Tichys Einblick
Sendung Nr. 2000

Verdrehte Welt: Lanz und das Panoptikum der Polit-Erklärer

Es ist der Lanz-Talk Nummer 2000. Das Jubiläum wird in der Sendung zwar nicht thematisiert – es gibt auch keine Blumen –, aber könnte der Grund für eine ungewöhnliche Konstellation sein. Acht ZDF-Auslandskorrespondenten auf einen Schlag. Eine Elefantenrunde überbezahlter Weltenbummler. Von Michael Plog

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

An diesem Abend geht es im ZDF Schlag auf Schlag. Gerade eben noch hat Harald Lesch in alter Tradition die Kernenergie verteufelt, dem Zuschauer den aktuellen Forschungsstand vorenthalten (die neue Reaktorgeneration kann den Abfall alter Reaktoren verwerten), da übernimmt Markus Lanz und holt die ultimative Keule raus. Denn er fährt gleich eine ganze Armada an ZDF-Auslandskorrespondenten auf.

Es ist ein Bad im eigenen Sud. All die überbezahlten Gesichter, die uns sonst allabendlich jeder für sich die Welt (v)erklären. Jetzt haben wir sie alle mal in konzentrierter Form, und dieser Aufguss hat es wirklich in sich.

Nur zwei sind im Studio, der Rest wird nacheinander zugeschaltet. Die Dosis ist aber auch so schon hart an der Grenze.

Wir müssen eigentlich nur einen einzigen Namen nennen: Elmar Theveßen. Wie der Washington-Korrespondent uns seit mittlerweile fünf Jahren die Politik der USA erklärt, ist wirklich einmalig. Joe Biden fand er noch lange „fit“, als der längst von Flugzeugtreppe zu Podium zu G7-Gipfel stolperte. Und das katastrophale Interview der Demokraten-Kandidatin Kamala Harris beim Sender Fox News vor wenigen Tagen kommentierte er damit, sie habe „Punkte gesammelt“ und stehe für „was Neues“.

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Auch bei Lanz gibt Theveßen wieder alles. Und das ist wenig. Amerika sei „tief gespalten“, sagt er. So weit, so gut. Auch der Satz „Wir haben Trump vier Jahre erlebt, das Land ist damals noch nicht untergegangen“, ist noch unverfänglich. Doch dann geht es los. „Es gibt großen Anlass zur Sorge, wenn er Präsident werden würde“, sagt Theveßen, denn das Problem der amerikanischen Wähler sei: „Die kaufen Trump alles ab, was er behauptet.“ Und das seien eben: Alles. Leider. Lügen. „Es ist egal, ob es eine Lüge ist, wiederhole es einfach, so oft Du kannst.“

Theveßen regt sich auf: „Faschismus! Das sind faschistische Tendenzen. Dass die größten Lügen die sind, die am Ende noch geglaubt werden. Weil niemand es für möglich hält, dass jemand so große Lügen rauszieht. Deshalb glaubt man nicht, dass es gelogen sein könnte.“

Der geneigte Rechts-Nazi-Querdenk-Regierungsdelegitimierer fühlt sich in diesem Moment sofort in die Coronazeit zurückgebeamt. Lügen, Lügen, Lügen, immer wieder Lügen. Bis es (fast) jeder glaubt. Die Zeit, als der R-Wert alle Nachrichten dominierte, auf zwei absurde Nachkommastellen genau, nur weil Gesundheitsminister Jens Spahn es so wollte und es irgendwie wissenschaftlich klingen sollte. An die Zeit, als die angeblich nebenwirkungsfreie Impfung als Heilsbringer verkauft wurde. Und am Ende viele Menschen ins Verderben riss. Oder in den Tod. Auch damals: Alles. Leider. Lügen. Das haben die RKI-Files längst bewiesen. Was ZDF-Zuschauer allerdings nicht wissen können.

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Theveßen erzählt, dass rund ums Weiße Haus gerade ein riesengroßer Schutzzaun aufgebaut wird. Lanz ist entsetzt: „Was ist das für ein Land, in dem man sich derart einmauern muss.“ Moment, denkt der Zuschauer, hat nicht der Reichstag in Berlin sogar einen riesengroßen Graben bekommen? Aber weder Lanz noch Theveßen scheinen zu merken, welche Pseudorealität sie dem Zuschauer da gerade verkaufen.

Es geht noch weiter. Theveßen kritisiert US-Bürger, die er auf seinem Trip durch 18 Bundesstaaten getroffen hat (am heutigen Mittwoch um 22.15 Uhr) und die glauben würden, der Sturm aufs Capitol vom 6. Januar 2021 sei „doch nur eine Demonstration“ gewesen. Was er verschweigt: Die Wahrheit ist viel schlimmer. Wie Bilder der Überwachungskameras längst bewiesen haben, war der ganze „Sturm“ eine inszenierte Aktion. Das Sicherheitspersonal führte die Demonstranten seelenruhig durchs ganze Gebäude und zu den besten Foto-Locations.

Für Theveßen sind das alles offenbar Fake News. Mit welcher Chuzpe er selbst Fake News verbreitet und wiederum die Realität als Fake News abtut, das sind Pirouetten, auf die selbst Eisprinzessin Kati Witt neidisch wäre.

„Bei Donald Trump geht es nicht darum, dass man Fakten bespielt, da geht es um Emotionen“, sagt Ulf Röller. Das ist, nüchtern betrachtet, eine entlarvend korrekte Aussage, doch er meint es selbstverständlich anders. Der Brüssel-Korrespondent sitzt im Studio mit verwaschener Jeans und zu enger Wolljacke und sieht aus, als habe ihn die Lanz-Einladung nach Feierabend beim Autowaschen überrascht. Immerhin konstatiert er, dass Kamala Harris „keinen inhaltlichen Wahlkampf führt, sondern einen reinen Kulturwahlkampf. Ich weiß nicht, ob das reicht. Wenn das einzige Argument ist: Wir sind nicht Trump.“ Der Wahlkampf der Demokraten wirke blutleer.

„Ich glaube, dass der Eindruck falsch ist“, wirft Theveßen ein. Versteht sich.

Empathie für Täter, Desinteresse an Opfern
ZDF besucht abgeschobenen Kriminellen in Afghanistan für gefühlvollen TV-Beitrag
Mit Katrin Eigendorf geht die verdrehte Welterklärererei in eine neue Runde. Thema jetzt: der Ukraine-Krieg. Die USA seien „der wichtigste militärische Partner und Geldgeber“, sagt Eigendorf. Dass die USA mitnichten Geld in die Ukraine verschenken, sondern lediglich Kredite geben, verschweigt sie. Ebenso, dass die wesentlichen Assets des geschundenen Landes komplett dem Finanz-Giganten Blackrock gehören. Sogar mit dem Wiederaufbau wurde der größte Vermögensverwalter der Welt bereits beauftragt. Doch für Eigendorf ist klar: „Die Ukrainer wünschen sich definitiv lieber eine Präsidentin Harris.“ Es gehe darum, „dass Amerika an der Seite der Ukraine steht“.

Dass Trump neuer US-Präsident wird, möchte auch Moskau-Korrespondent Armin Coerper nicht. Russland wolle „Verachtung zeigen für diese Wahl, für dieses westliche demokratische System und Verachtung für die USA als Weltmacht, der man sich hier überlegen fühlt“, sagt er.

Dass die Friedenskonferenz in Ramstein abgesagt wurde, nur weil der US-Präsident wegen der Hurrikan-Schäden verhindert war, empfindet Röller als „Wahnsinn“. Es sei eine „Schicksals-Sitzung“ gewesen. „Ich will nicht zynisch klingen, aber weil in Florida der Wind ein bisschen scharf weht, hält die Welt den Atem an.“

Interessant ist, dass den gesamten Abend über das Schlagwort BRICS überhaupt keine Rolle spielt. Obwohl es das wichtigste Militär- und Zahlungs-Bündnis in Konkurrenz zu G7, NATO, Swift, UNO und allen anderen westlichen Institutionen darstellt. Und noch dazu am selben Tag das Gipfeltreffen in Kasan begonnen hat. Lediglich Moskau-Korrespondent Armin Coerper nennt BRICS ein einziges Mal in einem Nebensatz. Weder Miriam Steimer (China) noch Susann von Lojewski (Afrika) oder Johannes Hano (Asien) erwähnen es auch nur mit einer Silbe. Wie dicht können diese Korrespondenten dran sein an den Kontinenten, über die sie berichten?

Ob die anstehende US-Wahl „der Beginn einer neuen Weltordnung“ sei, will Lanz vom Kollegen aus Brüssel wissen. Der spricht von einer „Weltunordnung“ und diagnostiziert: „Die Wahrheiten, die wir gehabt haben, die gelten nicht mehr.“ Die transatlantische Partnerschaft werde leiden, und Europa werde auf sich allein gestellt sein. Sie müssten selbst für ihre Sicherheit sorgen. Dass die „europäischen Eliten sich darauf nicht vorbereitet haben“, sei eine „wahnsinnige Arroganz“. „Und Ignoranz“, sagt Lanz. Alle einig. Schöner Abend.

Röller fordert mehr Waffen für Europa. Der Kontinent sei „militärisch nicht stark genug“, sagt er. „Es gibt ja den Flugzeugträger Ursula von der Leyen nicht.“

Was er verschweigt: So ein Schiff hätte – eingedenk der politischen Bilanz der EU-Kommissionspräsidentin und ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin – vermutlich ein trauriges Schicksal: in See gestochen als stolzes Kriegsschiff. Und heimgekehrt als Krabbenkutter.

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