Die FDP-Minister Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) haben ihren Rücktritt aus Ämtern und Bundesregierung erklärt, nachdem Kanzler Olaf Scholz den Parteichef Christian Lindner als Finanzminister öffentlichkeitswirksam entlassen hat. Doch Volker Wissing geht diesen Schritt nicht mit. Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende der Partei will Verkehrsminister unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bleiben.
Der Kanzler will erst im Januar die Vertrauensfrage stellen und damit Neuwahlen im März zulassen. Er könne im Amt seine Aufgaben fortführen, etwa die Bahnsanierung, argumentiert Wissing sein Überlaufen. Ob das sinnvoll möglich sei und ob Scholz die Vertrauensfrage nicht lieber schon jetzt stellen soll, wollen die Journalisten wissen. Um sich über diesen Schritt äußern zu können, müsse er erst vertieft nachdenken, sagt der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende am Tag, an dem er seine Partei verlässt. Das alles geschehe aus Verantwortung für Deutschland, sagt Wissing.
Wer ist Wissing? Der Rheinland-Pfälzer ist einer, wenn nicht der Gründervater der Ampel. Als Bundestagsabgeordneter war er zutiefst verärgert, wie Kanzlerin Angela Merkel die FDP 2013 hat fallen lassen. Verärgert ist noch vorsichtig ausgedrückt. Von da an wollte Wissing die Partei aus dem Griff ihres bisherigen Abo-Koalitionspartners CDU befreien. 2016 hat Wissing in seinem Land die erste Ampel maßgeblich mit SPD und Grünen gestaltet. Er selbst wurde Malu Dreyers (SPD) Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident. Als Generalsekretär der Bundespartei hat er die Ampel 2021 in Berlin durchgesetzt – die FDP hätte auch auf eine Koalition mit CDU und Grünen drängen können.
Am Freitag hat Wissing die Ampel verteidigt. Noch bevor Lindners Papier, mit dem er die Bundesregierung in Frage stellte, öffentlich geworden ist, erschien ein Gastbeitrag des Verkehrsministers in der FAZ. Darin bezeichnete er es als verantwortungslos, jetzt die Bundesregierung zu verlassen, und er betonte, es sei nicht die Aufgabe der Politik, parteipolitische Forderungen durchzusetzen. In anderen Worten nahm Wissing damit am Freitag die Kritik vorweg, die Scholz am Mittwoch an Lindner äußerte.
In den sozialen Netzwerken ist derweil ein Streit unter Liberalen entbrannt. Vor allem Vertreter der Jugendorganisation Julis kritisieren Lindner für seine katastrophale Kommunikation und für das Krisenmanagement der vergangenen Tage. Innerparteilich hat Wissing mit seinem Überlaufen Lindner nun erstmal gestärkt. Statt den Anführer eines möglichen Putsches gibt der nun den Überläufer. Sollte es zu weiterem Widerstand gegen Lindner kommen, wird nun auch der eher in Form eines Austritts stattfinden.
Zudem hat Scholz ein inhaltliches Paket mit Lindners Entlassung verbunden, vor dem es echten Liberalen gruseln muss. Zwar verkauft er das Ende der Schuldenbremse und damit jeder Haushaltsdisziplin damit, dass er auch mehr Geld an die Ukraine geben will. Das könnte die Europa-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann an die Koalition binden. Doch außerdem will Scholz das Ende der Haushaltsdisziplin nutzen, um noch nicht näher bestimmte „Pakete“ und „Investitionsprämien“ zu finanzieren. Das heißt: Noch mehr staatliches Geld in der Hoffnung raushauen, das helfe der Wirtschaft, um dann noch mehr Steuern erheben zu müssen, die der Wirtschaft endgültig den Hals zuschnüren werden. Würden das Wissing, Kuhle oder Hagen mittragen, müssten sie sich damit rechtfertigen. In der Partei und letztlich vor dem Wähler.
Die Ampel hat der FDP geschadet. Das ist nach drei Jahren und Ergebnissen wie 0,8 Prozent in Brandenburg eindeutig das zwingende Resümee. Wenn Wissing nun „aus Verantwortung für das Land“ die FDP verlässt, hat er seinen Job beendet. Es war eine Abrissarbeit. Wissing wollte die FDP aus der Umklammerung der CDU befreien und liberalen Stolz verbreiten – nun ist er das liberale Feigenblatt eines Sozialdemokraten, der eine sozialistische Klimaplanwirtschaft vorantreibt. Wie Wissing damit selbst klarkommen will, kann er nun vertieft für sich selbst erforschen. Irgendwann kommt die Neuwahl und dann ist er nur noch eine Anekdote der Geschichte.