Was dieses Land bräuchte, wäre Politik von Erwachsenen für Erwachsene. Daran sollte man die Wahlkämpfer messen.
I.
Gut, dass man es uns noch mal deutlich gesagt hat: Robert Habeck ist nicht der Kandidat für Hunde, Katzen, Rindviecher und Schweine, sondern „Kandidat für die Menschen“. Oder wie sollte die Gattungsbezeichnung bei der grünen Kanzlerkandidatenkür sonst zu verstehen sein? Immer geht es gleich um die Menschen, um die Menschheit schlechthin. In der scheinbar harmlosen Formulierung „Kandidat für die Menschen“ steckt der Größenwahn der Moralverbesserungspartei. Das hohle Pathos wird diese Partei nie los. Deshalb versteht sie auch keinen Spaß. Notfalls wird Paragraph 188 StGB für gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung (vulgo Majestätsbeleidigung) bemüht. Der größte Wirtschaftsvernichtungsminister aller Zeiten wird zum Erlöser ausgerufen. Vom gewöhnlichen Schwarmgeist bis zum empfindsamen Schwachkopf machen alle mit. Ein Ausbund an Inklusion ist so eine Bundesdelegiertenversammlung. Es ist überhaupt das größte Mysterium der Demokratie, dass gelegentlich etwas Brauchbares herauskommt, obwohl jeder Minderbemittelte mitmachen darf.
II.
Wir Skeptiker haben uns lange lustig gemacht über Ricarda Lang, die dafür büßen muss, dass Moses Habeck einen Neuanfang benötigt. Doch ihre Abschiedsworte hallen hoffentlich nach. Sie passen ins Poesiealbum der gesamten Politikerkaste. Die immer noch erst Dreißigjährige erweist sich als überraschend einsichtsfähig und zeigt sich klüger als der große Demokratieretter Robert. Lang attackiert nun – zu spät, doch besser als gar nicht – eine Politik, die glaube, man müsse die richtige Politik nur richtig erklären, und die damit die Wähler „wie Kinder behandelt“. Die Grünen – das gilt zweifellos auch für andere Parteien – sollten sich nicht als „Staubsaugervertreter der Demokratie“ aufspielen. Sie selbst habe sich dabei zum „Sprechroboter“ verwandelt, und nicht mehr gewusst, wer sie ist. „Und die Grünen haben nicht mehr gewusst, wer sie sind.“ Nützt nur leider nichts. Die „Hyperinfantilisierung“ (Ricarda Lang) findet just ihren Höhepunkt in der Habeck-Erhebung. Quod erat demonstrandum.
III.
Zu den einschlägigen Symptomen dieses nicht nur bei den Grünen zu beobachtenden Phönomens zählt die wahrlich infantile Lust, mit der sich der Habeckbewunderungsjournalismus auf Christian Lindner stürzt. Der Mann hat – besser zu spät als gar nicht – die Tatbeteiligung an der Fortschrittskoalition beendet. Dafür wird ihm nun das Kainsmal des Intriganten und Verräters auf die Stirn gebrannt. Die meisten Deutschen sehen es wohl genau so. Unsere Ehre heißt Treue oder so. Lindners Verdienst ist es, dass der Kanzler Scholz seinen Vizekanzler Habeck nicht länger dazu ermuntern kann, mit dem Richtlinienknüppel grüner Weltanschauung den Menschen das profane Streben nach Glück auszutreiben.
IV.
In den dieser Tage erscheinenden Memoiren der besten Kanzlerin aller Zeiten erfahren wir, welche Charaktereigenschaften ihr eine Karriere über Systemgrenzen hinweg ermöglicht haben: „Überlegenheit“ und „ein gewisses Maß an Unbekümmertheit“. Es sind die Tugenden einer wahrhaft Unbedarften. Es sind Charakterzüge, denen die Politikwissenschaft bisher zu wenig Achtsamkeit gewidmet hat. Die beiden Begriffe Überlegenheit und Unbekümmertheit treffen exakt die tiefere Ursache der Krise der Politikerklasse. Merkel wie Habeck fühlen sich überlegen. Sie unterscheiden sich nur in den Mitteln, mit denen sie dem Volk ihre Unbedarftheit (Unbekümmertheit) als Qualität aufschwatzen. Und genau dafür ernten sie Bewunderung im Volk. Womit wir wieder bei den Schwachköpfen wären. Nur, dass Wählerbeleidigung nicht unter Strafe steht. Unbekümmertheit ist der Ausdruck für eine Haltung, die an den Folgen des eigenen Tuns keinen Zweifel zulässt. Unbekümmertheit ist die Haltung eines Kindes. Dann sind sie halt da (die Islamisten), dann ist es halt fort (das Geld, die Kernenergie).
VI.
Die ideologische Unbekümmertheit Robert Habecks – der gar nicht erst auf die Idee kommt, sein Bild von Gesellschaft könnte faul sein – korrespondiert mit der sich an der eigenen Machtfülle entzündenden Besserwisserei der ehemaligen Kanzlerin. Es handelt sich um die völlige Abwesenheit von Skepsis. Statt stets Voraussicht und Rücksicht walten zu lassen, statt Entscheidungen ständig zu überprüfen, statt Interessen abzuwägen, setzt er, unbekümmert gegenüber den Folgen des eigenen Tuns, auf Hyperinfantilisierung. Wer als Politiker die Gesellschaft wie Knete in den eigenen Händen behandelt (große Transformation), ist auch im übertragenen Sinne niemals etwas anderes als ein Kinderbuchautor. In diesem Sinne ist auch „Freiheit“ der Autorin Angela Merkel ein Buch, das der Hyperininfantilisierung des Publikums dient.