Tichys Einblick
Wer kandidiert für den Bundestag?

Haldenwang oder Altunok? – Die Wuppertaler CDU und der alte weiße Mann

Was sind die Bekenntnisse zu Diversität in der Politik eigentlich wert? Die CDU Wuppertal darf unter Beweis stellen, wie ernst es ihr ist mit Gleichberechtigung und Pluralität. Denn hier sollte eine junge türkischstämmige Politikerin Platz machen – für den alten weißen Mann Thomas Haldenwang, der gern statt ihrer für den Bundestag kandidieren würde.

IMAGO, CDU Wuppertal - Collage: TE

Es wird spannend in Wuppertal: Die CDU-Politikerin Derya Altunok, die im Wahlkreis Wuppertal I zur Bundestagswahl hatte antreten sollen, schien zuerst klaglos zurückzuweichen, als Thomas Haldenwang bekanntgab, in seiner Heimat für den Bundestag kandidieren zu wollen. Der Vorsitzende der Wuppertaler CDU, Johannes Slawig, setzte dem Anliegen der Politprominenz nichts entgegen, und Altunok wäre schweigend in der zweiten Reihe verschwunden.

Die 35-Jährige sagt nun doch Haldenwang den Kampf an, und will sich ihm in einer parteiinternen Abstimmung stellen. Ganz gleich, ob dies von Erfolg gekrönt sein wird: Es ist ein erfrischendes Zeichen in einer politischen Landschaft, die sich derzeit durch antidemokratisches Gekungel und Geklüngel auszeichnet, wo Mehltau, Müdigkeit und Frust dominieren.

Haldenwangs Vorhaben ist in jeder Hinsicht unverschämt. Der Spitzenbeamte will – so gut wie unmittelbar – aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz ins Parlament. Nach Beamtenpfründen winken Abgeordnetenpfründe, man schafft es gerade noch von einem Berliner Fleischtopf zum andern. Was für ein Bild von Demokratie dahinter steht, wie groß der Respekt vor demokratischen Institutionen da sein kann, und wie geeignet ein ehemaliger Verfassungsschützer ist, um kurz nach dem Ende seiner Tätigkeit in die Legislative zu wechseln, sei dahingestellt.

Dass jetzt auch noch ohne Umschweife eine junge, engagierte Politikerin ausgebootet und um ihre politischen Chancen gebracht werden soll, um einen altgedienten Beamten vor dem politischen Abstellgleis zu bewahren, ohne dass zumindest geprüft wird, ob dies dem Willen der Parteibasis entspricht, wäre schlicht der Gipfel der Frechheit.

Altunok, die erst kürzlich zur neuen Vorsitzenden der Wuppertaler Frauen-Union gewählt worden war, begründet gegenüber der Welt ihre Entscheidung unter anderem damit, dass sie nicht nur von Parteimitgliedern, sondern „auch von vielen Wuppertalerinnen und Wuppertalern“ Anrufe erhalten habe, die ihr den Rücken stärkten. Das ist nicht weiter verwunderlich, kann man doch davon ausgehen, dass sich die Sympathie in Grenzen hält für einen Mann, der nicht einsehen möchte, wann es an der Zeit ist, es gut sein zu lassen, und dem es deutlich besser anstünde, jüngere Politiker aufzubauen und zu fördern, statt sie zu blockieren.

Auch aus der Parteispitze gab es Unterstützung. So sei sie von der Bundestagsbgeordneten Serap Güler ermutigt worden, gab Altunok gegenüber der Jungen Freiheit zu Protokoll. Die größte Motivation sei von einem Telefonat mit Güler ausgegangen. Das Mitglied des CDU-Bundesvorstands ist selbst türkischstämmige Politikerin aus Nordrhein-Westfalen. Altunok mahnt nun selbstbewusst einen fairen Wettbewerb um die Kanidatur für das Direktmandat an.

„Ich konnte mich schon immer mit der CDU identifizieren, damit, wofür sie steht“, sagt Derya Altunok von sich selbst. Ob das für Haldenwang auch gilt, darf angesichts seines Agierens unter SPD-Innenministerin Faeser zumindest in Frage gestellt werden.

Es geht hier um mehr als nur Parteipolitik und Wahlkampfstrategie. Es geht darum, ob Politik von unten gemacht oder von oben verordnet wird. Und nicht zuletzt darf sich an der Causa Wuppertal I durchaus die Glaubwürdigkeit aller Bekenntnisse zu Diversität – was immer man inhaltlich von ihnen halten mag – messen lassen: Überall dürfen Quotenfrauen schalten und walten, ob kompetent oder nicht. Wird nun eine authentische 35-jährige türkischstämmige Alevitin ausgetauscht, nur, weil sich ein Politprofi dazu herablässt, den Laden übernehmen zu wollen? Immerhin: Kampflos lässt Derya Altunok sich nicht vom Platz verweisen.

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