Tichys Einblick
US-Wahl zwischen Dämon und Erlöserin

Miosga hat entschieden: Trump darf nicht gewinnen

Vorschlag: Caren Miosga sollte künftig 60 Sendungen pro Jahr bekommen statt 30. Dann könnte sie nachliefern, was sie bisher ständig weglässt. Genial, oder? Nein? Na gut, war ja nur eine Idee. Leben wir also weiter damit, dass die Hälfte der Information unter den Tisch fällt. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Miosga

Zwei Tage vor der US-Wahl schweben die beiden Kandidaten wie Engelchen und Teufelchen über diesem Miosga-Talk. Der ehemalige und möglicherweise neue Präsident Donald Trump wie ein Damoklesschwert, wie ein derber Dämon und Demagoge, die demokratische Kandidatin Kamala Harris hingegen wie die Erlöserin, die kurz vor der Heiligsprechung steht. Er wird als meisterlicher Menschenfänger präsentiert, der die Schwächen seiner Mitmenschen eiskalt ausnutzt, sie als Heilsbringerin, die zwar selbst ein paar Schwächen hat, aber zumindest eine ehrliche Haut ist.

Um das alles stringent rüberzubringen, hat die Sendung natürlich Schlagseite, versteht sich. Mit Sigmar Gabriel ist ein ehemaliger Außenminister an Bord, der als Vorsitzender der Atlantikbrücke zumindest mit offenen Karten spielt. Bei Cathryn Clüver Ashbrook liegen die Dinge schon anders, Sie wird dem Zuschauer lediglich als „deutsch-amerikanische Politologin“ vorgestellt. Dass Sie in führender Position für die Bertelsmann-Stiftung arbeitet, die zum Beispiel Pseudo-Faktenchecks und „Wahrheitsanpassungen“ auf der Senioren-Plattform Facebook verantwortet, bleibt unerwähnt. Doch Clüver Ashbrook ist dem regelmäßigen Talkshow-Zuschauer durchaus bekannt. Regelmäßig liefert sie Halbwahrheiten und Fake News, die ebenso regelmäßig entlarvt werden. Eingeladen wird sie gleichwohl weiterhin, auch von Miosga.

„Republikaner, die von sich selbst sagen, sie sind sogenannte "wenig informierte Wähler". 54% der Republikaner sagen das selber über sich, sie seien "low-information voters".“… pic.twitter.com/xmCPFun7rN

— Argo Nerd (@argonerd) October 30, 2024

Mit am Tisch sitzt Julius van de Laar, vorgestellt als „Wahlkampfexperte“. Seine Haltung ist bemerkenswert, und das sagen wir mit neidloser Bewunderung. Körperspannung wie Flitzebogen, sitzt er extrem aufrecht da wie ein Duracell-Häschen mit frischen Batterien. Um mit ihm auf Augenhöhe zu sprechen, bräuchten eigentlich alle anderen Gäste einen Kinderstuhl für Erwachsene. Aber genug der Äußerlichkeiten.

US-Wahlkampf:
Teflon-Trump im Endspurt unantastbar
Van de Laar hat bereits an der Kampagne für Barack Obama mitgearbeitet, und damit ist klar, dass auch seine Sicht auf die anstehende Wahl eine gewisse Schlagseite haben dürfte. Umso mehr erstaunen seine Einlassungen, wenn er die Qualitäten eines Donald Trump bisweilen recht nüchtern lobt. So sei Trump ganz klar ein Mann der knackigen Sätze. Beispiel: „She broke it, I’ll fix it“ – „Sie hat es kaputtgemacht, ich werde es reparieren.“ So etwas funktioniere viel besser als die Worthülsen einer Harris. „Der macht einen relativ guten Pitch“, lobt van de Laar.

Einsamer Kontrageber ist an diesem Abend ein USA-Korrespondent der „Welt“: Jörg Wimalasena beschreibt die Krise der Vereinigten Staaten ähnlich knackig wie Trump: „Der politische Zustand ist einfach: 40 Jahre arbeiterfeindliche, neoliberale Politik, bezahlt von Milliardären. Kamala Harris kriegt ‘ne Milliarde von denen hinterhergeworfen, und dafür wollen sie natürlich was.“

Was Harris liefert, ist Wimalasena allerdings entschieden zu wenig: Nach ihrer Aufstellung habe Harris den ersten Monat lang „überhaupt nichts gemacht“. Jemand, der Vizepräsident ist, müsste eigentlich ein Programm haben.“ Wimalasena glaubt den Grund zu kennen: „Ihr Team hat sie ja unter anderem deshalb versteckt, weil man nicht wusste, wie gut sie in solchen Interviews abschneidet. Und das hat sie auch nicht. Weil da am Ende relativ wenig Substanz ist.“

Da muss sogar Sigmar Gabriel zustimmen: „Das stimmt alles, was er sagt.“ Doch der SPD-Mann hat Trump durchschaut. „Der appelliert an den inneren Schweinehund.“ Trump sei einer, „der vor nichts zurückschreckt. Dagegen ist jeder Demokrat schlecht gewappnet“. Trump sei ein Rassist. „Er mobilisiert den Rassismus in den USA.“ Wimalasena wirft ein: „Er schneidet super bei den Latinos ab“, aber das lässt Gabriel nicht gelten: „Er schneidet gut bei den Männern ab, die auf sein Machotum abfahren.“ Für Clüver Ashbrook sind die Dinge noch einfacher gestrickt. Sie holt ihr gut abgehangenes Argument aus der Schublade, es gebe in den USA einfach eine „Wahrnehmungslücke“. Was angeblich niemand sieht: Joe Biden habe „ein modernes, sozialdemokratisches Programm“ präsentiert. Dabei zählt sie allen Ernstes „die Covid-Rettung“ auf. Und Kamala Harris habe all jene „motiviert, die in diesen Tagen fragen, welche Rechte haben sie am eigenen Körper“. Hintergrund: Harris tritt für ein Recht auf Abtreibung bis kurz vor der Geburt (!) ein. Für Clüver Ashbrook ist dies offenbar eine erstrebenswerte Art der Selbstbestimmung.

Ein unschöner Wahlkampf und die Folgen
US-Wahlkampf: Schlammschlacht ohne Format
Apropos Kinderkriegen – Wimalasena hat noch einen: „Die Lösung der Demokraten ist ja, mit der Tochter von Dick Cheney Wahlkampf zu machen, der sein Land in den Irakkrieg reingelogen hat. Ob das jetzt eine besonders gute Lösung ist zum Aufrechterhalten der liberalen Weltordnung, wage ich zu bezweifeln.“

Stille.

Der Einwurf verpufft. Betretenes Schweigen in der Runde, und Miosga macht hastig weiter: „Dass Trump ununterbrochen lügt“ und sich „massiv rassistisch äußert“, stellt sie als Fakt in den Raum. Grund genug für Gabriel, gleich den Bogen zur AfD und zu Björn Höcke zu schlagen. „Ich frage mich schon lange, der ist ja hessischer Landesbeamter, warum den eigentlich keiner rausschmeißt. Früher haben wir Postbeamte rausgeschmissen, weil sie in der DKP waren. Höcke ist da immer noch drin, ohne dass wir ihm das passive Wahlrecht entziehen.“ Sauber alles abgehakt, Herr Gabriel, Bullshit-Bingo at its best.

Einen Wahlsieg Trumps malt Gabriel in äußerst düsteren Farben: Aus der NATO austreten würde Trump natürlich nie, aber er würde sie gleichwohl „in Frage stellen“, und das sei bereits „eine Einladung an Putin“ für weitere Angriffskriege. „Dann testet er in Moldawien, Georgien, Westbalkan – und vielleicht auch Estland.“ Gabriel wird gefühlig. „Ich hab drei Töchter. Ich möchte nicht dass die in einem solchen Europa aufwachsen. Und deshalb muss man ihn jetzt stoppen.“ Was wohl wäre, wenn Gabriel drei Söhne im wehrpflichtigen Alter hätte, lässt er offen.

Am Ende der Sendung bleibt der Zuschauer ratlos zurück. Trump oder Harris? Vielleicht hilft der Einspieler aus New York, in dem ein junger jüdischer Demonstrant zu Wort kommt. Er sagt über Donald Trump: „Ich weiß, dass er ein Arschloch und ein Egomane ist. Und ich wähle ihn trotzdem.“

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