Tichys Einblick
Handeln statt Tricksen

Was jetzt zu tun ist: Regierungsprogramm für einen Kanzler

Politik begeistert sich an dem, was sie am besten kann: Machtspielchen. Aber die Lage ist zu ernst für Schaukämpfe. Deutschland braucht jetzt einen Regierungschef, der handelt. Notwendigkeiten wie Möglichkeiten liegen auf dem Tisch. Er müsste nur zugreifen, statt zu zögern.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Als wahrer Meister der Machtspielchen erweist sich Olaf Scholz: Er klammert sich an sein Amt mit allen Finten und Finessen, die ein „tricksender Winkeladvokat“ so drauf hat, der dies sein gesamtes politisches Leben trainiert hat, wie Wolfgang Herles zutreffend schreibt. Der Bundespräsident spielt mit; Frank-Walter Steinmeier stammt aus derselben Juso-Clique wie Scholz und hat dieses Politikverständnis nie abgelegt. Natürlich müssen Politiker Macht erringen, um gestalten zu können; aber darüber sollte doch ein Verständnis für Gemeinwohl und Staatsverantwortung stehen – etwas, was den heutigen Akteuren fehlt, die nur auf ihr Diätenkonto zu schielen scheinen.

Das eigentlich Bedrückende: Oppositionsführer Friedrich Merz spielt mit. Wie lange dürfen Scholz und Habeck noch regieren, mit dem Segen von Merz? Der ist erkennbar zu vielen Kompromissen bereit, die er mit flackerndem Blick dann als „staatstragend“ begründen will. Merz hat sich auf die Spielregeln eingelassen, die andere aufgestellt haben und jetzt grinsend zuschauen, wie er sich in ihrem Kleingedruckten verheddert, hinter dem sie ihre Macht beibehalten wollen. Es ist die Brandmauer.

Mit der Brandmauer haben sie Merz Fußfesseln angelegt, das Spiel geht so: Nicht nur die Regierung hat die Mehrheit verloren – sie hat auch dem Oppositionsführer die Mehrheit weggenommen, wie Kinder im Sandkasten sich um Schäufelchen und Eimerchen balgen, und Merz merkt nichts. Er spielt mit, und zwar nach den Spielregeln von SPD und Grünen.

Am Freitag nach dem Bruch der Ampel sollte im Bundestag über einen Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgestimmt werden, um die Rücknahme des Verbrennerverbots zu erzwingen. Gemeinsam mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wurde der Antrag nicht zur Abstimmung gestellt – die AfD hätte ja mit zustimmen können.

Wir wir aus der CDU/CSU hören, will Merz auch auf weitere Anträge verzichten, um ja nicht die Zustimmung der AfD zu erlangen. Er handelt nach dem Motto: Ich mach’ das Richtige nicht, weil die Falschen auch für das Richtige stimmen könnten – es ist die Logik eines Dreijährigen, aber nicht die Haltung eines Oppositionsführers, der das Land vor dem Verfall retten und eine Regierung der Versager ablösen will.

Merz spielt nach den Regeln der SPD und der Grünen

Merz scheint getrieben davon zu sein, dass er unbedingt, auf alle Fälle und garantiert mit SPD und/oder den Grünen koalieren will.

Aber wer mit der SPD und den Grünen koalieren will, muss sich deren Ansichten unterwerfen, sonst hat Koalieren keinen Sinn. Christian Lindner hat gerade schmerzhaft erlebt, dass gegen die sektiererische Transformationsideologie mit Argumenten nicht zu gewinnen ist. Das in sich abgeschlossene System der Realitätsverweigerung, motiviert aus Tranformations-Phantasien, mit religiöser Inbrunst betriebener Klimapolitik und altem, sozialistisch-planwirtschaftlichem Denken ist nicht mit Vernunft, Pragmatismus und gesundem Menschenverstand korrigierbar, es hat längst selbstzerstörerische Züge angenommen. Kritik daran ist nicht möglich und soll deshalb auch durch immer umfassendere Zensurmaßnahmen abgesichert werden.

Parallelen zur früheren SED-Herrschaft in der DDR werden sichtbar: Wirklichkeitsverlust führt dazu, dass man sich einmauert. Damals buchstäblich, heute politisch.

Merz könnte dem ein Ende bereiten – und zögert. Er könnte mit Hilfe von FDP und AfD in einem konstruktiven Misstrauensvotum Scholz als Kanzler ablösen. Wenn ihm der Ritt zu gefährlich erscheint, läge es nahe, im darauffolgenden Zug die Vertrauensfrage zu stellen, und da er diese verliert, wäre der Weg zu Neuwahlen frei. Dann könnten die Bürger in Wahlen darüber entscheiden, ob sie tatsächlich eine schwarzrotgrüne Koalition mit Merz, Scholz und Habeck wollen oder eine andere Farbe. Das wäre fair, das wäre demokratisch. Aber Merz ist ein Zauderer. Wie ein Pudel in einen Tennisball hat er sich in die AfD verbissen, will sie bis zum bitteren Ende bekämpfen und merkt nicht, dass das sein Ende bedeutet. Denn die Bürger wollen eine grundlegend andere Politik, und das möglichst schnell, denn jeder Tag ist ein verlorener Tag für Deutschland. Andere sind da schneller, wie TE-Autor Marco Gallina bemerkt: 

Am 21. Juli 2022 tritt Draghi zurück. Neuwahlen am 25. September.

Frankreich: Macron löst Parlament am 9. Juni 2024 auf. Erster Wahlgang am 30. Juni.

Deutschland: Wir wollen niemanden beim Glühweintrinken stören und Papier haben wir auch keins.“

Oder ist die Bundeswahlleiterin, eine politische Kreatur der Sozialdemokraten, nicht doch eine frühzeitig eingebundene Helfershelferin bei der Verschleppung von Neuwahlen? Und Merz spielt mit, weil er Angst hat davor, dass er im 30-Prozent-Turm eingesperrt bleibt, weil er sich nicht traut, die Brandmauer abzubrechen? Man sieht geradezu, wie Olaf Scholz dabei lächelt, dieses schiefe Grinsen, das so viel über ihn verrät.

Regieren geht – wenn man Mut und Vertrauen hat

Dabei könnte eine vernünftige Regierung mit wenigen Federstrichen in den nächsten Wochen Deutschland dramatisch entlasten.

Nein, man muss Windräder nicht gleich „abreißen“, wie Merz in einem seiner Anfälle von Großsprecherei kürzlich gesagt hat. Es reicht, die Zuschüsse zum grünen Strom zu streichen. Nach zwei Jahrzehnten Energiewende müssen die „Erneuerbaren” sich am Markt bewähren – oder verschwinden. Ohne Subventionen ist kein einziges Windrad lebensfähig und ist laut Gesetz auf Kosten der Windbarone zu entsorgen; das kostet uns Steuerzahler und Stromkunden theoretisch keinen Cent. (Praktisch allerdings hat die Windrad-Lobby so winkeladvokatische, grün-geprägte Verträge, dass sie erst die Gewinne eingestrichen haben und dann nach der Pleite die Betonruinen in der Landschaft stehen lassen können.)

Merz muss auch keine Atomkraftwerke bauen, was er oder seine Parteifunktionäre ohnehin nicht können. Er müsste nur den Paragraphen 1 des Atomgesetzes streichen, der da lautet: Zweck des Gesetzes sei, „die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geordnet zu beenden“. Dann werden wir ja sehen, ob es Unternehmen gibt, die sich an die Wiederaufnahme des Betriebs, an Neubau oder den Bau moderner Anlagen herantrauen.

Und nein, Merz braucht auch nicht die Grenzen schließen. Er muss nur die Vollversorgung von nicht-anerkannten Asylbewerbern streichen, und Deutschland wird danach nur Ziel von tatsächlich Verfolgten sein. Und denen wollen wir gerne helfen, nicht aber den Absahnern und der Asylindustrie.

Und ähnlich geht es mit dem Bürgergeld: Halbieren wir es, führen wir eine strenge Bedürfnisprüfung an Stelle des unbegrenzten Grundeinkommens ein, das in erster Linie sowieso nur Zuwanderern zu Gute kommt. 

Solche Maßnahmen sind weder herzlos noch rechtlich unmöglich. Unter schwarzrotgrüner Ägide seit den Jahren der schrecklichen Kanzlerin Merkel wurde das Recht gebeugt, gegen seinen ursprünglichen Sinn verkehrt und mit Schlupflöchern versehen, damit noch jeder politische Unsinn durchpasst, den die Bevölkerung mehrheitlich ablehnt.

Und ähnlich ist es mit dem Verbrennerverbot: Die derzeitige Flotten-Regelung wird eingefroren, E-Autos und Ladestationen-Ausbau werden nicht mehr subventioniert. Wer elektrisch fahren will – bitte sehr, sicherlich gibt es dafür Fans und Nischen.

Die Würge-Verordnungen der EU werden ausgesetzt; zu irgendetwas muss es doch gut sein, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Mitglied der CDU ist und Manfred Weber, der Vorsitzende der Wirtschaftsvernichtungsvereinigung „Europäische Volkspartei“, der CSU angehört. Stoppt deren hirnrissigen Blödsinn! Stoppt den Green Deal, das Lieferkettengesetz und die Nachweispflicht von Verlegern und Metzgern, die jeden Baum mit Geo-Daten belegen müssen, der für Papier oder Rindvieh gefällt wurde. 

Und stoppt die weitere Erhöhung der CO2-Abgabe auf 45 Euro je Tonne, die schon zum 1. Januar wirksam wird, und dann jede wirtschaftliche und menschliche Aktivität mit einer Luftsteuer abwürgt. Mit dieser Handvoll Veränderungen kriegt die Wirtschaft wieder Luft zum Atmen, Bürger sparen Milliarden, der Haushalt des Bundes wird wieder solide und finanzierbar.

Ein wahrer Kanzler muss den Menschen vertrauen

Das alles ist kein Hexenwerk. Der Deutsche Bundestag als Fortsetzung der Bundesbürokratie mit anderen Mitteln muss aufhören, sich hinter unsinnigen Paragraphen zu verschanzen und mit diesem Pseudo-Argument jeden Fortschritt und jede Reform zu verhindern.

Um das zu ermöglichen, bräuchte man einen Kanzler mit einer besonderen Ausstattung. Mit dem Glauben daran, dass Menschen etwas schaffen und Wohlstand erzeugen, wenn man sie lässt. Mit dem Wissen darum, dass Menschen findig und einfallsreich sind und sich neue Lösungen und ungeahnte Innovationen einfallen lassen – dass sie aber auch noch viel erfinderischer als Bürokraten sind, wenn es um die Ausbeutung und Ausnutzung von gesetzlichen Regelungen geht, die gut gemeint sein mögen, aber an dieser Raffinesse immer wieder scheitern. Ein Kanzler bräuchte den Mut, aktiven Leuten den Vorrang vor Bürokraten einzuräumen und die Bürokratie auf das notwendige Minimum einzugrenzen, statt ihr wie unter der Ampel die Planung, Lenkung und Steuerung zu übergeben. Daran ist die Ampel gescheitert. 

So einen Kanzler hatten wir mit Ludwig Erhard.

Der hatte den Mut, genau auf diesen Prinzipien basierend, den Wohlstand Deutschlands zu erzeugen.

Friedrich Merz ist kein Erhard.


Die mobile Version verlassen