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Die Sehnsucht nach dem deutschen Trump

Die Wiederwahl Donald Trumps lässt bei gleichzeitigem Ampel-Aus auch in Deutschland den Wunsch nach einer Trump-Figur erwachen. Oder doch nach einem Milei? Doch was bräuchte es dafür und wer käme dafür in Frage? Stefan Raab? Harald Schmidt? Oder doch Dieter Bohlen?

IMAGO / Christian Ohde

Der Amerikaner an sich bleibt ein Kuriosum für den Europäer. Hin- und hergerissen zwischen Fremdscham und Bewunderung seines unbekümmerten Selbstbewusstseins, ist Amerika noch immer der Sehnsuchtsort, der es für viele Heimatlose seit dem 19. Jahrhundert bereits war. Donald Trump ist die neueste Galionsfigur dieses Lebensgefühls. Ein Mann, dem abseits von seinen Tanzkünsten wohl kaum jemand aufs Haar gleichen möchte, der aber eine bewunderswerte Direktheit und Nonchalance ausstrahlt, die uns Europäern schon vor langem abhandengekommen zu sein scheint.

Trump lässt sich nicht 1:1 kopieren, denn er steht sinnbildlich für Amerika und würde in Europa aus dem Rahmen fallen. Aber die Sehnsucht nach dem, wofür Trump steht, nämlich die Verkörperung bestimmter Ideale seiner Kultur (so oberflächlich diese auch manchmal erscheinen mag) und vor allem seine Nichtzugehörigkeit zur modernen Administratorenkaste der Politik, macht ihn zum Archetypen, den viele sich auch in Deutschland wünschen würden.

Andere Länder haben es auch schon vorgemacht: Javier Milei würde auf einer Wahlkampfveranstaltung in Ostfriesland nicht funktionieren, im Italien Südamerikas wirkt er hingegen wie der wiedergeborene Simon Bolivar – inklusive der wohl nicht unbeabsichtigten Koteletten. Und dem mediterranen Charme einer Giorgia Meloni erliegen nicht nur ihre Landsleute, sondern auch die halbe TE-Redaktion – Frauen inklusive! All diese Variationen sind nicht nur inhaltlich, sondern auch kulturell unterschiedliche Spielarten solcher Identifikationsfiguren.

Ein deutscher Milei müsste vor allem radikal libertär auftreten, denn das ist, abgesehen von Kettensägen, Koteletten und Karacho, das Erkennungszeichen von Milei. Doch Deutschlands Paradelibertärer Markus Krall hat sich nach einem Fehlstart mit der Werteunion (vorerst) endgültig aus der Politik verabschiedet.

Wer sich also, wie Heino, einen deutschen Donald Trump wünscht, der wünscht sich (hoffentlich) keine exakte Kopie von Trump, sondern jemanden mit Elan und gewissen deutschen Eigenschaften, der möglichst nicht aus dem Politikbetrieb stammt, aber das Land tatkräftig wieder auf Kurs bringt. Außerdem klingt „deutscher Donald Trump“ unverfänglicher als das früher gebräuchliche Wort für solches Führungspersonal in Deutschland.

Aber ein deutscher Donald Trump müsste eben auch die Dinge unverblümt beim Namen nennen, eine Eigenschaft, in der zumindest der preußisch-protestantische Teil des Landes den Amerikanern durchaus ähnelt. Nicht zufällig stammt Trump ja von deutschen Vorfahren ab. Außerdem muss ein deutscher Donald Trump auch das dicke Fell besitzen, dass ihm die öffentliche Meinung egal ist, sodass er selbst im Fall eines versuchten Attentats unbeirrt weiter seinen Weg ginge.

Vor allem aber benötigt ein deutscher Donald Trump auch die finanzielle Unabhängigkeit, die ihm die Freiheit verleiht, unbeirrt von Cancel-Versuchen seiner Linie treu zu bleiben. Wahrlich keine einfach zu findende Kombination.

Raab floppt, Schmidt ist schon weiter

Aufgrund des Charismas, der Unverfrorenheit und seiner langjährigen Medienpräsenz bietet es sich an, den deutschen Donald Trump auch in der Unterhaltungsbranche zu suchen. Als Stefan Raab, der mit seinem Werdegang vom Metzgermeister zum Medienmogul das deutsche Äquivalent zum amerikanischen Traum verkörpert, sein Comeback ankündigte, schien es so, als könne der politisch inkorrekte Showmaster, der von den Medien als „aus der Zeit gefallen“ bezeichnet wurde, eine Rückkehr zu harmloseren Zeiten einläuten, in denen es noch nicht das Karriereende bedeutete, sich über fette Leute lustig zu machen.

Doch wer sich insgesamt dreimal im Boxring von einer Frau vermöbeln lässt, kann unmöglich den Anspruch auf den Wiederaufbau der Wirtschaftsmacht Deutschland erheben. Darüber hinaus hat Raab es verabsäumt, sich mit seiner neuen Sendung politisch signifikant zu positionieren. Nostalgie, ja, aber ohne den benötigten Elan, um als Hoffnungsträger einer Nation das Ruder an sich zu reißen. So wird es wohl bei einer Staffel seiner Sendung und einem ruhigen Ruhestand bleiben, anstatt sich zum deutschen Trump emporzuschwingen.

Sucht man weiter, wird die Luft schon dünn. Harald Schmidt taugt mehr zum neuen Kaiser, denn zu dessen Wegbereiter „deutscher Trump“, obwohl er zumindest noch einen Hauch der alten bildungsbürgerlichen deutschen Tugenden, gehüllt in einen Mantel bitterster Ironie, verkörpert, der wenigstens ansatzweise von einer modernen Neuauflage des Landes der Dichter und Denker träumen lässt.

Viel wahrscheinlicher ist aber, dass der deutsche Trump eben nicht wieder Goethe zitiert, sondern die Renaissance von Currywurst und Reinheitsgebot einläutet. Und so passt der Schuh wohl am ehesten einem, den bislang in dieser Debatte nur wenige am Schirm hatten: Dieter Bohlen.

Nur einer kann tanzen wie Donald Trump

Denn Bohlen und Trump ähneln sich in mehr als nur einer Hinsicht. Geschäftstüchtigkeit und Verwaltung ihres Imperiums ist für sie kein Schimpfwort. Beide sind Liebhaber schöner Frauen und haben dieses Faible im Kampf gegen die demographische Krise erfolgreich eingesetzt. Beide haben im Fernsehen Karriere mit unverblümter Rhetorik gemacht und dabei immer einen Hauch von Selbstironie durchschimmern lassen, der ihrer ruppigen Art dennoch einen Hauch von Sympathie verlieh.

Auch der Wandel Trumps, der einst als Paradebeispiel großstädtischen Liberalismus galt, zum Verteidiger patriotisch-konservativer Werte ließe sich bei Bohlen nachvollziehen. Schon in den letzten Jahren ließ er bei seinen Auftritten als Juror nicht nur mit markigen Sprüchen aufhorchen, sondern auch mit überraschend konservativen Einstellungen zum Familienleben, die auf den ersten Blick, wie bei Trump, in schrillem Kontrast zu seinem früheren Lebenswandel zu stehen scheinen.

Doch erinnert man sich, wie schnell Donald Trump, als er zum Feindbild des liberalen Establishments wurde, dazu lernte, könnte auch für Dieter Bohlen das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht sein. Gewiss, politisch trat Bohlen bislang wenig in Erscheinung. 2008 schon äußerte er sich zwar kritisch zum Bankenwesen, war dabei aber weniger von einer ideologischen Überzeugung denn von seinen eigenen Erfahrungen und Interessen geleitet. Auch darin ist er Trump nicht unähnlich, der über Jahrzehnte erst an seinem eigenen Geschäft interessiert war, bevor er sich entschied, sich für das Land und seine Leute einzusetzen.

Kritischer wurde es dann allerdings Anfang 2023, als Bohlen es wagte, die Sanktionen gegen Russland in Frage zu stellen. Bei einer Podiumsdiskussion sagte Bohlen: „Wenn die diese Sanktionen zum Beispiel nicht gemacht hätten und man hätte sich vernünftig an einen Tisch gesetzt, ja, dann bräuchten die Leute jetzt nicht diesen ganzen Firlefanz machen. Jetzt müssen wir frieren, jetzt müssen wir dies und das, das ist doch alles scheiße aus meiner Sicht.“

Fast könnte man meinen, den POTUS reden zu hören, doch es war tatsächlich Bohlen. Damit handelte dieser sich auch prompt die Kritik der Medien ein, sodass er sich kurze Zeit später zwar von Putin distanzierte, zu seiner Einschätzung, dass es eine Verhandlungslösung brauche, aber weiter stünde. Es ist noch kein politisches Programm zur Umkrempelung Deutschlands, aber ein Ansatz unverblümter Gegenrede zum Konsens, immerhin.

Der entscheidende Hinweis aber, dass Dieter Bohlen der deutsche Donald Trump ist, liegt tiefer begraben. Genauer gesagt, in seiner Hüfte. Denn Dieter Bohlen ist, wie das Internet eindeutig belegt, der wohl einzige Deutsche, der es mit Trumps legendären Tanzeinlagen aufnehmen kann. Emilia Fester kann sich also schon mal warm anziehen, wenn Dieter ihr Konkurrenz macht und demnächst im Bundestag das Hüftbein schwingen sollte. Now we‘re modern talking!

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