Tichys Einblick
Konzernchef senkt Prognose

Der Koloss wankt: Bosch im Strudel der automobilen Zeitenwende

Die Krise in der Automobilindustrie lässt auch Deutschlands größten Autozulieferer, Bosch nicht kalt. Der Konzern korrigiert die Prognose für 2024 deutlich nach unten. Massive Stellenstreichungen stehen an. Von Hannes Märtin

IMAGO

Vorstandschef Stefan Hartung stellte gegenüber dem Tagesspiegel klar, dass Bosch die für 2024 gesetzten Ziele nicht erreichen wird. Das Unternehmen, das 2023 knapp 92 Milliarden Euro Umsatz erzielte, hatte für das laufende Jahr eigentlich ein Wachstum angestrebt. Doch nun korrigiert Hartung: „Unsere Umsatzrendite wird maximal vier Prozent betragen.“ Zum Vergleich: Im Vorjahr lag diese noch bei fünf Prozent.

Auch bezogen auf den Personalabbau könnte Bosch in nächster Zeit noch härter durchgreifen. Hartung ließ die Tür für weitere Kürzungen offen: „Aktuell kann ich nicht ausschließen, dass wir die personellen Kapazitäten weiter anpassen müssen“, erklärte Hartung.

Wird der drastische Sparkurs ausgeweitet?

Bereits im August reagierte Bosch auf die angespannte Lage in der Automobilindustrie und kündigte in Form eines konzernweiten Sparkurses, umfassende Stellenstreichungen an. Geplant ist seitdem der Abbau von rund 7.000 Arbeitsplätzen weltweit, wobei der Schwerpunkt auf deutschen Standorten liegt. Besonders hart trifft es die Hausgeräte-Tochter BSH – Bis Ende 2027 sollen dort rund 3.500 Stellen weltweit gestrichen werden – und den Sektor Autosoftware – im Segment „Cross-Domain Computing Solution“ stehen bis 2026 etwa 1.200 Stellen weltweit zur Disposition. Auch in der Antriebstechnik könnte Bosch bis zu 1.500 Arbeitsplätze streichen.

Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Situation stellt sich daher nun die Frage: Werden die Einschnitte noch drastischer ausfallen? Oder drohen sogar Standortschließungen? Das Werk für Elektromotoren in Hildesheim gilt als potenziell gefährdet.

Arbeitszeitkürzungen

Ein weiterer Bestandteil des Sparkurses sieht großangelegte Arbeitszeitkürzungen vor. – Zu Lasten der Arbeitskräfte, denn weniger Arbeitszeit bedeutet folglich auch ein geringeres Gehalt.

Seit dem 1. Oktober wurden die wöchentlichen Arbeitszeiten für etwa 2.300 Beschäftigte in der „Engineering-Sparte“ von 40 auf 37 Stunden gesenkt. Im kommenden Jahr soll zusätzlich eine weitere Stunde gestrichen werden. Besonders stark betroffen ist der Hauptstandort in Abstatt, wo rund 2.100 Mitarbeiter tätig sind, wie der SWR berichtet.

Bosch begründet auch diese Maßnahme mit der anhaltenden Krise in der Automobilindustrie, die das Unternehmen zu solch tiefen Einschnitten zwingt.

Vorstandschef Stefan Hartung stellte zudem klar, dass auch ein Stellenabbau in der „Engineering-Sparte“ nicht ausgeschlossen sei.

Mobilitätssparte wankt und reißt den gesamten Konzern mit in den Abgrund

Um zu vertsehen, warum die Krise in der Automobilindustrie, bzw. die Krise um die E-Mobilität, eine so tiefreichende Auswirkung auf den Technologiekonzern hat, sollte man einfach mal ein Blick auf die Umsatzzahlen des letzten Jahres werfen: Allein die Mobilitätssparte von Bosch erwirtschaftete 2023 beeindruckende 56,3 Milliarden Euro und trug damit rund 61,5 % zum Gesamtumsatz von 91,6 Milliarden Euro bei. Diese zentrale Rolle macht deutlich, warum die aktuellen Herausforderungen im Bereich der E-Mobilität Bosch besonders hart treffen. Der Konzern teilt dieses Schicksal mit anderen namhaften Zulieferern.

Krise der Zulieferer: Auch Continental und ZF bleiben nicht verschont

Auch Zulieferer, wie Continental und ZF, die ebenfalls unter den aktuellen Marktbedingungen leiden, sehen sich massiven Einschnitten bevor. Continental hat bereits den Abbau von weltweit 7.150 Stellen im Rahmen eines rigorosen Sparprogramms angekündigt. Ein Großteil dieser Stellen wird wohl auf den Standort Deutschland entfallen.

Die Automobilkrise hat auch den Konzern aus Hannover stark getroffen – und die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während die Reifensparte glänzende Geschäfte macht und im Jahr 2023 einen beeindruckenden Umsatz von 14,0 Milliarden Euro erzielt hat, sieht es für die Automotive-Sparte, das Herzstück des Zuliefergeschäfts, düster aus. Seit 2018 hat diese Sparte es nicht mehr geschafft, schwarze Zahlen zu schreiben.

Continental plant daher, den Unternehmensbereich Automotive komplett abzuspalten. Ziel ist es, die unprofitable Sparte bis Ende 2025 als eigenständiges Unternehmen an die Börse zu bringen.

Bei ZF Friedrichshafen gestaltet sich die Lage sogar noch dramatischer. Der Konzern sieht sich mit einer Schuldenlast von rund 10 Milliarden Euro konfrontiert, die vor allem aus überambitionierten Übernahmen in der Vergangenheit resultiert. So erwarb ZF im Jahr 2015 den amerikanischen Zulieferer TRW für stolze 13,5 Milliarden Euro und setzte mit der Übernahme von Wabco für rund 7 Milliarden Euro einen weiteren finanziellen Akzent.

Im Juli kündigte CEO Holger Klein in Reaktion auf die Krise an, bis Ende 2028 in Deutschland zwischen 11.000 und 14.000 Stellen abzubauen. Besonders betroffen ist das Werk in Gelsenkirchen, welches geschlossen werden soll, während auch die Standorte in Damme und Eitorf bedroht sind.

Die dramatischen Entwicklungen, die sich durch die Bank weg, bei nahezu allen großen, deutschen Zulieferern zeigen, werfen einen tiefen Schatten auf die Zukunft der Branche und verdeutlichen die gravierenden Herausforderungen, mit denen die Automobilindustrie konfrontiert ist.

Automobilkrise Deutschland: Einst Motor der Innovation, nun Echo des Gespötts

Die Krise der Automobilindustrie in Deutschland, hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, dass noch vor einigen Jahren nicht denkbar gewesen wäre. Bevor die Umstellung auf die Elektromobilität erfolgte, waren deutsche Automobilhersteller nahezu unantastbar. Der Verbrenner, das Prestige-Produkt und Aushängeschild der deutschen Automobilindustrie sorgte weltweit für Ansehen und generierte stabile Absätze. Made in Germany – davon war die ganze Welt beeindruckt.

Doch die Zeiten ändern sich. VW, Mercedes, BMW & Co. – allesamt, fahren sie gewaltige Umsatzeinbußen ein und korrigieren Ihre Jahresprognosen steil nach unten. Sie alle haben die Folgen ihrer einseitigen Fokussierung auf die E-Mobilität zu tragen.

Krise bei VW und Mercedes – Auswirkungen der EU-Klimaziele

Obendrein, haben die ideologischen Entscheidungen der Europäischen Union und die der Bundesregierung, in Bezug auf Klimaziele und Flottengrenzwerte letztendlich soweit geführt, dass die Automobilindustrie kurz vor dem totalen Zusammenbruch steht. Die Fehlerhaftigkeit dieser Ausrichtung kann mittlerweile keiner mehr leugnen. Bei Mercedes-Benz ist der Gewinn im 3. Quartal 2024 um brachiale 54% eingebrochen. Bei Volkswagen ereignete sich sogar ein Gewinneinbruch von 64% im Vergleich zum Vorjahr.

Besonders für VW markiert die aktuelle Krise nun einen dramatischen Stillstand. Erstmals in der Firmengeschichte plant der Konzern Standorte in Deutschland zu schließen. Drei Werke sollen vor dem Aus stehen. Darüber hinaus könnten rund 10.000 Arbeitsplätze dem Sparkurs zum Opfer fallen – ein gewaltiger Einschnitt für den einstigen Giganten der deutschen Automobilwelt und größten Hersteller Europas.

Die jüngsten übergreifenden Absatzzahlen, vor allem mit Blick auf August verdeutlichen das düstere Bild: Die Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland sind in dieser Periode im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 70 % eingebrochen. In den Monaten September und Oktober konnte sich zwar eine leichte Erholung abzeichnen, die aber weder nachhaltig war, noch für Regeneration bei den Herstellern sorgte.

Unstimmigkeiten im Konzern – Dieser nächste Fehltritt könnte verheerend sein

Während wir die obengenannten, bedrückenden Zahlen beobachten und denken, die Situation könnte schlimmer kaum werden, überrascht uns Bosch aufs Neue: Während der Stuttgarter Konzern in der Mobilitätssparte massiv Arbeitsplätze abbaut, verfolgt das Unternehmen in anderen Bereichen unerschütterlich eine aggressive Expansionsstrategie. Ende Juli gab Bosch die größte Übernahme in seiner Geschichte bekannt – und jetzt kommt der Hammer!

Um seine Marktstellung im globalen Geschäft mit Wärmepumpen und Klimaanlagen zu festigen, plant der Konzern die Übernahme des Heizungs-, Lüftungs- und

Klimatechniksegments für Wohn- und Kleingewerbegebäude vom irischen Gebäudetechnik-Spezialisten Johnson Controls. Darüber hinaus steht der Erwerb eines Joint Ventures zwischen Johnson Controls und dem japanischen Industriekonzern Hitachi auf der Agenda. Die Übernahmesumme beträgt satte acht Milliarden US-Dollar, was rund 7,4 Milliarden Euro entspricht.

Bosch-Chef Stefan Hartung betont: „Wir können diese Transaktionen komplett aus eigener Kraft finanzieren.“ Doch angesichts des angekündigten Abbaus von mehr als 7.000 Stellen, der Arbeitszeitkürzungen und der schwachen Jahresprognose zeigt sich jedoch ein anderes Bild.

Statt die Mittel aus dieser enormen Investition zu nutzen, um sich aus dem verlustreichen Bereich der E-Mobilität zurückzuziehen und auf profitablere Geschäftsfelder umzuschwenken – ein Schritt, der möglicherweise Arbeitsplätze retten könnte – trifft der Konzern erneut eine ideologische Fehlentscheidung. Diese Entscheidung könnten Bosch langfristig noch weiter in den Abgrund treiben und die ohnehin angespannte Situation noch verschärfen.

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