Tichys Einblick
(Un-)Passend zur "Aktion Abendsonne"

Der Bundeswehr fehlt Geld für 900 Beförderungen

Wer sich jemals mit dem Gedanken befasst hat, seine Karriere bei der Bundeswehr zu beginnen, wird sich womöglich anders besinnen. Denn: Die Bundeswehr hat mangels Finanzen einen Beförderungsstau. 900 Offiziere können 2025 nicht befördert werden. Der Frust geht um – und das ist schlecht für die Nachwuchsgewinnung.

picture alliance / Michael Kappeler/dpa | Michael Kappeler

Es ist mal wieder – wie bei jedem Regierungswechsel – eine „Aktion Abendsonne“ angesagt. Im Bund ganz aktuell – sonst auch in den Ländern. „Aktion Abendsonne“ heißt: Für den Fall, dass eine Partei durch Wählervotum aus der Regierung zu verschwinden droht, also deren Sonne untergeht, werden schnell noch Parteigänger nach oben befördert. Könnte ja sein, dass eine Koalition anderer Farbkonstellation andere Leute mitbringt, installiert und befördert.

Ein besonders kostspieliges Exempel von „Abendsonne“ hat soeben Außenministerin Baerbock („Grüne“) exekutiert. TE hat darüber berichtet. Sie hat ihre Büroleiterin Katharina Ahrendts am 13. November qua Kabinettsentscheidung von der Besoldungsstufe B6 auf B9 heraufgesetzt. Das ist ein Gehaltssprung von rund zweitausend Euro pro Monat: vom Grundgehalt bei B6 (11.372,63 Euro) auf 13.294,99 Euro bei Stufe B9. Das Kabinett hat es mitgemacht, weil so ziemlich alle Kabinettsmitglieder die „Aktion Abendsonne“ betreiben und weil der neue Finanzminister Jörg Kukies (SPD) diesem Treiben wohlwollend zuschaut; wahrscheinlich wird er im vormals von FDP-Mann Lindner geführten Finanzministerium selbst die eine oder andere Überlegung längst angestellt haben.

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Wenn sich Bundeswehrangehörige dieses Treiben anschauen, dann muss ihnen die Galle hochsteigen. Nicht nur das: Wer sich jemals mit dem Gedanken befasst hat, seine Karriere bei der Bundeswehr zu beginnen, wird sich womöglich anders besinnen. Denn: Die Bundeswehr hat mangels Finanzen einen Beförderungsstau. 900 Offiziere können 2025 nicht befördert werden. Beförderungen junger Bundeswehr-Uni-Studenten zum Leutnant sind ebenso in Gefahr wie die mögliche Vertragsverlängerung von Spezialisten, die länger bei der Bundeswehr bleiben wollen.

Die Haushaltslage bei den Offizieren ist offenbar so schwerwiegend, dass bei der Bundeswehr bereits arbeitende Spezialisten wie Ärzte und IT-Leute nicht gehalten werden können – und das, obwohl diese sich über ihr bisheriges Dienstzeitende hinaus bei der Bundeswehr verpflichten wollten. Wie viele Personen dies betrifft, ist selbst intern unklar. Aber es sollen nicht wenige sein, heißt es. Weiteres Problem: Aufgrund des starren Beförderungssystems und der Haushaltslage kommt es inzwischen offenbar immer wieder dazu, dass Bundeswehrangehörige höhere Aufgaben wahrnehmen, obwohl sie nicht entsprechend bezahlt werden. Und das mitunter seit Jahren.

Das „Ampel“-Aus und die weiter unklare Situation mit den Bundeshaushalten 2024 und 2025 dürfte die Situation nicht gerade verbessern. Unklar ist, ob es tatsächlich noch in diesem Jahr gelingt, einen Haushalt zu verabschieden. Sollte das nicht zuletzt aufgrund des Zusammenbruchs der Ampel-Koalition nicht gelingen, dürfte es für Hunderte Soldaten im kommenden Jahr ein böses Erwachen geben.

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Eine Anfrage von „Business Insider“ an das Verteidigungsministerium blieb bislang unbeantwortet. Eine Sprecherin teilte nur mit: „Zu den nötigen Planstellen für etwaige Leutnantsbeförderungen setzen wir uns seit längerem intensiv beim für den Haushalt federführenden Bundesministerium für Finanzen (BMF) ein.“ Weiter: „Mit dem BMF stehen wir in einem konstruktiven Austausch über Lösungen, die nicht ausschließlich an eine Haushaltsaufstellung geknüpft werden müssen. Ich bitte um Verständnis, dass den Beratungen und Ergebnissen nicht vorgegriffen werden kann.“ Außerdem sind aufgrund des Fachkräftemangels derzeit mehrere Tausend Unteroffiziers-Dienstposten zwar finanziert, aber nicht besetzt.

Das Aus für die Ampel-Koalition ist dabei natürlich keine Hilfe. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte bereits eingeräumt, dass er kaum noch Chancen für sein Modell eines neuen Wehrdienstes sehe. Voraussichtlich werde die Regierung das Gesetz „angesichts der jetzt doch deutlich kürzer gewordenen Legislaturperiode wohl nicht mehr umsetzen können“, sagte Pistorius beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ soeben in Berlin.

Früher mittels Frühpensionierung gelöst

Beförderungsstaus gab es bei der Bundewehr auch früher schon mal. Im Jahr 2017 (Verteidigungsministerin war CDU-Frau Ursula von der Leyen) wurde kaum noch nach A14 oder A15 befördert, wiewohl die Soldaten in A13 oder A14 bereits A14- bzw. A15-Dienstposten wahrnahmen. Ähnlich war es 2007 unter Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Damals löste man das Problem, indem man ältere Soldaten vorzeitig in den Ruhestand schickte. Die über 50-Jährigen sollten jüngeren Kameraden Platz machen – die wegen mangelnder Aufstiegschancen frustriert waren. Es ging um 4.200 Soldaten in Offiziers- und Feldwebel-Rängen, die 50 Jahre oder älter waren.

Damit klar ist: Es geht hier nicht um fürstliche Gehaltssprünge. Also nicht wie im Auswärtigen Amt um ein monatliches Mehr von zweitausend Euro, sondern gerade in den unteren Besoldungskategorien von Leuten in der Familiengründung teilweise nur um ein paar hundert Euro. Siehe die aktuelle Besoldungstabelle für Offiziere im Truppendienst. Das sind keine üppigen Gehälter, wie sie in den Ministerien üblich sind. In der Bundeswehr für Leute, die notfalls den Kopf für dieses Land hinhalten.

Die Methode „Platz schaffen für Beförderungen durch Frühpensionieren“ kommt heute jedenfalls nicht mehr in Frage. Denn das wäre für die Bundeswehr zumal in Zeiten eines dort längst aufgeschlagenen Fachkräftemangels ein gewaltiger Aderlass an eben solchen, bereits vorhandenen.


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