Tichys Einblick
„Wie geht es weiter, Herr Bundeskanzler?“

Coming Out bei Caren Miosga: Scholz ist jetzt offiziell Kanzler der Ukraine

Eine Sendung mit einem großen Staatsmann sollte es werden. Aber die hatten wohl alle keine Zeit. Am Ende saß ein gewisser Olaf Scholz bei Caren Miosga. Und glaubt man ihm, dann muss er wohl Kanzler der Ukraine sein. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Miosga

Caren Miosga ist wahnsinnig stolz auf sich. Das merkt man deutlich. Denn voller Inbrunst betont sie am Ende nochmal, welche Wahnsinns-Zusage sie aus Bundeskanzler Olaf Scholz herausgearbeitet hat. Er könnte nämlich – und jetzt atmen Sie mal ganz tief durch – er könnte möglicherweise, unter Umständen, also vielleicht dazu bereit sein, schon im Dezember die Vertrauensfrage zu stellen und nicht erst im Januar. BÄM! Welch ein journalistisches Husarenstück – nach einer Stunde Premiumtalk (Premium = 3.200 Euro Kosten pro Sendeminute).

Zuvor haben wir 59 Minuten lang gebangt, ob Miosga wohl endlich mal die richtigen Fragen stellt. Doch ihre journalistischen Defizite sind – wie immer – der sichere Wellenbrecher in der Brandung wertvoller Information. Warum die Bundeswahlleiterin zunächst schnelle Neuwahlen für völlig unproblematisch hielt und nur einen Tag später offiziell für total problematisch? Keine Nachfrage bei Miosga. Warum es angeblich kein Papier für das Drucken der Wahlzettel gebe? Keine Nachfrage. Ob das nicht eine ziemlich absurde Behauptung ist, zumal Robert Habeck gerade vier Papierunternehmen mit mehr als einer halben Milliarde Euro subventioniert hat? Keine Nachfrage. Ob zwischen diesen beiden Aussagen einer offenbar spontan arbeitsverweigernden Wahlleiterin möglicherweise ein Anruf aus dem Bundeskanzleramt gelegen haben könnte? Keine Nachfrage.

Stattdessen tut die ehemalige Nachrichtensprecherin Miosga, was sie immer tut: Sie kratzt an der Oberfläche. Und das mit sehr, sehr kurzen Fingernägeln.

Kanzler und Neuwahlen
Olaf Scholz und die große Lüge
Egal, ob es um das Ende der Ampelkoalition geht, um das verbale Nachtreten des Kanzlers Richtung des von ihm geschassten Finanzministers Christian Lindner, egal ob es um Donald Trump, um die Ukraine, die Ukraine, die Ukraine oder die Ukraine geht, stets behält Scholz die Oberhand über die Debatte. Und das ist angesichts seiner eingeschränkten physischen Präsenz und seiner minimalistischen Mimik schon eine Leistung. Scholz grinst sich durch die Sendung, wie man ihn kennt. So empathiebefreit und würdelos, wie 2022, als er lachend erzählte, das ein Bürger an den hohen Gaspreisen verzweifelte.

Scholz gestikuliert auffällig, spricht bisweilen sogar einigermaßen druckreif. Hat er für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf etwa bereits ein Coaching absolviert? Den Wahlkampf läutet er an diesem Abend jedenfalls offiziell ein: „Ich möchte wiedergewählt werden“, sagt er, und dass dabei im Studio niemand lacht, lässt immerhin auf ein erneut erfolgreiches Auswahlverfahren der Zuschauer schließen.

Irgendjemand muss Scholz gesagt haben, dass die Geste „Hand aufs Herz“ knorke aussieht und bei „den Wählerinnen und Wählern“ richtig gut ankommt. Er legt sich jedenfalls andauernd die Hand aufs Herz („Dabei immer leicht vorbeugen, Olaf!“). Bei Zehn haben wir aufgehört zu zählen. Am Ende behält allerdings immer wieder die altbekannte, nuschelige Müdigkeit Oberhand. Denn Scholz weiß: Für eine Miosga reicht das allemal.

Unzählige Male betont der Kanzelnde an diesem Abend, wie wichtig es sei, die Ukraine zu unterstützen. So als sei es wichtiger als alle deutschen Befindlichkeiten. Erst in zweiter Linie geht es darum, dass all diese Kosten nicht „unsere Rentner“ zu tragen haben sollen oder „die Menschen, die hart arbeiten und wenig haben“. Stattdessen lieber neue Schulden ohne Ende. Die dann die nachfolgenden Generationen abzutragen haben. Nach mir die Sintflut. Dass die rund 30 Milliarden Euro für die Ukraine überhaupt in Frage gestellt werden könnten, steht nicht zur Debatte. Die unendliche Unterstützung bis zum bitteren Ende ist gesetzt, daran wird nicht gerüttelt. Ukraine first! Freundliche Grüße, Euer Olaf.

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Warum wir jetzt auf die Straße müssen
Wie er seinen Finanzminister öffentlich abkanzelte, wie er in der Entlassungsrede kleingeistig nachtrat, dazu hakt Miosga halbherzig nach. Oppositionsführer Merz fand dies alles „ungeschickt“ und eines Kanzlers „unwürdig“, doch Scholz kontert: „Das war anständig, klar und deutlich.“ Dass Elon Musk ihn öffentlich auf X als „Narr“ bezeichnete, versucht Scholz abzuschmettern, doch es gelingt ihm nicht. „Es adelt mich“, behauptet er und fügt hilflos an: „Ich kommentiere keine Tech-Milliardäre.“

Also 1:0 für Elon Musk, dieser Treffer saß. Aber ist das denn ein Wunder? Hier der reichste Mann der Welt, der permanent vier Firmen gleichzeitig zu immer neuen Höchstleistungen antreibt, und dort: Olaf Scholz.

Viel zu lange reitet Miosga auf der Art und Weise herum, wie die Ampel sich selbst abgeschaltet hat. Ob Scholz ihr raten würde, eine Wutrede vom Zettel abzulesen, wie er es bei Lindner mit seinem Teleprompter vorgemacht habe, will sie wissen. Seine Antwort: „Ja, das würde ich.“ Gute Güte, was hat Miosga denn erwartet? Sie braucht doch selbst einen Teleprompter.

Es gibt noch viele weitere solcher unwürdiger Talkshow-Momente. Haben Sie noch Kraft? Dann bitte:

Miosga will wissen, warum Scholz nach der Entlassungsrede von seinen Parteikollegen mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Dass sie alle nur deshalb klatschten, weil jeder Angst hatte, als Erster aufzuhören, ist in der peinlichen Szene offensichtlich. Doch Miosga fragt: „Was haben die da gefeiert? Ich hab mich gewundert.“ Antwort Scholz: „Ja, wundern Sie sich gerne.“ So geht ein aalglatter Politiker mit unbedarften Fragestellern um. Merke: Der Schleim stinkt nur dann richtig, wenn der Angler den Fisch auch an Land ziehen kann.

Miosga will wissen, warum die vorgezogenen Wahlen erst im März stattfinden sollen. Die Antwort liegt auf der Hand: Weil sich Scholz wegen der Bürgerschaftswahl in der SPD-Hochburg Hamburg (am 2. März 2025) möglicherweise etwas Rückenwind für eine Bundestagswahl erhofft. Doch statt ihn darauf anzusprechen, lässt sie sich mit einem unglaublichen Sermon banaler Plattitüden abspeisen. Vorhang Scholz: „Das ist ja alles nich so einfach. Da müssen jetzt überall diejenigen, die über 18 sind, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, in den Wohnorten, wo die Wahlkreise sind, die mit den politischen Gliederungen überhaupt nicht übereinstimmen, angeschrieben werden, identifiziert werden, Delegierte wählen, die müssen Kandidaten wählen, es müssen Landesvertreterversammlungen stattfinden. Es muss überall organisiert werden.“

Uff! Fehlt nur noch, dass er sich wieder die Hand aufs Herz legt.

Handeln statt Tricksen
Was jetzt zu tun ist: Regierungsprogramm für einen Kanzler
Dass die Bundestagswahl keinesfalls vor März stattfindet, soll offenbar der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sicherstellen. Den schiebt Scholz als Bremsklotz vor, um den Oppositionsführer Friedrich Merz zu stoppen. Scholz sieht es deshalb „ganz entspannt: Ich bin damit einverstanden, wenn sich zum Beispiel der Herr Mützenich und Herr Merz einigen, daran werde ich mich orientieren“. Wobei „orientieren“ wiederum alles und nichts bedeuten kann. Man kennt ja Scholz und seine semantischen Finten. Aber auch dazu kommt von Miosga keine Nachfrage. Vermutlich hakt ihr Teleprompter.

Einmal, in einem Nebensatz, den weder Miosga noch die Zuschauer richtig verarbeiten, spricht Scholz den Ernst der Lage konkret an. Er sagt: „Alle haben Angst vor kaltem Winter und vor einem zehn-, 15-jährigen Wirtschaftseinbruch in Deutschland, der nicht wieder aufzuholen ist. Unglaubliche Preissteigerungen, Inflation …“

Ein Wirtschaftseinbruch, der nicht wieder aufzuholen ist. Scholz sagt es unverblümt! Und Miosga? Statt ihn festzunageln, sagt sie nur „Wissen wir alles.“ Wissen wir alles! Wissen wir das schon? Eine Erklärung des grinsenden Olaf genau dazu wäre doch sicher angebracht.

Aber nein, wir sind hier schließlich bei Miosga.

Scholz kann sich die Stunde über richtig wohlig einkuscheln. Für die Bundestagswahl, wenn sie denn irgendwann kommen möge, ist er zuversichtlich: „Die Demokratie ist nämlich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, und das finde ich richtig gut.“

Bleibt abzuwarten, ob er das nach der nächsten Wahl noch immer so sieht.

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