Tichys Einblick
„Hosen voll“

Die Angst der SPD vor der Corona-Wut der Bürger

In Sachsen könnte die sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD an der Corona-Aufarbeitung scheitern. Wagenknechts Leute haben im Landtag einen Untersuchungsausschuss mit eingesetzt. Doch die Sozis wollen auf keinen Fall an ihre eigene Politik von damals erinnert werden.

Petra Köpping und Kathrin Michel, SPD Sachsen

picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

„Durch ihr Abstimmungsverhalten hat die BSW-Fraktion (…) einem Tribunal zugestimmt. Das ist für uns nicht hinnehmbar.“ Die beiden Co-Vorsitzenden der sächsischen SPD waren schier außer sich vor Wut. Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ habe sich „zu einer inhaltlichen Unterstützung eines populistischen Antrags einer gesichert rechtsextremen Partei entschieden“, schimpften Kathrin Michel und Henning Homann.

Was war passiert? Eine Mehrheit der BSW-Abgeordneten im Dresdner Landtag hatte am vergangenen Freitag einem Antrag der AfD zugestimmt – und damit den Weg zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses über die Corona-Zeit frei gemacht.

Die gemeinsame Abstimmung mit den Blauen lieferte den Sozialdemokraten eine formale Begründung für ihre ausgiebig in Szene gesetzte Empörung. Der tatsächliche Grund liegt aber darin, dass die SPD einen Corona-Untersuchungsausschuss um jeden Preis verhindern wollte.

Denn die SPD hat Angst vor der Corona-Wut der Bürger.

„Falls es im Einzelfall dazu kommen sollte, dass sich Menschen den Anordnungen widersetzen, ist es (…) notwendig, die von den Gesundheitsämtern angeordneten Maßnahmen mit Zwang durchzusetzen.“ So sprach im April 2020 die damalige Sozialministerin von Sachsen, Petra Köpping von der SPD. Dann folgte noch dieser Satz:

„Dazu ist es möglich, diese Menschen mit einem richterlichen Beschluss in einem geschlossenen Teil eines Krankenhauses unterzubringen.“

Andersdenkende in der Psychiatrie wegzusperren: Das kannte man noch aus der untergegangenen DDR. Deshalb war es gleich auf mehreren Ebenen so abstoßend, dass sich im wiedervereinigten Deutschland ausgerechnet das frühere SED-Mitglied Köpping nun voller Tatendrang an diesen Umgang mit Oppositionellen erinnerte.

Sicher, viele Politiker aus vielen Parteien haben damals viel dummes Zeug geredet und auch gemacht. Aber Köpping ist eine Nummer für sich: Anders als andere, lässt sie bis heute hartleibig jede Gelegenheit aus, sich zumindest vorsichtig vom damaligen Corona-Irrsinn abzusetzen. Bis heute gibt sie nicht einmal den kleinsten Fehler zu – geschweige denn, sich bei den vielen Opfern der Corona-Politik (auch ihrer eigenen) zu entschuldigen.

Dabei hätte sie vermutlich so viele Gründe wie kaum jemand sonst, sich Asche auf ihr Haupt zu streuen, und zwar gleich säckeweise: Bereits Wochen vor ihrer Idee, Corona-Dissidenten in Irrenanstalten zu deportieren, hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) intern glasklar festgestellt, die jüngste Corona-Welle sei ja schon beendet. Und selbst nach den offiziellen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums gab es in den Krankenhäusern im Frühjahr 2020 eine drastische UNTERauslastung von gerade mal 30 Prozent.

Doch Köpping – und mit ihr die gesamte sächsische SPD – folgte geradezu lustvoll ihren autoritären Fantasien: In den vier psychiatrischen Kliniken Altscherbitz, Arnsdorf, Großschweidnitz und Rodewisch ließ sie insgesamt 22 Zimmer freiräumen, um dort mögliche Quarantäne-Verweigerer zwangsweise unterzubringen und von der Polizei bewachen zu lassen. Das berichtete damals sogar, sichtlich irritiert, der Mitteldeutsche Rundfunk MDR unter Berufung auf Köppings Sozialministerium.

Davon will die sächsische SPD heute nun partout nichts mehr hören.

Denn der Wind in Sachen Corona hat sich gedreht. Überall im Land müssen sich Politiker zunehmend für den Wahnsinn rechtfertigen, den sie damals verzapft haben. In Brandenburg gibt es schon einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, auch anderswo werden immer mehr unangenehme Fragen gestellt. Und mit der Enthüllung der bisher geheimen RKI-Protokolle nimmt die ganze Sache zusätzlich Fahrt auf.

Wer heute nicht mehr in der ersten Reihe steht, bekommt nicht ganz so viele Prügel ab. Diese Gnade der öffentlichen Meinung wird Petra Köpping nicht zuteil: Die 66-Jährige war bei der jüngsten Landtagswahl Spitzenkandidatin ihrer SPD. Mehr erste Reihe geht nicht. Und nun muss sich die rote Frontfrau demnächst vor einem U-Ausschuss für ihre höchst dubiosen Handlungen während der Corona-Zeit (siehe oben) rechtfertigen.

Was davon inzwischen möglicherweise in Vergessenheit geraten war, wird nun hundertprozentig wieder sehr öffentlich in Erinnerung gerufen werden – ein Alptraum für die Sozialdemokraten, die mit einem Wahlergebnis von zuletzt nur noch 7,3 Prozent im Freistaat auch so schon ihr Dasein in politisch prekären Verhältnissen fristen.

Kein Wunder, dass sie vor einem „Tribunal“ warnen.

Tatsächlich lässt der im Landtag beschlossene Auftrag des U-Ausschusses vermuten, dass es für Köpping – und auch für andere – keine vergnügliche Veranstaltung wird. In der Begründung heißt es zum Beispiel:

„Die Corona-Krise stellte einen in ihrer Dauer und Intensität beispiellosen Ausnahmezustand dar, welcher alle Teile der Gesellschaft betraf und enorme Auswirkungen hatte. Durch die Entscheidungen der sächsischen Staatsregierung wurde in bislang nie dagewesener Art und Weise in die Grund- und Freiheitsrechte der sächsischen Bürger eingegriffen. (…)

Zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes sind neben den zwingend einzubeziehenden Beweismitteln u. a. auch die Experten und Entscheidungsträger auf Seiten der sächsischen Staatsregierung sowie der jeweils zuständigen Ministerien und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unterstehenden Behörden, der Bundesministerien, der Bundesregierung, des Robert-Koch-Institutes und der Landesregierungen anderer Bundesländer sowie sonstige in die Corona-Krise involvierte Akteure, weitere Experten aus den Bereichen der Virologie und Epidemiologie, Mediziner, Juristen, Volkswirte, Verwaltungsexperten, Soziologen, Psychologen und Bedienstete des Freistaats Sachsen zurate zu ziehen.“

So erklärt sich, dass die führenden Sozis in Dresden gerade derart um sich schlagen.

Zwischenzeitlich hatten sie wegen des U-Ausschusses sogar die Koalitionsgespräche mit CDU und BSW unterbrochen. Die Wagenknecht-Leute ließ das allerdings herzlich kalt: Erstens hatte das BSW schon im Wahlkampf für einen solchen U-Ausschuss geworben; man löste jetzt also nur ein Wahlversprechen ein. Zweitens hatte Sahra Wagenknecht persönlich die „Brandmauer“ zur AfD immer als unsinnig bezeichnet. Drittens war den Wagenknechten klar, dass die SPD es sich gut überlegen würde, ob sie an dieser Frage wirklich eine Koalition – und damit ihre einzige Chance auf eine Regierungsbeteiligung – scheitern lässt.

Das Kalkül erwies sich als goldrichtig: Am Montag ist die SPD an den Verhandlungstisch zurückgekehrt. Ein Triumph für das BSW, das nach den Wahlerfolgen der jüngsten Zeit ohnehin vor Kraft kaum gehen kann. So schreibt sein EU-Abgeordneter Friedrich Pürner, im bürgerlichen Beruf promovierter Mediziner: „Das BSW hat sich für die Bevölkerung entschieden. Aufarbeitung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die anderen Parteien haben nur die Hosen gestrichen voll.“

Zu denen, die den Zorn des Volkes womöglich nicht ganz zu Unrecht fürchten, gehört auch Kathrin Michel. Die heute 61-Jährige prägte in der Corona-Zeit im SPD-Landesvorstand die unselige Leitlinie ihrer Partei:

„Geimpfte können etwas mehr Freiheiten behalten als Ungeimpfte.“

Heute ist Michel Co-Landesvorsitzende der SPD – und zusammen mit Ex-Sozialministerin Köpping die schärfste Gegnerin einer echten Corona-Aufarbeitung. Sie war es auch, die am heftigsten darauf drängte, die Koalitionsgespräche mit dem BSW auszusetzen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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