 194 StGB erfolgte“, und zwar, weil „Dr. Robert Habeck“ Strafantrag stellte. Diese Information platzierte die Behörde allerdings erst in die Mitte des Textes und fügte dann die Information an, gegen den Rentner bestehe auch noch der „Anfangsverdacht wegen Volksverhetzung“ – nämlich die schon oben geschilderte völlig verdrehte Argumentation, er habe sich antisemitisch geäußert. Dazu heißt es vage und bewusst verwirrend, die Durchsuchung sei „im Zusammenhang“ mit einem „bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“ erfolgt. Das passt zwar überhaupt nicht zu dem Textabschnitt weiter oben, liefert aber für Habeck und seinen Schwarm publizistischer Putzerfische die Vorlage für die Ablenkungserzählung, eigentlicher Grund der Durchsuchung sei eine antisemitische Äußerung des Rentners gewesen.
Ganz nebenbei soll das Opfer des politisch-behördlichen Verfolgungswahns in der Öffentlichkeit auch noch als Rassist dastehen, also als Delinquent, dem unterm Strich sowieso ganz recht geschieht. Mit dieser Ermutigung im Rücken schwang sich Habeck im ZDF bei „Was nun, Herr Habeck“ zu einer veritablen Lügenarie auf.
Erstens tat er so, als hätte er mit dem Verfahren gegen den Verbreiter des Schwachkopf-Memes gar nichts zu tun: „Dann entscheiden übrigens – und darum geht es ja – die Gerichte, wie damit umzugehen ist. Also, das, was da passiert ist, ist eine gerichtliche Entscheidung. Auf die habe ich keinen Einfluss.“ Die Ermittlungen nach dem Majestätsbeleidigungsparagrafen 188 StGB erfolgt nur auf Antrag des mutmaßlich Geschädigten. Ohne Habecks Antrag hätte die Polizei also Niehoff nicht aus dem Bett geklingelt. Nach Paragraf 194 StGB könnte der Minister außerdem seinen Antrag zurücknehmen. Das Verfahren würde dann eingestellt. Auch das tat Habeck bisher nicht. Stattdessen antwortete er im ZDF an der Frage schräg vorbei, ob er denn finde, Hausdurchsuchung und Verfahren wegen dieses Memes seien aus seiner Sicht verhältnismäßig: „Nun, dieser Satz selbst wäre wahrscheinlich nicht verhältnismäßig gewesen, aber wenn ich die Pressemitteilung der bayerischen Polizei richtig im Kopf habe, geht es da um was ganz anderes. Dass sozusagen dieser Satz zur Ursache genommen wurde, da waren, glaub’ ich, andere Aufklärungstatbestände im Raum.“
Eine Pressemitteilung der „bayerischen Polizei“ zu dem Komplex gab es nie, sondern nur die der Bamberger Staatsanwaltschaft. Und die nennt, wenn auch verschachtelt formuliert, Habecks Strafantrag als einzigen Grund für die Durchsuchung. Ganz abgesehen davon, dass es sich bei dem Volksverhetzungsvorwurf gegen den Rentner um eine wahnwitzige Konstruktion handelt, gab es eben keinen anderen Grund, schon gar nicht „Aufklärungstatbestände“ – was immer sich hinter diesem Begriff verbergen soll. Selbst die Staatsanwaltschaft Bamberg spricht in Bezug auf den Volksverhetzungsvorwurf von einem „Anfangsverdacht“.
Auch im „Bericht aus Berlin“ der ARD schwadronierte der Vizekanzler von „rassistischen Hintergründen oder antisemitischen“. Er stempelte einen unbescholtenen Rentner – denn das ist Niehoff nach wie vor – vor einem Millionenpublikum zum praktisch schon überführten antisemitischen Hetzer, und zwar ohne den allerkleinsten Beleg. In einem Land mit einer echten Zivilgesellschaft und einer Presse, die ihre Aufgabe in der Kontrolle der Macht sieht, wäre ein Minister nach diesen dreisten Unwahrheiten massiven Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Man muss sich vor Augen halten, was hier geschieht: Ein Angehöriger einer rundum privilegierten Kaste, die über ständigen Zugang zur Öffentlichkeit verfügt, über Leibwächter, Spindoktoren, ein Heer von Bediensteten und eine Alterssicherung nach vier Jahren, wie sie ein Normalverdiener nach 40 Berufsjahren nicht erhält, ein Vertreter dieses Milieus also spielt den Prinzen auf der Erbse, inszeniert sich als von Hass Verfolgter, der einem völlig machtlosen Mann die Justiz auf den Hals hetzt und hängt diesen Bürger, der sich erfrecht, die Aktion nicht stumm über sich hinwegrollen zu lassen, noch öffentlich als Rassisten hin.
Warum ist die Erwähnung von Altersversorgung und Personenschutz eines Politikers hier angemessen? Weil beides dafür steht, wie sich die politische Klasse gegen die Hauptfolgen ihrer Politik immunisiert – den Wohlstandsverlust und die Erosion der öffentlichen Sicherheit. Der gemeine Bürger erleidet beides, er erlebt außerdem, dass ein politisch-medialer Komplex seine Interessen für unbeachtlich und lächerlich erklärt. Viele sehen als einziges Mittel, um sich Luft zu verschaffen, eine Wutäußerung, die in der Regel nicht sonderlich geschliffen in Kommunikationskanäle wie X fließt. Die Politmedienkaste ihrerseits zweifelt nicht etwa an ihrer Agenda, die ihr als völlig sakrosankt gilt, sondern schafft sich einen Apparat, teils mit steuerfinanzierten „Trusted Flaggern“, teils mit dem erwähnten profitorientierten und von Politikern betriebenen Unternehmen „SO DONE“ und drittens mit Hilfe von Richtern und Staatsanwälten in einer Kleinstadt, deren verantwortliche Beamte sich noch einmal von der allgemein stark durchpolitisierten Justiz durch eine ganz besondere Missionshaltung absetzen. Am Beispiel Bamberg lässt sich studieren, was passiert, wenn sich Staatsanwälte und Richter für die Erben der Weißen Rose halten.
In einer Gesellschaft mit funktionierender Machtbalance müssten längst Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Bamberger Justiz laufen, mindestens aber gäbe es Versetzungen, um zu verhindern, dass sich gleich mehrere Beamte ein und derselben Behörde wechselseitig in ihren bürgerfeindlichen Ansichten bestätigen. Sie glauben offenbar selbst daran, die Demokratie zu verteidigen, wenn sie mit Machtmitteln, die der Staat anderswo gegen kriminelle Clans nicht einsetzt, auf einen Künstler, einen Rentner und einen Journalisten losgehen. Ihr Selbstbild entspricht exakt der Selbstinszenierung von Politikern als Opfer machtloser Bürger. Zu dieser Wirklichkeitsverdrehung kommt noch eine zweite und sehr viel kühnere Pirouette, ausformuliert in Habecks Rede auf Schloss Neuhardenberg zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2024 unter der neckischen Überschrift „Die Freiheit hochhalten“.
„Auf TikTok und X werden Desinformationen verbreitet, um den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu verwischen und die Menschen kirre zu machen“, klagte der Minister dort, der selbst kein Problem darin sieht, die Grenze zwischen Teilwahrheit und Lüge gründlich zu verwedeln, wenn es seiner Selbstdarstellung nutzt. Anschließend stellt der Redner fest: „Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut“, weshalb er sie offenbar so weit oben zu platzieren wünscht, dass Krethi und Plethi sie nicht mehr durch Gebrauch beschmutzen können. „Eben deshalb“, heißt es bei Habeck eben deshalb, „können wir sie von den Gegnern der Meinungsfreiheit nicht zerstören lassen. Und Kritik an dieser Haltung begeht häufig eine kategoriale Fehleinschätzung: Meinungsfreiheit bedeutet, dass Menschen ihre Meinung frei äußern können. Sie bedeutet nicht, dass eine künstliche Intelligenz die Algorithmen so steuert, dass die gesellschaftlichen Meinungen manipuliert werden. Die Regulierung der Algorithmen von X und TikTok durch die Anwendung des Digital Service Acts ist daher zentrale Aufgabe der Behörden. Wir können den demokratischen Diskurs nicht in die Hände von Elon Musk und chinesischer Software geben.“
Das sagt ein Politiker, der mit seinem Namen und Gesicht für die oben erwähnte Firma „SO DONE“ wirbt, deren Geschäftsmodell darin besteht, das Netz mit künstlicher Intelligenz nach angeblichen Beleidigungen zu durchstöbern, sie anzuzeigen und sich das erklagte Geld mit dem Auftraggeber zu teilen.
Und ganz nebenbei: Was soll beziehungsweise muss man sich unter „gesellschaftlichen Meinungen“ vorstellen? Habecks Formulierung siedelt sehr nah an der berühmten Forderung Rousseaus im „Gesellschaftsvertrag“, eine Zensur sei nötig, „damit das Volk sich in seiner Meinung nicht irrt“. Hier wie da setzt ein Präzeptor eine richtige und gültige Meinung schon voraus, die vor Manipulation abgeschirmt werden muss. Und Meinung „frei äußern“? Ja, das garantiert unser Anzeigenhauptmeister. Nur eben nicht die Freiheit von Hausdurchsuchung und Strafbefehl danach.
In den Händen Musks liegt und lag der „gesellschaftliche Diskurs“ nie. Auf X darf jeder Musk beschimpfen, wovon auch viele reichlich Gebrauch machen, ohne deshalb mit Sperrung und Shadow ban rechnen zu müssen, also den Methoden, die unter dem alten Twitter-Chef Jack Dorsey zum Geschäftsprinzip gehörten. Damals nahmen weder ein Habeck noch die EU daran Anstoß, denn es geschah ja für die gute Sache. Jetzt findet Habeck, der gesellschaftliche Diskurs gehöre tatsächlich in ganz bestimmte Hände, nämlich die der EU. Wer wäre auch besser geeignet, mit diesen Händen die Freiheit hochzuhalten? Von dem grünen Freiheitsfreund gibt es bekanntlich auch ein Vorwort zu George Orwells „1984“.
Wenn er in einer Rede zum Mauerfall Zensur fordert – der Habeck schützt die Freiheit, muss man wissen –, dann transformiert er gewissermaßen auf eine höhere Stufe, was die Bamberg Justiz, „So Done“ und „Hate Aid“ in der Praxis treiben. Im ZDF bekräftigte der Kanzlerkandidat nach seiner Rede auf Neuhardenberg die Forderung, X „hart zu regulieren“. Mit der harten Züchtigung eines harmlosen Bürgerchens gibt er sich also nicht zufrieden. Wie schon in der Corona-Zeit können autoritäre Politiker damit rechnen, dass ein erheblicher Teil der Medien sie nicht etwa kritisiert, sondern mit dem Ruf nach noch mehr Härte noch anfeuert. Ein Zeit-Schreiber erklärt beispielsweise jeden Journalisten, der auf das Machtgefälle zwischen Politikern und Bürgern in der öffentlichen Debatte hinweist, schon einmal präventiv für „rechts“. Warum nicht gleich für rechtsextrem?
In dem Maß, wie dem gesellschaftslenkenden Neoadel die Definitionsmacht abhanden kommt, fragen sich seine Vertreter nicht etwa, worin ihr Anteil daran besteht. Sie halten auch nichts vom sogenannten Diskurs, jedenfalls nicht, wenn beide Seiten reden. Auch der Diskurs ihrer Prägung muss sehr hochgehalten werden, damit nur eine Seite von oben nach unten spricht. Nein, die bisherigen Debattenbestimmer suchen vielmehr nach Wegen, ihren Bedeutungsverlust durch Bürgereinschüchterung einzudämmen. Sie fühlen sich eigentlich nicht von dreisten Bürgern beleidigt, sondern von der Wirklichkeit. Nur lässt die sich schlecht mit Anzeigen und Hausdurchsuchungen zurechtstutzen. Also hält sich das Milieu an Ersatzopfer, die es für leichte Beute hält.
Die Wähler werden Habecks Partei in Kürze vermutlich hart auf etwa 10 Prozent regulieren. Nichts therapiert nämlich Verfolger, die sich für Verfolgte halten, besser als eiskalter Machtentzug. Im Februar gibt es die Gelegenheit, die Strafbefehle auf dialektische Weise zurückzugeben.