Tichys Einblick
Kanzler und Neuwahlen

Olaf Scholz und die große Lüge

Die Ampel ist jetzt am Ende und hat keine Mehrheit mehr – im Volk ja sowieso nicht, aber nun auch im Parlament. Trotzdem will der Bundeskanzler mit Gewalt bis Januar im Amt bleiben. Seine offizielle Begründung dafür ist Quatsch. In Wahrheit geht es ihm und Rot-Grün um ganz andere Dinge.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Denes Erdos

Seit Mittwoch ist Deutschland im Wahlkampf. Der hatte, als Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner unter Absingen schmutziger Lieder hinauswarf, in Wahrheit schon längst begonnen. Scholz tut nichts spontan, das Ganze war genau vorbereitet.

Dass Lindner davon tatsächlich überrascht wurde, ändert nichts daran, dass es geplant war. Es zeigt nur, dass dem FDP-Chef eben doch das Format fehlt, um im schmutzigen Spiel der großen Politik richtig mitmischen zu können.

Zum Scholz-Plan gehört, jetzt erstmal ohne Mehrheit noch ein bisschen weiter zu regieren, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen und dann Ende März wählen zu lassen. Die Begründung: Es seien noch vor dem Jahreswechsel „unaufschiebbare“ Entscheidungen zu treffen.

Das ist, mit Verlaub, eine große Lüge. In Wahrheit gibt es keinen juristischen oder sachlichen Grund gegen schnellere Neuwahlen. Das hat der Geschäftsführer der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, Thorsten Alsleben, sehr schön erklärt:

Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen wollte ihrem Kanzler zur Seite springen und Argumentationshilfe liefern. Das tat sie in ihrer typischen Art allerdings derart unbeholfen, dass der Auftritt ganz, ganz viel Anlass zum Fremdschämen bot:

Dem Publikum werden von der SPD und den Grünen gerade unfassbar viele Nebelkerzen vor die Füße geworfen. Natürlich ist die offizielle Begründung für die politische Insolvenzverschleppung von Scholz, Habeck und Baerbock – „staatspolitische Verantwortung“ – ein Brüller: Gerade dieses Trio infernale hat sich drei Jahre lang einen feuchten Kehricht um irgendeine staatspolitische Verantwortung geschert.

In Wahrheit gibt es für den gewünschten späten Wahltermin ganz andere, rein egoistische Gründe.

Erstens: Rot-Grün braucht noch Zeit für die berüchtigte „Aktion Abendsonne“. Parteifreunden sollen noch schnell vor dem Ende der Regierung wichtige und lukrative Posten zugeschustert werden. Noch längst sind nicht alle Anhänger mit den gewünschten einflussreichen gut dotierten Positionen im Staatsdienst versorgt.

Im Januar läuft turnusmäßig die nächste Beurteilungsrunde in den Ministerien. Danach bekäme man noch bequem bis März die avisierten Beförderungen hin. Allerdings nur, wenn die Regierung bis dahin noch im Amt ist.

Zweitens: Wenn Scholz erst im Januar die Vertrauensfrage stellt, kann die vorgezogene Bundestagswahl erst nach dem 30. März 2025 stattfinden. Ab diesem Tag aber gilt das angefangene Jahr – obwohl es gerade mal drei Monate alt ist – nach den gesetzlichen Regelungen für die Berechnung der Bezüge und Ruhegelder von Ministern und Abgeordneten als volles Jahr.

Darauf weist zurecht die Ex-Grüne und Ex-Bundestagsabgeordnete Antje Hermenau hin. Und dann schreibt sie noch: „Manchmal ist es einfach.“ In der Tat.

Drittens: Teilbereiche des Cum-Ex-Steuerskandals dürften 2025 wohl verjähren. Und: Am 29. Oktober 2024 ist das „Vierte Bürokratieentlastungsgesetz“ (BEG IV) in Kraft getreten. Das sieht unter anderem eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für viele wichtige Geschäftsunterlagen von zehn auf acht Jahre vor.

Damit dürften Anfang 2025 die meisten Unterlagen zu Cum-Ex-Geschäften für die Zeit vor 2018 geschreddert werden. Das dürfte dem jetzigen Bundeskanzler von der SPD vermutlich sehr entgegenkommen.

Kein Wunder, dass vor allem Olaf Scholz mit Gewalt versucht, sich so lange wie nur irgend möglich im Amt zu halten. Bei seinem Versuch, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen und ihnen den späteren Neuwahltermin schmackhaft zu machen, lässt sich sogar Bundeswahlleiterin Ruth Brandt einspannen:

So sieht Deutschland nach drei Jahren Olaf Scholz aus: Eine Bundestagswahl soll an fehlendem Druckerpapier scheitern.

Kurz zuvor hatte die Bundeswahlleiterin allerdings noch das genaue Gegenteil erklärt:

In Berlin kursiert das Gerücht, dass bei Frau Brandt – die ihren Job der Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD verdankt – der Sinneswandel erst nach Kontakten mit der Bundesregierung einsetzte. Das mag stimmen oder auch nicht. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP erinnerte die Dame jedenfalls schon mal vorsorglich an ihre Dienstpflichten:

Die Idee, Neuwahlen frühestens im kommenden Januar durchzuführen, wird sich absehbar nicht durchhalten lassen. Nicht nur in Umfragen schneidet der Scholz-Plan verheerend ab. Selbst die bekanntlich chronisch grün-linken selbsternannten Leitmedien senken den Daumen. Sogar der Spiegel, bisher dem Regierungslager in Nibelungentreue ergeben, muckt auf:

„Es ist ein absurder Plan. Die Koalition ist am Ende. Es gibt keinen Grund, eine Neuwahl länger als nötig hinauszuzögern. Je früher eine neue Regierung arbeiten kann, desto besser.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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