Tichys Einblick
Meloni geht voran: Folgt die EU?

Rückführungszentren – Italia docet?

Asyl-Rückführungszentren: lange ein Tabu, jetzt auf dem Tisch des Europäischen Rates. Rückt die EU nach rechts? Oder handelt es sich hierbei nur um eine kosmetische Konzession, oder schlimmer noch: eine „schlechte“ gute Idee?

picture alliance / Sipa USA | Sipa USA

Die deutschen Medien haben sich in den letzten Wochen wie üblich wieder einmal über die „Neofaschistin“ Georgia Meloni ereifert, die in Albanien für die stolze Summe von über einer halben Milliarde Euro zwei Rückführungszentren hat errichten lassen. Diese sollen zumindest einen winzigen Teil jener immer zahlreicheren Asylsucher aufnehmen, deren Antrag zwar meist vom italienischen Staat abgelehnt wird, die aber – auch und vor allem dank deutscher Flüchtlingsindustrie – immer weiter an die italienischen Küsten geworfen werden.

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Neben den üblichen Vorwürfen hieß es sogar, hier würde ein neues „Guantanamo“ errichtet, obwohl es natürlich grässlicher Unsinn ist, ein exterritoriales Durchgangszentrum für Asylsuchende mit einem Hochsicherheitsgefängnis für diverse Staatsfeinde, inklusive Folterkammern, zu vergleichen. Zudem ist der Gedanke, den Giorgia Meloni in die Tat umzusetzen versucht, nicht neu: Australien unterhält seit langem ähnliche Einrichtungen auf Papua-Neuguinea und auf Nauru; man erinnert sich daran, dass auch das Vereinigte Königreich versucht hatte, ein ähnliches Projekt in Ruanda zu verfolgen, und sich dabei ebenso wie Meloni am Widerstand des Justizsystems stieß; und letzte Woche hat das Thema der „return hubs“ es sogar auf den Tisch des Europäischen Rates geschafft, wie auch Ursula von der Leyen bestätigte. Ein guter Grund also, sich etwas näher mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit eine Auslagerung zentraler Etappen der Asylprozedur ins außereuropäische Ausland, allen voran Afrika, wirklich sinnhaft ist, wobei es bei diesen Zentren in erster Linie um die Abwicklung der Rückführung abgelehnter Bewerber geht, nicht so sehr um die Erstprüfung der Anträge.

Das offensichtliche Ziel der Rückführungszentren ist natürlich die Minderung des Risikos, dass abgelehnte Asylbewerber die Aufforderung zum Verlassen des Landes ignorieren und einfach „untertauchen“. Auch darf die Kostenfrage nicht unterschätzt werden, ist der Unterhalt eines großen Zentrums mitten in Afrika doch erheblich günstiger als in Europa. Und schließlich soll durch die Errichtung jener Zentren ganz klar ein Zeichen gesetzt werden, um präsumtive Asylsucher abzuschrecken. So weit so gut. Die mit den „return hubs“ verbundenen Probleme sind allerdings kaum zu übersehen und dürften wohl zumindest kurz- bis mittelfristig dazu führen, dass es sich hierbei nur in einem sehr geringen Maße um eine echte Lösung des Problems handelt.

Da wäre zunächst die schiere Größe der Aufgabe: Seit 2014 klopfen jedes Jahr zwischen einer halben und anderthalb Millionen Menschen an die Türen Europas, von denen die meisten – theoretisch – kein echtes Anrecht auf Asyl haben, sondern lediglich vor drückender Armut fliehen. Doch von den insgesamt ca. 8,6 Millionen Menschen, die seitdem nach Europa geströmt sind (die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen) sind nur die allerwenigsten trotz negativem Asylbescheid wieder zurückgeschickt worden: Inkompetenz, Angst vor unschönen Bildern, Hypermoralismus und knallharte demographische (und wahltechnische) Spekulationen sind hier ein gefährliches Bündnis eingegangen.

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Wollte man wirklich Ernst machen mit den gesetzlichen Vorschriften, und bedenkt man, dass Melonis beide Zentren trotz eines Budgets von 670 Millionen (über 5 Jahre) nur eine maximale Aufnahmekapazität von 880 (!) Menschen besitzen, kann man sich in etwa ausrechnen, welche gewaltigen Kosten entstehen würden, wollte man nicht nur den gegenwärtigen Ansturm, sondern eben auch den Rückstand auch nur ansatzweise bewältigen.

Dazu kommt der politische Wille: Die deutsche Ampel-Regierung hat vor einigen Wochen und mit großer Medienbeschallung nur deshalb sage und schreibe einmal 28 afghanische Straftäter in ihr Heimatland zurückgeflogen (Kostenpunkt: wohl eine halbe Million Euro), weil ihr die AfD angesichts der Wahlen im Nacken saß, während natürlich der überwiegende Teil der abgelehnten Asylbewerber weiterhin im Land bleibt oder in der Nachbarschaft untertaucht; und auch Meloni hat die zwölf nach Albanien geschickten Asylanten sofort wieder zurücknehmen müssen, nachdem ein Gericht dazwischenfunkte. Wenn der politische Wille also nicht da ist oder wenn er von der meist linksliberal kontrollierten Judikative behindert wird, dienen auch riesige Zentren in Ruanda, Albanien oder wo auch immer zu rein gar nichts. Und sollte der Wille endlich da sein – wieso sollte man dann überhaupt erst mühsam Millionen von Menschen zu horrenden Kosten durch ausländische Transitzentren schleusen, anstatt sie erheblich kostengünstiger direkt in ihre Heimat zurückzubringen?

Freilich: Damit rühren wir an einen weiteren wunden Punkt, nämlich die Tatsache, dass Europa sich zunehmend vom Ausland erpressbar macht, welches längst erkannt hat, dass Migration eine Waffe ist, die sich in bares Geld umsetzen lässt. Schon jetzt hat die EU überaus peinliche Deals mit Ländern wie der Türkei oder Tunesien schließen müssen, um deren Herrscher dazu zu bewegen, Migranten aufzuhalten anstatt sie systematisch durchzuwinken. Und gerade im Falle der Türkei haben die letzten Jahre gezeigt, wie gerne Erdogan bereit ist, solche Verträge zu missachten, um Druck auf den Westen auszuüben und weitere Konzessionen zu erpressen.

Sich mit Lösegeld vom Bevölkerungsdruck militanter Einwanderer freizukaufen, ist schon dem Römischen Reich nicht bekommen, und es steht zu vermuten, dass auch heute Geldzahlungen an afrikanische und nahöstliche Staaten zur Auslagerung „unschöner Bilder“ in den toten Winkel der westlichen Medienwelt nur den Appetit auf mehr wecken und somit immer nur eine zeitweise Beruhigung der Lage herbeiführen werden, da es niemals im Interesse der Nutznießer sein kann, eine dauerhafte Lösung zu erzielen: Man schlachtet niemals die Gans, die goldene Eier legen kann. Ähnliches gilt somit auch für die Asylzentren im Ausland: Man braucht keine blühende Phantasie, um sich in etwa auszumalen, welche Druckmittel ein Staat wie Ruanda besitzen würde, wenn dort einmal wirklich umfangreiche Zentren errichtet wären, deren logistische Versorgung ganz vom Willen des Gastlandes abhängig wäre …

Immerhin: Die Tatsache, dass Giorgia Meloni „ihre“ Asylzentren eben nicht in Afrika, sondern Albanien untergebracht hat, verweist bereits, wenn auch in äußerst beschränktem Maßstab, auf die einzige sinnvolle Lösung dieses Dilemmas: in solchen überlebenswichtigen Fragen wie der Verwaltung der künftigen europäischen Bevölkerungszusammensetzung nur mit solchen Ländern zusammenzuarbeiten, auf die auch langfristig politischer Einfluss ausgeübt werden kann, und mit denen eine dauerhafte und ehrliche Partnerschaft besteht oder aufgebaut werden kann.

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Albanien stand im Laufe seiner Geschichte immer wieder lange unter italienischem Einfluss und hat seine Wirtschaft komplementär zu derjenigen des großen westlichen Partners aufgebaut; Europa sollte sich ein Beispiel hieran nehmen und potentielle Asylzentren nur dort errichten, wo es auch langfristig eine umfassendere Präsenz in Afrika oder Nahost unterhalten will. Das ist kein Neokolonialismus, sondern Realpolitik des 21. Jahrhunderts: Seitdem Afrika nach dem Rückzug Frankreichs und der USA zunehmend unter die Kontrolle der Chinesen (und in Teilen sogar der Russen) geraten ist, wäre es höchste Zeit, solange dazu noch die Möglichkeit besteht, endlich wieder die europäischen Interessen an unserem geopolitischen Vorgarten anzumelden. Ganz zu schweigen vom Zugang zu seinen strategischen Rohstoffen, riskieren wir ansonsten doch die überaus reale Gefahr, nicht nur industriell, sondern auch rohstofftechnisch ganz von China abzuhängen und direkt auf der anderen Seite des Mittelmeers mit potentiell feindlichen Seestützpunkten rechnen zu müssen.

Freilich: Wäre Europa zu so einer voluntaristischen Außenpolitik fähig, würde es wohl auch keiner Auffangzentren bedürfen, da ein solches Europa Schleuserländer am Mittelmeer – es geht hier natürlich um Armutsmigration, nicht politische Verfolgung – für ihre versuchte Destabilisierung der europäischen Grenzen nicht mit Lösegeld beschwichtigen, sondern mit Sanktionen belegen würde, und entsprechend der gesamten Migrations„krise“ innerhalb nur weniger Tage den Garaus machen könnte.


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