Tichys Einblick
Marktwirtschaft paradox

Stellantis will trotz Nachfrage Produktion kappen

Stellantis kämpft als einziger großer europäischer Autohersteller nicht für ein Aufweichen der CO2-Flottenziele. Vielmehr ist der Konzern bereit, seine Verbrenner-Produktion zu kappen, wenn es nötig sein sollte, um die von der EU vorgegebenen Ziele zu erreichen.

picture alliance/dpa/MAXPPP | Speich Frederic

Die Brüsseler Regulierungswut auf dem Feld der CO2-Emissionen in der europäischen Autoindustrie treibt seltsame Blüten. Allerdings auch auf Seiten der Autohersteller selber, um der Wahrheit die Ehre zu geben.

Wie bekannt, werden die Emissionsgrenzwerte für die Neuwagen-Autoflotten in Europa zu Jahresbeginn 2025 erheblich verschärft, die durchschnittlichen Emissionsgrenzwerte werden von 115 g/km auf 95 g/km gesenkt, 2030 sollen sie dann auf 50 g/km sinken.

Bei Nichterreichen der Zielwerte werden je Hersteller hohe Strafzahlungen fällig, die, wie im Extremfall bei Volkswagen, bis zu fünf Milliarden Euro betragen können. In Summe aller Europa-Autobauer könnten es nach Berechnungen des Europäischen Automobilverbands ACEA fünfzehn Milliarden Euro Pönale werden.

Andere Berechnungen haben umgekehrt ergeben, dass keine Strafzahlungen fällig werden, wenn die Hersteller im Durchschnitt etwa 20 bis 25 Prozent ihres Absatzes mit reinen Elektroautos (BEV) abwickeln.
Die Idee der EU-Kommission bei Erlass dieser Vorschriften stammt aus dem Jahr 2021, als der E-Absatz mit hohen zweistelligen Zuwachsraten in den Anfangs-Blütejahren stand, um den Herstellern bei der Umstellung ihrer Verbrennerproduktion auf Elektroautos „Beine zu machen“.

Das ist, wie inzwischen erkennbar, voll gelungen: Hohe Strafzahlungen werden fällig! Weil: Die E-Auto Euphorie ist verflogen, die Absätze sinken statt zu wachsen, die Flottenanteile der BEV hängen bei allen Herstellern bis August 2024 zwischen 13 bis 15 Prozent fest.

Die einzige Möglichkeit, den Strafzahlungen zu entgehen, wäre die E-Quote in Richtung 25 Prozent zu bringen, indem

An dieser Stelle tritt der 14-Marken-Konzern Stellantis, der ursprünglich aus dem PSA-Peugeot Konzern hervorgegangen ist, und sein Schöpfer CEO Carlos Tavares, auf den Plan.

Tavares ist 2021 aus dem Dachverband ACEA ausgetreten. Stellantis kämpft als einziger großer europäischer Autohersteller nicht für ein Aufweichen der CO2-Flottenziele. Im Gegenteil, „Hausaufgaben zur rechten Zeit“ hätten die Kollegen machen müssen, so Tavares.

Stattdessen ist der Konzern bereit, seine Verbrenner-Produktion zu kappen, wenn es nötig sein sollte, um so die von der EU vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Kurz: Für Stellantis habe die Produktion von Elektrofahrzeugen Vorrang, sagte (noch) Europa-Chef Jean-Philippe Imparato, der als Tavares’ Nachfolger gehandelt wird. Schon ab November könnte die Produktion gedrosselt werden (Trotz Nachfrage: Stellantis will Verbrenner-Produktion kappen | Automobilwoche.de). Für Ökonomen ist das Marktwirtschaft paradox.

Und für potenzielle Verbrennerkunden wäre das die Aufforderung, sich bei den anderen europäischen Volumen-Herstellern – VW würde jubeln, wenn sie denn selber lieferfähig wären – oder bei den Autoimporteuren aus Japan und Südkorea nach passendem Verbrennerangebot umzuschauen. Chinesische Verbrenner-Hersteller gibt es ja nicht – noch nicht!

Und für den Aufsichtsrat von Stellantis wäre das der Hinweis, sich die personelle Nachbesetzung von Carlos Tavares noch einmal zu überlegen.

Anzeige

Die mobile Version verlassen