Tichys Einblick
Nach unwürdigem Aktionismus

Familie Preußler entzieht dem Otfried-Preußler-Gymnasium den Namen

Die Tochter von Otfried Preußler hat das Treiben der Schul- und Gemeindegremien um den Namen nun beendet. Die Schule wird zukünftig wieder Staatliches Gymnasium Pullach im lsartal heißen. Susanne Preußler-Bitsch sagte, sie reagiere auf einen ihrer Meinung nach unwürdigen und rufschädigenden Umgang der Schule mit dem Erbe ihres Vaters.

IMAGO / Wolfgang Maria Weber

TE hatte am 23. Februar 2024 von dem unwürdigen Aktionismus der Gremien des Otfried-Preußler-Gymnasiums Pullach und der Kommune Pullach bei München berichtet: Man wollte den Namen des Gymnasiums ablegen, weil Otfried Preußler (1923 – 2013) als Jugendlicher angeblich Hitler verherrlicht habe. Der Vorwurf lautete: 1940 habe Preußler (damals 17 Jahre alt) drei in Briefform geschriebene Texte mit dem Titel „Lieber Soldat!“ verfasst, die in der Zeitschrift „Kameraden. Sudetendeutsche Briefe an Wehr- und Werkmänner“ erschienen seien. 1940/41 habe Preußler mit „Erntelager Geyer“ einen autobiographisch geprägten Jugendroman verfasst. Darin erzähle er von einer Gruppe von 10- bis 14-jährigen ‚Pimpfen‘ beim Ernteeinsatz auf dem Land.

Wir haben dieses Agieren der genannten Gremien damals als gratismutigen Retroexorzismus bezeichnet – als typisch deutsche, hypermoralisierende, rückwärtsgewandte Teufelsaustreiberei im Nachhinein. Das Ansinnen, den Namen „Otfried-Preußler-Gymnasium“ abzulehnen, landete schließlich beim bayerischen Kultusministerium. Dieses wiederum schob die Entscheidung über die Namensänderung bzw. Ablegung des Namens auf die lange Bank und drückte sich bislang um eine Entscheidung herum.

Die Familie Preußler, vor allem seine Tochter und Testamentsvollstreckerin Susanne Preußler-Bitsch, wollte dem unwürdigen Treiben um den von der Schule erst im Todesjahr von Otfried Preußler (†2013) angenommenen Namen nun verständlicherweise beenden. Preußler-Bitsch sagte, sie reagiere auf einen ihrer Meinung nach unwürdigen und rufschädigenden Umgang der Schule mit dem Erbe ihres Vaters. Die Schule wird zukünftig einfach wieder Staatliches Gymnasium Pullach im lsartal heißen.

Damals, 2013, hatte sich das Pullacher Gymnasium Preußlers Namen mit der Erlaubnis der Familie Preußler übrigens mit folgender Begründung angelacht: Preußler sei ein „in Bayern, Deutschland und der Welt berühmter und vielfach ausgezeichneter Schriftsteller“, zudem ein „herausragender Pädagoge, dessen pädagogische Überzeugungen sich in seinen Büchern und autobiographischen Skizzen manifestieren“.

Zur Erinnerung

Otfried Preußler (1923 – 2013), selbst einst Lehrer und Rektor, war und bleibt einer der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Seine insgesamt 38 Bücher wurden rund dreißigmillionenfach gekauft, von Millionen von Schülern gelesen und in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt. Zum Beispiel seine Bücher „Die kleine Hexe“, „Räuber Hotzenplotz“ und „Krabat“. Mehr als zwanzig Schulen in Deutschland tragen seinen Namen.

Wie die meisten Angehörigen seines Jahrgangs hatte sich Otfried Preußler 1942 nach seinem Abitur in Reichenberg (heute: Liberec/Tschechien, wo er im Mai 2024 posthum Ehrenbürger wurde) zum Kriegsdienst gemeldet. Ab Frühjahr 1942 diente er, später als Leutnant, an der Ostfront als „Nationalsozialistischer Führungsoffizier“. 1944, während seines Einsatzes an der Ostfront, wird „Erntelager Geyer“ veröffentlicht. Ende August 1944 kam er für fünf Jahre in russische Gefangenschaft, aus der er mit 40 Kilogramm Körpergewicht 1949 entlassen wurde.

Wie die Presse mit der Entscheidung der Preußler-Familie umgeht

„Bild“ titelt: „Familie von umstrittenem Kinderbuchautor hat entschieden …“ „umstritten“ – das ist die Lieblingsvokabel von Leuten, wenn sie keine Argumente haben. Der „Focus“ macht aus der Entscheidung der Preußler-Familie einen „Aufschrei“.

Halbherzige Sympathien hegt der „Stern“ mit Preußler mit der Überschrift: „Debatte um Kinderbuchautor: Gymnasium darf nicht mehr nach Kultautor Otfried Preußler benannt werden.“ Um dann fortzusetzen: „Otfried Preußler: Seine Werke sind Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur.“ Vergleichsweise neutral berichtet die „Süddeutsche“: „Preußler-Tochter entzieht Schule Namensrechte“.

Fazit

In den Worten des großen Publizisten Johannes Gross († 1999) könnte man sagen: „Je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen.“ Stimmt nicht ganz: Dass Jürgen Habermas 1944/45 Jungvolkführer und Günter Grass 1944 als 17-Jähriger bei der SS war… Aber das ist etwas ganz anderes!

Ein Bravo für diesen Heldenmut, verehrte Schulfamilie Pullach! Mit dieser Gnadenlosigkeit gegen einen 17-Jährigen des Jahres 1940 habt ihr zudem die pädagogische Chance vergeben, jungen Menschen die Wendung eines jungen Mannes zu einem großen Humanisten vorzustellen. So aber ist wenigstens bewiesen, dass diese (vormalige) Bildungsnation zwar in „Pisa“ miserabel abschneidet, dies aber mittels eines hypermoralischen historischen Retro-Exorzismus wettzumachen gedenkt. Den Schaden hat nicht der große Otfried Preußler, sondern das nun wieder so steril genannte „Staatliche Gymnasium Pullach“. Ist euch das nicht peinlich?


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