Sandra Maischberger hat gleich 18 (!) Gäste am Start, die teils bis 4 Uhr durchmachen. Darunter den Schauspieler Hannes-„Ich hab noch nie was Anderes gewählt als demokratisch“-Jaenicke, den Focus-Kolumnisten Jan-„Mehr Trump wagen“-Fleischhauer und den ZDF-Moderator Cherno-„Fernsehschmunzler“-Jobatey. Ziemlich bunte Herbstmischung.
Interessant ist hier, wie ARD-Zahlenfuchs Jörg Schönenborn schon nach wenigen Minuten die auffällige Schieflage der deutschen Berichterstattung entlarvt, wie sie auch in diesen Talkshows gepflegt wird. Über Kamala Harris sagt er: „Wir haben in Deutschland ja sehr klare Meinungen über sie“ (nämlich eine äußerst positive), doch die Zahlen, die er aus den USA präsentiert, sprechen eine andere Sprache: Einer Gallup-Umfrage zufolge kommt Trump dort mindestens ebenso gut an wie die in Deutschland gepriesene Erlöserin.
In der Regie kommt Panik auf. Der Kameramann im Studio versucht, den hartnäckigen Störenfried zu verstecken, indem er ihn abwechselnd hinter den Studiogästen Roderich Kiesewetter (CDU-Waffenexperte) und Kristina Dunz (RedaktionsNetzwerk Deutschland) verschwinden lässt. Kiesewetter ist das unangenehm, was überraschend ist, weil ihm doch sonst nie etwas (außer zu wenig Waffen für die Ukraine) unangenehm ist. Theveßen selbst bekommt von all dem, wie man es von ihm gewohnt ist, überhaupt nichts mit. Nur Markus Lanz nimmt die Situation gelassen: „Wir versuchen das natürlich zu unterbinden.“
Trump kommt – Überraschung! – in beiden Talkshows schlecht weg. Doch während bei Maischberger die beiden Lager der Demokraten und Republikaner in den direkten Schlagabtausch treten dürfen, wird bei Lanz der Vertreter der „Republicans Overseas“ nur per Bildschirm zugeschaltet. Das bringt Benjamin Wolfmeier schon rein technisch ins Hintertreffen. Nicht nur, dass er wegen der zeitverzögerten Übertragung schlecht zu Wort kommt, Wolfmeier ist leider auch zu höflich. Wenn er auf Zwischenrufe aus dem Studio nur eine kurze Sprechpause einlegt, grätschen ihm Profis wie Sigmar Gabriel (Ex-Vizekanzler, SPD) und Kiesewetter sofort rein und übernehmen das Wort.
Sie kritisieren Trump, weil er das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt hat, weil er „versucht, Europa zu spalten“, zu gut mit Diktatoren wie Putin oder Kim Jong-un klargekommen sei, Befürworter des Brexit war und „die Fähigkeit der USA abgeschafft“ habe, „Allianzen zu bilden“. Lanz-Dauergast Dunz (letzter Auftritt bei ihm vor genau einer Woche …), die als stellvertretende Chefredakteurin ein Medienhaus vertritt, das zur Verlagsgesellschaft Madsack gehört, die sich wiederum zu 23,1 Prozent im Besitz der Kanzler-Partei SPD befindet, wirft Trump sogar vor, „weltpolitisch allergrößten Schaden anzurichten“.
Gabriel findet es „mutig zu sagen, jemand, der die NATO in Frage stellt, sei ein Friedenspräsident“. Und Kiesewetter konstatiert: Trump habe „in Afghanistan ein Trümmerfeld hinterlassen“. Dass es Joe Biden war, der den überraschenden Rückzug anordnete und den Taliban Waffen im Milliardenwert hinterließ, vergisst er zu erwähnen.
Elmar Theveßen steht noch immer an der Ampel. Gerade war Grün.
Dass sogar der ehemalige Corona-Gesundheitsminister Jens Spahn einmal positive Worte für Trump gefunden hat, wird in der Runde schnell zerpflückt. Man müsse anerkennen, dass Trump „außenpolitisch häufig richtig lag“, wird Spahn zitiert. Sofort ist Dunz zur Stelle. Dass Spahn sich und seine CDU bei den Republikanern lieb Kind machen wolle, sei ja nur verständlich. Sie erinnert an die „engen Bande“, die Spahn seinerzeit zu Richard Grenell hatte, als dieser Botschafter in Deutschland war. Ohne freilich zu erklären, was genau sie damit andeuten will. Grenell sei in einer möglichen Trump-Regierung nun für eine führende Rolle im Gespräch. Spahn sorge also nur vor.
Dass Trump von „Gegnern im eigenen Land“ spricht, gegen die er notfalls sogar die Nationalgarde oder das Militär einsetzen wolle, kritisiert Markus Lanz scharf: „Wenn ich das höre, kommt mir Alexander Gauland in den Sinn.“ Lanz spielt auf das Zitat „Wir werden sie jagen“ an. Wer alt genug ist, dem kommen dabei allerdings eher die Grünen in den Sinn, die denselben Satz 1994 noch völlig ungestraft verwenden durften. Oder es kommen die Wasserwerfer ins Gedächtnis, die im November 2020 gegen friedliche Corona-Maßnahmenkritiker samt ihren Kindern eingesetzt wurden. Aber Lanz denkt nur an Gauland.
Auch Wolfmeier hat beim Moderator keinen guten Stand. Als der Republikaner den scheidenden US-Präsidenten Joe Biden als „senilen Greis“ bezeichnet, platzt es aus Lanz heraus: „Die Wortwahl kann ich nicht akzeptieren. Seniler Greis, was soll das sein?“, fragt er empört.
An der Ampel in Washington wird es langsam dunkel. Doch Theveßen steht weiter stramm. Die Löhne seien unter Biden stärker gestiegen als durch die Inflation aufgefressen wurde, flötet er. Biden habe auch die Migrationszahlen deutlich gesenkt. „Dieses Land steht nicht vor dem Untergang. Im Gegenteil.“ Huch, hat er sich etwa im „Universal-Textbaukasten Deutschland und andere Krisengebiete“ bedient? Trump hingegen sei „ein Mann, der keine Bremse mehr kennt“. Es geht nun minutenlang darum, wie aggressiv Trump spricht. Dass es zwei Attentate auf ihn gab, wird nicht einmal erwähnt.
Was passiert, wenn Trump gewinnt? „Dann ist das nicht das Ende des Landes“, sagt Gabriel. Er warnt vor einer Spaltung. Politische Lager dürften sich nicht gegenseitig zum Feind erklären. Kiesewetter schunkelt mit: Nein nein, geht gar nicht. Aber genau das versuche eine Partei ja gerade, „in die Politik zu tragen“. Und nein, er meint nicht etwa die Altparteien, nicht deren jahrelange Ächtung der AfD. Auch nicht die Brandmauer der eigenen CDU. Nein, er meint das Bündnis Sahra Wagenknecht BSW. Muss man auch erstmal drauf kommen.
Aber Kiesewetter setzt noch einen drauf: Die Ampel müsse jetzt „die Koalition öffnen“, fordert er. Dunz stutzt. Ob die CDU dann etwa der Junior-Partner in einer neuen Koalition sein werde, obwohl sie bei 30 Prozent steht und die SPD an der Einstelligkeit kratzt, fragt sie. Kiesewetter weicht aus. Dunz fragt nochmal. Kiesewetter weicht weiterhin aus. Lanz hakt ebenfalls nach. Aber Kiesewetter weigert sich standhaft. Stattdessen sagt er: „Die Regierung muss die Vertrauensfrage stellen.“ Das allerdings sagt er knapp zehn Mal.
Währenddessen bei Maischberger: Trump-Unterstützer Andrew Langer und Constance Chucholowski von „Democrats Abroad“ führen eine ebenso kontroverse wie interessante Diskussion über ein mögliches Comeback von Donald Trump. Es ist 0:30 Uhr. In einer halben Stunde kommen die ersten Zahlen aus den USA. Cherno Jobatey spielt unterm Tisch heimlich mit seinem Handy.
Später in der Nacht: Beatrix von Storch (AfD) will endlich Frieden für die Ukraine. Das hauptsächliche Ziel muss doch sein, dass dieses Sterben aufhört, und zwar so schnell wie möglich.“ Doch damit holt sie sich im Duell mit Serap Güler (CDU) sofort eine Gegensalve: „Ich glaube, die Ukraine möchte mehr als Frieden. Sie möchte in Freiheit leben.“ Ergo: Mehr Waffen, bitte weitermachen! Auch Norbert Röttgen (CDU) warnt geradezu vor jenem Friedensdeal, den Donald Trump für den Fall seines Wahlsiegs angekündigt hat: „Dann wäre die NATO nicht mehr das, was sie seit ihrer Gründung war, nämlich ein Bündnis zum Schutz Europas. Sie hätte sich dann in das Gegenteil verkehrt.“
Umkrempeln: auch für die deutsche Talkshow-Szene eine interessante Idee.
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